Bezirksbehörde der Deutschen Volkspolizei
Rostock
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Rostock, den 26.6.1953

Betr.: Auswertung der Ereignisse seit dem 16.6.1953, die mit der faschistischen Provokation zusammenhängen
Bezug: FS - Nr. 581 der HVDVP vom 21.6.1953

Auf Grund der Provokationen faschistischer Elemente im demokratischen Sektor von Berlin und in anderen Teilen der Deutschen Demokratischen Republik wurde auch in der BDVP Rostock am 17.6.1953 ein besonderer Einsatzstab gebildet.

Dieser Einsatzstab setzte sich wie folgt zusammen: Chef der BDVP Rostock,
Polit-Stellvertreter,
K - Leiter,
S - Leiter,
BS - Leiter,
Leiter des Op-Stabes,
Leiter der Gruppe A u. S.

Am 17.6.1953, gegen 09.00 Uhr, gab der Chef der BDVP eine Einschätzung der Lage im Bereich der BDVP allen Abteilungsleitern der BDVP bekannt und erteilte gleichzeitig konkrete Aufträge an alle Abteilungsleiter entsprechend der gegebenen Situation.

Gleichzeitig erhielten 13 qualifizierte Offiziere den Auftrag, sich sofort zur Hilfeleistung als Instrukteure in die Kreise und Schwerpunktbetriebe zu begeben, um dort an Ort und Stelle entsprechende Maßnahmen einzuleiten und die gegebenen Anordnungen zu überwachen.

Außerdem ergingen gegen 11.00 Uhr vom Chef der BDVP Rostock an alle VPKA- und VPA(B)-Leiter fernmündlich und um 20.00 Uhr ein schriftlicher Einsatzbefehl auf Grund der nachfolgend aufgeführten Anzeichen von Provokationen an alle Dienststellenleiter im Bereich der BDVP.

Die Grundlage des Einsatzplanes war der Einsatzplan vom 3.11.1952, der von der BDVP Rostock den VPKÄ, VPA(B) und Abteilungsleitern der BDVP als Rahmeneinsatzplan übersandt wurde.

Besondere Punkte dieses Planes waren:
  1. Bildung einer Einsatzleitung,
  2. Zweiteilungsdienst bis auf Widerruf,
  3. Zurückbeorderung vom Urlaub (bis auf solche Urlauber, die sich auf Kur oder in VP-Erholungsheimen befinden),
  4. Bildung einer Einsatzreserve von 10 - 15 VP-Angehörigen, Abzug der administrativen Kräfte in den operativen Dienst, Einsatz der freiwilligen Helfer der VP, je nach Lage,
  5. Schutz der volkseigenen und sonstigen lebenswichtigen Betriebe (E-Werk, Wasserwerk, Versorgungslager usw.),
  6. Erhöhte Sicherungsmaßnahmen für die Haftanstalten,
  7. Tägliche Polit-Information durch die Polit-Stellvertreter und Einsatz von Agitatoren.
Auf Grund dieses Rahmeneinsatzplanes wurden von den Leitungen der VPKÄ und VPA(B) bis in die unteren Dienstzweige Einsatzpläne mit konkreter Aufgabenstellung erarbeitet unter Festlegung der Verantwortlichkeit und unter Berücksichtigung der Struktur der einzelnen Kreise.

Verbindung mit der Bezirksleitung der Partei, dem Vorsitzenden des Rates des Bezirkes, MfS, KVP, Grepo, Volkspolizei See, Transportpolizei und dem Bezirkskommandanten des Bezirkes Rostock wurde sofort aufgenommen und entsprechende Maßnahmen in Verbindung mit diesen Dienststellen eingeleitet.

Mit den Vertretern der Bezirkskommandantur bestand eine ständige enge Verbindung. Fast zu jeder Stunde wurden die Informationen ausgetauscht und die notwendigen Maßnahmen festgelegt. Von dem MfS und der KVP waren beim Op-Stab Verbindungsoffiziere eingesetzt, die jeweilig ihre Dienststellen über die Lage informierten. Der Chef der Grenzbereitschaft wurde fast stündlich über die Lage durch die DVP informiert.

