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Juli 1953 - Teil 3

Anfang Juli steuert der Machtkampf an der Spitze der KPdSU zwischen Berija, Chruschtschow, Bulganin und Malenkow einem Höhepunkt zu. Die DDR ist dabei ein Spielball. Berija läßt sowohl die eigenen Besatzungstruppen in der DDR als auch die SED-Führung auf ihr Verhalten während des Aufstandes überprüfen. Geht es nach ihm, soll SED-Chef Walter Ulbricht abgelöst werden. Diese Absicht sickert nach Ost-Berlin durch. Am 8. Juli sprechen sich in einer dramatischen Nachtsitzung des SED-Politbüros in Ost-Berlin elf von dreizehn anwesenden Mitgliedern für den Rücktritt Ulbrichts aus.

Doch Berija hat seine Gegner in der KPdSU-Führung unterschätzt. Was es bedeuten kann, wenn er über uneingeschränkte Macht verfügt, können sich zu viele in der KPdSU-Spitze vorstellen. Chruschtschow und Malenkow handeln: Am 9. Juli 1953 wird der Geheimdienstchef während einer Sitzung des ZK-Präsidiums der KPdSU verhaftet. Die meisten, die auf Berija gesetzt haben, werden nun ausgeschaltet oder abgeschoben.

Die siegreiche Kreml-Fraktion wünscht keine weitere Destabilisierung in der DDR. Ein Führungswechsel in der SED-Spitze wird als ideologisches Zurückweichen und Schwäche betrachtet; er könnte zudem Liberalisierungsbestrebungen in den anderen osteuropäischen Satellitenstaaten auslösen. Ulbricht soll deshalb im Amt gehalten werden.

Meldung über den Ausschluss Berijas, 10.7.1953 (DDR-Rundfunk)

Mp3-File O-Ton (mp3)

Umgehend beginnt Ulbricht seine Position zu restabilisieren: Justizminister Max Fechner wird am 15. Juli 1953 seines Amtes enthoben und verhaftet. Fechner hatte am 30. Juni in einem Interview mit dem SED-Zentralorgan "Neues Deutschland" erklärt. "Es dürfen nur solche Personen bestraft werden, die sich eines schweren Verbrechens schuldig machten. Andere Personen werden nicht bestraft. Dies trifft auch für Angehörige der Streikleitung zu." Zwei Tage später schrieb die Zeitung als Nachbesserung des Interviews Fechner die Äußerung zu, daß das Streikrecht in der DDR verfassungsmäßig garantiert sei, Angehörige von Streikleitungen deshalb für ihre Tätigkeit als Mitglieder von Streikleitungen nicht bestraft würden.

Der "der staatsfeindlichen Tätigkeit überführte frühere Justizminister", so heißt es in einer Entschließung der Tagung des SED-Zentralkomitees vom 24. bis 26. Juli 1953, habe seine Position ausgenutzt, "um die faschistischen Provokateure vor der verdienten Strafe zu schützen."

Es werden auf dieser Tagung aber auch Staatssicherheitsminister Wilhelm Zaisser und der Chefredakteur der Parteizeitung "Neues Deutschland", Rudolf Herrnstadt, demontiert. Zaisser hatte in der Nachtsitzung des SED-Politbüros zu Beginn des Monats Herrnstadt als neuen Ersten Sekretär des SED-Zentralkomitees vorgeschlagen. Weil das Ministerium für Staatssicherheit am 17. Juni insgesamt versagt habe, verliert es seine Stellung als eigenständiges Ministerium und wird als Staatssekretariat in das Ministerium des Innern (MdI) eingegliedert. Zur Hauptaufgabe der Staatssicherheit wird die Beweisführung erklärt, dass der 17. Juni 1953 der vom Westen geplante "Tag X" gewesen sei.

Das SED-Zentralkomitee beschließt zudem, republikweit in den volkseigenen Betrieben, staatlichen Verwaltungen und Institutionen paramilitärisch bewaffnete und organisierte "Kampfgruppen" aufzubauen, mit denen zukünftigen Protesten unmittelbar und direkt vor Ort begegnet werden kann. Gegen die aufständischen Arbeiter auf der Straße kündigt Ulbricht vor dem SED-Zentralkomitee Härte an: "Kein Arbeiter hat Veranlassung, seine Teilnahme an dieser Provokation zu verteidigen. (...) Wir werden mit allen ehrlichen und klassenbewußten Arbeitern sprechen und diskutieren, nicht aber mit Hetzern und Provokateuren. Für dieses Gesindel, das unseren friedlichen Aufbau stört, gibt es nur eins: Wir werden dafür sorgen, daß sie in Zukunft keinen Schaden mehr anrichten können."

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