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Bezirk Potsdam

Vor allem in den größeren Industriestandorten des Bezirkes Potsdam kommt es am 17. Juni zu Streiks, Demonstrationen und Unruhen. Tausende von Bau- und Industriearbeitern beteiligten sich. Schwerpunkte des Aufstandes im Bezirk sind die Städte Brandenburg, Hennigsdorf, Königs Wusterhausen, Luckenwalde, Ludwigsfelde, Niemegk, Oranienburg, Premnitz, Rathenow, Teltow und Zehdenick.

Im Kunstseidenwerk in Premnitz stellt die Streikleitung beispielsweise folgende Forderungen auf: 1. Sofortige Freilassung aller Häftlinge; 2. Sturz der Regierung; 3. 50% HO-Preissenkungen; 4. sofortige freie und geheime Wahlen; 5. der Leistungslohn ist aufzuheben und der alte Stundenlohn wieder einzuführen; 6. wir erklären uns mit den Bauarbeitern solidarisch.

In Potsdam selbst kommt es nur zu kurzeitigen Streikaktionen; Schwerpunkte sind Großbetriebe wie das Karl-Marx-Werk (Lokomotivfabrik in Potsdam-Babelsberg) und das Reichsbahnausbesserungswerk. Doch im Vergleich zu den Aktionen in der Stadt Brandenburg oder in Rathenow, wo die Wut und der Hass von Demonstranten einen HO-Betriebsschutzleiter, der als Spitzel verdächtigt wird, das Leben kostet, blieb es in der Bezirksstadt vergleichsweise ruhig, was vor allem mit der starken sowjetischen Militärpräsenz und der Nähe zu Berlin zu tun hat: Viele Arbeiter aus den Industriestandorten um Berlin ziehen zudem nach Ostberlin. So bewegt sich etwa am 17. Juni ein Demonstrationszug von mehreren tausend Stahlarbeitern aus Hennigsdorf durch den französischen Sektor in Richtung Ostberliner Stadtmitte.

In den fünf fast ausschließlich landwirtschaftlich geprägten Kreisen Jüterbog, Kyritz, Wittstock, Pritzwalk und Neuruppin gibt es ebenfalls Unruhen und Proteste. Ausgangspunkt von Aktionen auf dem Lande sind wiederum häufig auch Baustellen der Bau-Union wie in Niemegk im Kreis Belzig.

Hervorzuheben sind insbesondere die Vorgänge in der Stadt Brandenburg, in der es massive Auseinandersetzungen gab. Vor allem die Arbeiter des Stahl- und Walzwerkes demonstrieren am 17. Juni in der Innenstadt. Einer der Sprechchöre lautet: "Acht Jahre erdulden wir Eure Qualen, jetzt fordern wir freie Wahlen!" Weitere Betriebe der Stadt schließen sich an; gegen Mittag ist förmlich die ganze Stadt auf den Beinen. Die Kreisleitung der SED, der FDJ und auch das Amtsgericht werden gestürmt, Polizisten entwaffnet, Akten aus den Fenstern geworfen, verhasste Funktionäre - ein Richter und ein Staatsanwalt - auf der Straße verprügelt. Etwa 10.000 Menschen haben sich nach späteren Schätzungen vor dem Amtsgericht versammelt. Von dort aus ziehen Demonstranten zur Untersuchungshaftanstalt weiter, wo die Freilassung politischer Häftlinge gefordert wird. Die Situation eskaliert: Schüsse fallen, das Haus der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft geht in Flammen auf. Sowjetische Truppen werden alarmiert. Trotzdem gelang es den Demonstranten gegen 15.00 Uhr, das erste Stockwerk des Zuchthauses zu besetzen. Dann aber rückten sowjetische Panzer vor, treiben die demonstrierenden Gruppen auseinander. Schließlich wird auch in der Stadt Brandenburg der Ausnahmezustand verhängt.

BDVP Potsdam, Bericht über die Auswertung des volkspolizeilichen Einsatzes seit dem 16. Juni 1953, Potsdam, 28.6.1953

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Telefonische Meldungen und Durchsagen der SED im Bezirk Potsdam am 17. Juni 1953 an das ZK der SED (Auszüge)

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BVfS Potsdam, Meldungen über Vorkommnisse [im Bezirk Potsdam] vom 17.6.53 bis zum 18.6.53

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[Quellen: Tagesmeldungen des 17. Juni 1953 im Bezirk Potsdam, in: BA-SAPMO, NY 4062, Nachlaß Heinrich Rau, Materialsammlung über die Vorgänge am 17. Juni 1953 in der Republik, Signatur 94; siehe auch: Diedrich 1991; Beier 1993; Oelschläger 1999; Kotsch 2001; Koop 2003.]

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