Die Bildung eines Einsatzstabes im Bereich der BDVP war unverzüglich notwendig, das zeigen nachfolgende Tatsachen:

In der Warnow-Werft, Warnemünde, Kreis Rostock, machten sich bereits die ersten Anzeichen am 17.6.1953, gegen 01.20 Uhr, bemerkbar, und zwar beabsichtigten die Arbeiter der Nachtschicht, die Arbeit niederzulegen.

Am 18.6.1953, gegen 05.00 Uhr, kam es dann endgültig zur Arbeitsniederlegung.

Ein Teil der Arbeiter führte im Gelände der Werft eine Demonstration durch. Vor der Werft befanden sich zum gleichen Zeitpunkt ca. 500 Arbeiter, welche mit den im Werk demonstrierenden Arbeitern zusammen eine Demonstration in Warnemünde durchführen wollten. Um 14.30 Uhr wurde von allen im Werk befindlichen Arbeitern die Arbeit niedergelegt.

In der Halle IV der Werft wurde am Abend eine Versammlung durchgeführt, an der ca. 200 Arbeiter aus allen Gewerken teilnahmen. Sie forderten, daß die Normen auf den Stand wie vor einem halben Jahr herabgesetzt werden. Bei dieser Versammlung trat besonders der ehem. Bürgermeister der Gemeinde Markgrafenheide Krs. Rostock, welcher nicht Mitglied unserer Partei ist, mit provokatorischen Äußerungen hervor.

Die Versammlung wurde in Anwesenheit des Sekretärs der Betriebsparteiorganisation, Gen. E., durchgeführt. Die Hauptforderungen, die dabei gestellt wurden, lauteten:
  1. Fort mit der Grotewohl-Regierung
  2. Entlassung des Betriebsleiters
  3. Wegfall der Nachtschichten
  4. Herabsetzung der Normen
  5. Keinen Pfennig für die KVP
  6. Aufhebung des Ausnahmezustandes.
Außerdem wurde von den Arbeitern, die auf den Millionenobjekten (drei Schiffe, darunter die „Sowjetski Sojus") arbeiteten, der Abzug der sowjetischen Sicherungstruppen von den Schiffen gefordert.

Durch die Einsatzleitung der BDVP Rostock wurde auf Grund dessen der Leiter der VPKA Rostock, VP-Kommandeur H., mit einer Komp. der Ausbildungseinheit zur Wiederherstellung der Ruhe und Ordnung nach Warnemünde befohlen. Um 09.30 Uhr traf die Einheit dort ein. Gegen 11.30 Uhr mußten noch drei Komp. der KVP Rostock, unter der Leitung von Oberstleutnant W., hinzugezogen werden, da die Arbeiter mit aller Gewalt versuchten, eine Demonstration durchzuführen.

Die eintreffende KVP wurde von den Demonstranten mit Steinen beworfen. Der Aufforderung, sich zu zerstreuen, kamen die Arbeiter nicht nach.

Gegen 13.05 Uhr war die KVP gezwungen, etwa 250 Warnschüsse abzugeben, um die Massenansammlungen zu zerstreuen.

Ca. 15 Minuten später sammelten sich wieder größere Menschenmengen (ca. 300 Pers.) und versuchten, in Richtung Kirchenplatz in Warnemünde zu demonstrieren. Auch diese wurden zerstreut.

Um 17.00 Uhr waren wiederum Anzeichen einer Demonstrationsbildung am Kirchenplatz Warnemünde zu verzeichnen. Gegen diese wurden vom 4. VP-Revier Warnemünde 30 VP-Angehörige eingesetzt. Es gelang, die Ansammlung zu zerstreuen und die Rädelsführer (neun Personen) festzunehmen.

Durch Ermittlung der VP konnte einer der Haupträdelsführer, ein gewisser B. aus Markgrafenheide, festgenommen werden, welcher schon am Vortage in Erscheinung trat.

