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Mai 1953 - Teil 4

Am 21.5.1953 verfügt das ZK in einem Schreiben an alle Bezirks- und Kreisleitungen der SED, "daß für die Zeit der Vorbereitung und Durchführung der Erntekampagne die Bildung neuer Landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften nicht zweckmäßig ist und zu dieser Zeit weitere Mitglieder in die bestehenden Genossenschaften nicht aufgenommen werden sollen." Diese Anweisung stellt keinen Kurswechsel dar, sondern beruht auf der pragmatischen Entscheidung, der Ernte Vorrang einzuräumen. Jedoch lässt sich die Gründungsdynamik nicht einfach per Anweisung zeitweilig stoppen: Bis zum 17.6.1953 werden mindestens 300 weitere LPGs gegründet.

Stopp der LPG-Gründungen während der Erntezeit, 21.5.1953

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In einer Geheimanalyse vom 22. Mai 1953 beschäftigt sich die CIA mit der bis 1954 zu erwartenden Deutschland-Politik der Sowjetunion. Der amerikanische Geheimdienst geht darin nicht davon aus, daß die Sowjetunion ihren Zugriff auf die DDR lockern werde, auch nicht, um dadurch die Westintegration und Wiederbewaffnung der Bundesrepublik zu verhindern. Denn die DDR, so heißt es, trage schätzungsweise mit 40 Prozent zur Uranproduktion des Ostblocks bei; DDR-Uran sei für die sowjetische Atompolitik unverzichtbar.

Die Studie macht zudem darauf aufmerksam, daß die Vorbereitungen zur Abriegelung West-Berlins nahezu vollständig abgeschlossen seien und mit einer Abschnürung der Stadt gerechnet werden müsse, sobald der aktuelle propagandistische "Friedenskurs" verlassen werde. Ein Kriegsrisiko werde die Sowjetunion in naher Zukunft voraussichtlich nicht eingehen, sondern weiterhin Maßnahmen der politischen Kriegsführung zur Einwirkung auf die politische Entwicklung in Deutschland durchführen.

Am 27.5.1953 berät das Präsidium des Ministerrates der UdSSR in einer Sondersitzung erneut das Thema "Zukunft der DDR". In einem Beschlussentwurf, den Außenminister Molotow vorlegt, heißt es, daß die Sowjetunion nicht für die Fehler ihrer ostdeutschen Freunde bezahlen solle. Die Sowjetunion sollte "nicht die Linie eines erzwungenen Aufbaus des Sozialismus in der DDR verfolgen". Berija schlägt demgegenüber vor, das Wort "erzwungen" zu streichen und führt aus: "Wir brauchen nur ein friedliches Deutschland. Aber ob es dort den Sozialismus gibt oder nicht, ist uns ganz gleich."

Am Ende der Sitzung wird die Auflösung der Sowjetischen Kontrollkommission in Deutschland beschlossen und die Schaffung des Amtes eines "Hohen Kommissars" mit Sitz in Ostberlin bekannt gegeben. Als Hoher Kommissar wird der mit den deutschen Verhältnissen bestens vertraute Wladimir S. Semjonow eingesetzt. Damit gleicht die Sowjetunion die Struktur ihrer Besatzungsbehörde an die der westlichen Besatzungsmächte an: ein Signal, dass man zu Gesprächen über strittige Fragen im Ost-West Verhältnis bereit ist. Doch bevor irgendetwas in dieser Richtung geschehen kann, muss der Problemfall DDR geklärt werden.

Vier Tage später (31.5.1953) liegt in Moskau ein Papier mit dem Titel "Über die Lage in der DDR" vor, verfasst vom neuen Hohen Kommissar. Bei allen Halbheiten und Kenntnislücken des Papiers (z.B. Normenfrage) ist es die früheste umfassende Thematisierung der Krise in der DDR.

Zur politischen und wirtschaftlichen Lage in der DDR, Ende Mai

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Am Tage des Ministerratsbeschlusses über die Normerhöhung (28.5.1953) spricht SED-Chef Walter Ulbricht gleich auf zwei Tagungen: Einmal vor Vertretern der Intelligenz und zum anderen auf einer Parteiaktivtagung der Staatssicherheit. Ulbricht bringt bei den Mitarbeitern der Staatssicherheit seine Unzufriedenheit mit den erreichten Ergebnissen beim Aufbau des Sozialismus zum Ausdruck. Zweifel an der Richtigkeit des Kurses in der DDR hegt er nicht Er hält die Lage in der DDR für stabil. Demgegenüber beklagen die Mitarbeiter der Staatssicherheit die begrenzten Möglichkeiten bei der Unterdrückung von "Provokationen" und der Durchführung von Aktionen gegen die Feinde der DDR. Unter den Bedingungen des verschärften Klassenkampfes will man dem Gegner keine Chance lassen. Niemand denkt an eine Änderung des Kurses, wie es die führenden Genossen in Moskau tun.

Ulbricht vor Vertretern der Intelligenz, 28.5.1953 (DDR-Rundfunk)

Mp3-File O-Ton (mp3)


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