Am 19.6.1953, um 05.30 Uhr, war in der Warnow-Werft wieder eine stärkere Ansammlung von Arbeitern. Um 06.20 Uhr trat die Betriebsparteiorganisation in Tätigkeit. Die Arbeiter blieben aber auf ihren Forderungen bestehen und verlangten den Abzug der sowjetischen Truppen aus der Werft. Die KVP wurde wieder eingesetzt. Durch Betriebsfunk wurde bekanntgegeben, daß jeder, der die Arbeit nicht aufnehmen will, sofort das Gelände des Betriebes zu verlassen hat.

Bei der Zerstreuung dieser Ansammlungen wurden Festnahmen getätigt. Darunter befand sich auch der Sohn des Genossen Franz Dahlem, der nach den bisher vorliegenden Ermittlungen als einer der Initiatoren der Streikbewegung in der Warnow-Werft anzusehen ist. Sein Plan war: Demonstration der Werftarbeiter der Warnow-Werft nach Rostock, hier Vereinigung mit der Neptun-Werft, Dieselmotorenwerk und anderen Großbetrieben von Rostock. Nach Zerschlagung dieser Demonstration trat in der Warnow-Werft Ruhe ein, und die Arbeit wurde allmählich wieder aufgenommen.

Am 17.6.1953, gegen 09.00 Uhr, versuchten die Arbeiter des Dieselmotorenwerkes in Rostock, in den Streik zu treten. Die Belegschaft forderte um 10.00 Uhr eine Versammlung. Auf dieser wurden folgende Forderungen gestellt (die Versammlung fand von 10.00 Uhr bis gegen 13.00 Uhr statt):
  1. Die Intelligenz wird zu hoch bezahlt.
  2. Es ist kein Kultur- und Arbeitsdirektor notwendig.
  3. Sofortige Herabsetzung der Normen,
  4. Senkung der HO-Preise um 50 %.
In dieser Versammlung wurde mit den Arbeitern von Seiten der Betriebsleitung, BGL, Betriebsparteiorganisation und einem Vertreter des IG-Metall eine Übereinstimmung erzielt. Die Arbeit wurde wieder aufgenommen.

Dieses Ergebnis ist auf den rechtzeitigen Einsatz der Agitatoren, der Partei und der Kräfte der VP zurückzuführen. Nachher kam es zu keinen Zwischenfällen mehr im Dieselmotorenwerk.

Am 17.6.1953 wurde in vereinzelten Gruppen der Neptun-Werft Rostock über Streiks diskutiert. Um 22.00 Uhr bei Schichtwechsel wurde durch den 1. Sekretär der Bezirksleitung, Genossen Mewis, im Betrieb eine Parteiaktivtagung durchgeführt.

Am 18.6.1953, gegen etwa 10.00 Uhr, begannen ca. 100 Personen den Solidaritätsstreik. Die Forderungen waren dieselben wie in der Warnow-Werft.

Um 11.15 Uhr hatten ca. 800 Arbeiter die Arbeit niedergelegt und sich zu einer Demonstration im Werftgelände vereinigt. Sie versuchten, durch das Tor in die Stadt zu gelangen.

Durch Einsatz sowjetischer Truppen wurden die Demonstranten am Tor aufgehalten, wobei von Seiten der Rotarmisten mehrere Warnschüsse abgegeben wurden. Die Streikenden wurden am Tor zerstreut, verblieben jedoch im Werftgelände.

Ein Einsatz von Agitatoren der Partei zeigte überhaupt keinen Erfolg. Um 17.55 Uhr arbeiteten nur noch zwei Prozent der Belegschaft.

Beim Schichtwechsel vom 18. zum 19. 6. 1953 waren von ca. 800 zu erscheinenden Arbeitern nur 150 zur Arbeit erschienen. Von der Tagesschicht wurde dann wieder die Arbeit am 19.6.1953 zum größten Teil aufgenommen. In der Tagesschicht vom 19.6.1953 kam es zu kleinen Ansammlungen im Betrieb, welche die Forderung stellten, Freilassung der am 18.6.53 festgenommenen zwei Personen.

Seitdem erfolgten keine Arbeitsniederlegungen mehr, jedoch konnte man diese Ruhe noch nicht als normal bezeichnen.

Nach Mitteilung der Leitung der VPA(B) Neptun-Werft hat die Partei hier vollkommen versagt, da die Parteiorganisation mit ihren schlechten Diskussionen den Anstoß zu den Arbeitsniederlegungen gegeben hatte.

In der Bootswerft Gehlsdorf - Rostock versuchten am 18.6.1953 um 14.20 Uhr ca. 150 Arbeiter in Sympathie zu den Arbeitern der Warnow- und Neptun-Werft in den Streik zu treten.

Von der Kreisleitung der SED Rostock konnte dieses Vorhaben der Arbeiter durch gute Aufklärung verhindert werden.

Am 19.6.1953, als jedoch die Arbeiter Verbindung mit den anderen bereits genannten Betrieben aufgenommen hatten, traten auch hier ca. 230 Arbeiter, vorwiegend Jugendliche, in den Streik.

Sie forderten:
  1. Gleichen Lohn wie in der Warnow-Werft,
  2. Normzurücksetzung,
  3. Entlassung der zwei Normsachbearbeiter,
  4. Abzug der sowjetischen Panzer von den Straßen Berlins und Rostocks.
Durch den Betriebsleiter wurden die Arbeiter aufgefordert, ihre Arbeit wieder aufzunehmen, nach Mitteilung eines sowjetischen Offiziers sollen die Truppen wieder abgezogen werden, wenn sie innerhalb von 20 Minuten die Arbeit wieder aufnehmen.

Die Arbeit wurde wieder aufgenommen, die sowjetischen Truppen wurden bis auf zwei Offiziere und einen Soldaten abgezogen.

Gegen 14.00 Uhr verlangten die Arbeiter Auskunft von Seiten der Betriebsleitung und Parteileitung, ob die Warnow- und Neptun-Werft streiken und wollten, wenn das der Fall wäre, ebenfalls streiken.

Trotzdem sich die Arbeiter an ihren Arbeitsplatz begaben, wurde wenig gearbeitet. Die eingesetzten Agitatoren der SED-Kreisleitung gaben durch ihre zum Teil falsche Agitation den Arbeitern Gesprächsstoff für negative Diskussion.

Daraufhin wurden wieder sowjetische Truppen eingesetzt. Die Kriminalpolizei begann mit der Festnahme der Rädelsführer.

Bis auf die 150 Jugendlichen, die den Streik weiter durchführten, ließen sich die anderen Arbeiter durch keine Provokation mehr beeinflussen.

Am 20.6.1953 legten ca. 200 Arbeiter die Arbeit erneut nieder. Die gebildete Streikleitung konnte festgenommen werden, die unter Leitung eines SS-Unterscharführers stand.

Zu den Forderungen vom Vortag kamen hinzu:
  1. Gesamtdeutsche freie Wahlen,
  2. Aufhebung des Ausnahmezustandes,
  3. Flaggen auf Halbmast auf Grund des Erschießens des Provokateurs Willi Göttling.
Um 11.30 Uhr wurde die Arbeit, bis auf die Bordmontage, aufgenommen. Nachdem die Arbeiter durch den BS-Leiter über den Betriebsfunk an die Einhaltung ihrer Versprechen vom Vortage erinnert wurden, gingen auch die Schweißer wieder an die Arbeit. Sie konnten dann aber nicht beginnen, da von dem Schweißer G. der Umformer abgeschaltet war. G. wurde festgenommen.

Von der Streikleitung wurde u.a. die schriftliche Forderung wie z. B. Fahnen auf Halbmast wegen der Erschießung des Provokateurs Göttling, Abzug der sowjetischen Besatzungsmacht aus Berlin und Rostock usw. erhoben.

Diese Forderungen hatten mit den eigentlichen Forderungen der Arbeiter nichts gemein. Dadurch kam zum Ausdruck, daß bewußte Provokateure am Werk waren.

Des weiteren hatten am 20.6.1953, gegen 09.00 Uhr, ca. 75 % der Belegschaft eine unberechtigte Frühstückspause eingelegt.

Die Arbeiter gingen jedoch bei Erscheinen des Einsatzkommandos des VPKA Rostock wieder an die Arbeit.

Von da an ist im Betrieb Ruhe.

Am 18.6.1953, gegen 14.00 Uhr, erklärten sich auch ca. 60 Arbeiter der Isolier- und Kältetechnik Rostock mit den Arbeitern der Bootswerft Gehlsdorf solidarisch.

Sie legten die Arbeit nieder. Die Arbeit wurde jedoch, nachdem die Agitationsgruppen der Partei und des FDGB eingesetzt waren, nach kurzer Zeit wieder aufgenommen.

Außer den genannten Schwerpunktbetrieben kam es in dem übrigen Stadt- und Kreisgebiet Rostock zu keinen Zusammenrottungen. Der Klassengegner hatte jedoch unter der Bevölkerung seine Arbeit aufgenommen, welches man an dem Verhalten der Bevölkerung gegenüber der VP feststellen konnte.

Es waren zum größten Teil nur Jugendliche, die der VP gegenüber ein freches Benehmen zeigten. Das konsequente Auftreten der VP und das energische Durchgreifen belehrte sie aber eines anderen.

In der Volkswerft Stralsund wurde am 17.6.1953 von unbekannten Tätern auf einer Losung am Logger 4149 der Name Walter Ulbricht mit schwarzer Farbe durchgestrichen. Die Losung wies darauf hin, daß der Logger zum Geburtstag des Genossen Walter Ulbricht vorfristig fertiggestellt werden sollte.

Die Ursachen zu dieser Handlung kamen in den Diskussionen der Arbeiter zum Ausdruck. Sie waren verärgert über die Herabsetzung der Lohngruppen und verlangten, daß diejenigen, die an der Preiserhöhung von Marmelade, Zucker usw. schuld sind, bestraft werden müssen.

Auch durch die Agitationen des Genossen F. (Instrukteur der Kreisleitung der SED Stralsund) ließen sich die Arbeiter nicht umstimmen.

Etwa 50 Arbeiter der Malerei und Schweißerei der Werft forderten eine Bestrafung derjenigen, die die Losung beschädigt hatten. Auf der Arbeiterversammlung, die bei Schichtwechsel durchgeführt wurde, wurde die Wiederanbringung der Losung gefordert. Bei Schichtwechsel am folgenden Tage um 14.00 Uhr wurde die Losung wieder angebracht.

Unter den Schweißern herrschte ebenfalls Unzufriedenheit über die Frischluftzulage und den Gesundheitsurlaub. Es wurden Forderungen laut wie z.B.:

Wir brauchen Parteien und nicht nur eine SED.

Im Betrieb war am 17.6.1953 von einem Streik noch nichts zu bemerken, jedoch haben einzelne Arbeiter, wie später ermittelt wurde, Bemerkungen gemacht wie: Am nächsten Tag (18.6.) geht es auf der Volkswerft los.

Am Morgen des 18.6.1953 wurde von einigen Abteilungen die Arbeit niedergelegt. Die Kollegen waren mit der Verhängung des Ausnahmezustandes auch im Bezirk Rostock nicht einverstanden.

Ca. 1.500 Streikende sammelten sich vor dem Tor und wurden hier von einigen Provokateuren aufgefordert, geschlossen in der Stadt zu demonstrieren.

In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, daß besonders die Parteiorganisation der Volkswerft und auch der Parteisekretär, Gen. B., der Situation gegenüber ziemlich hilflos waren. Einige Genossen verhielten sich sogar sehr passiv.

Am 18.6.1953, um 09.45 Uhr, erfolgte gleichzeitig in der Schiffsbau- und Reparaturwerft Stralsund ebenfalls eine Arbeitsniederlegung von ca. 200 Arbeitern.

Auch in der Bau-Union Küste (Schwedenschanze) erfolgte die Arbeitsniederlegung von ca. 280 Arbeitern zu dem gleichen Zeitpunkt. Hier wurde eine Streikleitung gebildet, die folgende Forderungen stellte:
  1. Grundlegende Veränderung in der Regierung.
  2. Bestrafung derjenigen, die die Gesetze zur Verschlechterung der Lebenslage der Bevölkerung herausgegeben haben.
  3. Umgehende Verbesserung der Lebenslage,
  4. Freilassung der festgenommenen Kollegen,
  5. Freie und geheime demokratische Wahlen unter Zulassung sämtlicher Parteien,
  6. Senkung der Gehälter der KVP,
  7. Bezahlung der Streikzeit,
  8. Angleichung der Löhne an die der Schwerindustrie,
  9. Abzug der KVP aus den Betrieben und dem öffentlichen Verkehr.
Die Gesamtzahl aller Streikenden im Kreise Stralsund betrug etwa 2.200 Personen.

Nachdem die ersten Hinweise der Kreisleitung gemeldet wurden, wurde eine sofortige kurze Besprechung beim Kommandanten der Stadt Stralsund durchgeführt. Daran nahmen teil: der 2. Sekretär der Kreisleitung,
Leiter MfS,
Oberbürgermeister und
VPA-Leiter.

Auf dieser Besprechung wurde u.a. folgendes festgelegt und durchgeführt:

Einsetzung von Kräften des VPKA, VPA(B) und VP-See zur Verstärkung des VPA(B) und hermetische Abriegelung des Rügendamms.

Vor allem mußte verhindert werden, daß sich die Arbeiter der Volkswerft und der Schiffsbau- und Reparaturwerft vereinigten.

Ein Teil der Arbeiter nahm eine drohende Haltung gegenüber der VP ein. Der Sperrgürtel des Betriebsschutzes vor dem Haupttor der Volkswerft wurde von den Demonstranten durchbrochen, jedoch gelang es, diesen schnell neu zu formieren.

In Zusammenarbeit mit der Kreiskommandantur wurden 15 sowjetische Soldaten unter Führung des stellv. Kommandanten eingesetzt. Auch gegen diese wurde eine drohende Haltung eingenommen, und unsere Freunde zogen weitere Verstärkung hinzu.

Der stellv. Kommandant sprach zu den Arbeitern, sie waren jedoch nicht zu überzeugen und forderten, eine Delegation zur Aufhebung des Ausnahmezustandes zum Stadtkommandanten zu entsenden.

Der stellv. Kommandant gewährte fünf Kollegen eine Aussprache. Ein Erfolg war jedoch danach ebenfalls nicht zu verzeichnen. Daraufhin gaben die Sowjettruppen mehrere Warnschüsse ab. Die Arbeiter empörten sich noch mehr, aber gingen nicht auseinander, so daß drei Panzerspähwagen der Sowjetarmee eingesetzt werden mußten, worauf die Menge zurückwich. Die Sowjettruppen nahmen daraufhin eine abwartende Haltung ein. Diesen Moment nutzten zwei Provokateure aus und versuchten, sie zu provozieren, indem sie die Brust entblößten und riefen: „Schießt doch, wenn ihr wollt!" Schon vorher hatten die beiden die Massen aufgefordert, zu demonstrieren und den Anordnungen der Sowjetarmee und der VP nicht Folge zu leisten.

Der eine der Provokateure wurde gleich und der andere konnte am nächsten Tag festgenommen werden.

Auf der Straßenkreuzung Werftstraße entlang des Rügendamms/Stralsund hatte sich ebenfalls eine größere Menschenmenge angesammelt, die zum Teil eine drohende Haltung einnahm. Hierdurch entstand die kritische Lage, daß die Sowjetsoldaten und der Betriebsschutz von zwei Seiten bedroht waren.

Um dieses zu beseitigen, wurden BS-Angehörige eingesetzt. Inzwischen wurde von dem Genossen Namokel, Bezirksleitung der SED Rostock, eine kurze Ansprache zu den Versammelten gehalten, die jedoch unter dem Lärm der Masse zum größten Teil unverständlich war.

Ein Teil der Arbeiter löste sich von der Masse und ging an die Arbeit. Seitens der Betriebsparteileitung wurden nun Genossen und ein Teil der fortschrittlichen Arbeiter in einem Marschblock zusammengefaßt, der singend durch die Menge marschierte. Damit wurde erreicht, daß diese gespalten wurde und ein Teil der Kollegen wieder in die Werft marschierten. Auch der andere Teil zog sich zurück, und die Zusammenballung löste sich auf. Die Demonstranten, die noch auf der Straße vor der Volkswerft versammelt waren, wurden durch die Angehörigen des BS zurückgedrängt und durch den Einsatz der Sowjetarmee (durch Warnschüsse) aufgelöst.

Nachdem die Masse aufgelöst war, erfolgte der Einsatz aller Agitatoren unter den Streikenden. Sie wurden in Zusammenarbeit mit den VP-Angehörigen in Agitationsgruppen aufgeteilt.

Gegen 14.00 Uhr war die Lage so weit geklärt, daß sich alle an ihre Arbeitsplätze begeben hatten und der Schichtwechsel vollzogen werden konnte.

Hierzu ist zu bemerken, daß nur ein geringer Teil zur 2. Schicht erschienen war (ca. 45 %), und es wurde später festgestellt, daß die Kollegen der Nachmittagsschicht auf den Bahnhöfen von provokatorischen Elementen aufgehalten waren. Das gleiche war auch von der Nachtschicht zu verzeichnen.

Am 19.6.1953 erschien die Frühschicht fast 100 %ig und nahm die Arbeit auf. Einige Kollegen begaben sich um 07.00 Uhr zur Betriebsparteiorganisation und forderten die Freilassung der Provokateure. Diesem wurde jedoch nicht stattgegeben, sondern darauf hingewiesen, daß diejenigen, welche sich mit den Provokateuren solidarisch erklären, ebenfalls als solche behandelt werden. Von Seiten der Betriebsparteileitung wurden die von der Bezirks- und Kreisparteischule eingetroffenen Agitatoren eingesetzt mit dem Erfolg, daß es zu keiner weiteren Arbeitsniederlegung in der Volkswerft kam. Auch der Versuch der Werker vom Motorenbau, für eine neue Arbeitsniederlegung neue Anhänger zu gewinnen, schlug fehl. Damit war wieder Ruhe und Ordnung im Betrieb hergestellt.

Auf der Schiffs- und Reparaturwerft Stralsund wurde am 18.6.53, nachdem bekannt geworden war, daß der Streik der Volkswerft beendet war, die Arbeit wieder aufgenommen. Ebenfalls von der Bau-Union Küste und anderen Betrieben.

Neben den bereits genannten drei Betrieben streikten in Stralsund:

Kreisbauhof Stralsund mit den Baustellen Gr. und Kl. Diebsteig - 78 Arbeiter
Baustelle Altenpleen - 10 Arbeiter
VEB Baumechanik Stralsund - ca. 40 Arbeiter
VBB Kraftverkehr Stralsund - ca. 40 Arbeiter.

Zu der Arbeitsniederlegung in der Schiffsbau- und Reparaturwerft am 18.6.53 ist noch zu bemerken, daß den Anstoß zur Arbeitsniederlegung dazu die Roßlauer Arbeiter gaben. Sie verließen ihre Arbeitsstelle, um angeblich ihren planmäßigen Urlaub zu nehmen, da in Roßlau auch gestreikt würde.

Im Kreis Wismar beteiligten sich an der Arbeitsniederlegung folgende Betriebe:

Mathias-Thesen-Werft Wismar ca. 400 Arbeiter Preß- und Schmiedewerk Hein Fink ca. 600 Arbeiter VEB Stahlbau, Wismar ca. 400 Arbeiter

Im Bereich der Mathias-Thesen-Werft konnten bis zum 17.6.53, 14.30 Uhr, keine Anzeichen, die auf einen Streik schließen ließen, festgestellt werden. Als jedoch nach Bekanntwerden des Ausnahmezustandes von der sowjetischen Kommandantur ein Kommando sowjetische Soldaten und zwei Panzer zum Schutze der Werft und des Schwerpunktobjektes - Dampfer Moschaiski - eingesetzt wurden, und über diese Maßnahme keine genügende Erklärung folgte, sahen die Werktätigen darin eine Art Belagerungszustand. Sie waren der Meinung, daß sie durch diese Maßnahme gezwungen werden sollten, ihre Arbeit durchzuführen und ihnen das Recht der freien Meinungsäußerung genommen wird.

In der Nacht vom 17. zum 18.6.53 wurden im Betrieb die Buchstaben einer Losung und ein Bildnis des Genossen Stalin von unbekannten Tätern abgerissen.

Unter den Arbeitern der Holzhalle in der Altwerft wurde davon gesprochen, daß in Leipzig und Magdeburg gestreikt würde, und daß in Berlin während einer Demonstration durch einen Feuerüberfall der Sowjet-Armee Tote zu verzeichnen gewesen sind.

Auch in der Werft sollte am Vormittag des 18.6.53 ein Streik organisiert werden. Gegen 10.15 Uhr legte ein großer Teil der Arbeiter im Gelände der Neubauwerft die Arbeit nieder und führten eine Versammlung durch. Durch den sofortigen Einsatz von Agitatoren gelang es, die Arbeiter von ihrer falschen Handlungsweise zu überzeugen und das verräterische Treiben einiger Provokateure zunichte zu machen. Die Versammlung löste sich auf, und die Arbeit wurde wieder aufgenommen.

Gegen 10.30 Uhr legten die Arbeiter auf dem sowjetischen Schiff „Moschaiski" die Arbeit nieder. Sie verlangten, daß die für sie unverständliche Sicherung gegen Provokationen und Anschläge durch sowjet. Truppen sofort zurückgezogen wird. Sämtliche Arbeiter verließen das Schiff und begaben sich zur Halle II, auf die die Arbeitsniederlegung sofort übergriff. Auch die Hallen I und III wurden in die Arbeitsniederlegung mit hineingezogen.

Im Neubaugelände der Helling-Montage wurde eine Protestversammlung durchgeführt, an der auch Arbeiter aus den anderen Gewerken bzw. Hallen teilnahmen.

In der gefaßten Resolution wurden folgende Punkte niedergelegt:
  1. Abzug der sowjetischen Posten vom Werftgelände, da sie gewillt sind, friedlich weiterzuarbeiten.
  2. Der Weg von und zur Arbeit muß vor allem für die Kolleginnen der 2. und 3. Schicht gesichert werden.
  3. Gemeinsame Versammlungen mit dem Ziel der Aussprache über die Situation. Um das Erscheinen des Stadtkommandanten wird gebeten.
  4. Überprüfung sämtlicher Normen, da nach Meinung der Kollegen die Erfüllung derselben durch ungenügende Arbeitsorganisation, Materialbereitstellung, Werkzeugmangel usw. nicht gewährleistet ist.
  5. Die Kollegen finden es ungerecht, wenn sie aus irgendwelchen Gründen, wie in Punkt 4 angeführt, mit ihren Normen versagen, daß ihnen dann nicht der Stundenlohn garantiert und sie mit 0,50 DM entlohnt werden.
  6. Herabsetzung der Preise der HO in bestimmten Gebrauchsgütern wie z.B. Hosen, Hemden und Lebensmittel wie Butter und andere wichtige Nahrungsmittel.
Um 10.45 Uhr erfolgte zur Herstellung der Ruhe und Ordnung der Einsatz von 45 Genossen der VP unter Führung des Polit-Stellv. vom VPA(B).

Mit dem sowjetischen Kommandanten, dem sowjetischen Vertreter der Werft, dem VPA- und VPA(B)-Leiter, der Partei- und Betriebsleitung und dem MfS fand eine Besprechung statt.

Durch den Kommandanten wurde ein Aufruf erlassen und über den Betriebsfunk weitergegeben. Die Arbeiter wurden darin aufgefordert, sich von Provokateuren nicht mitreißen zu lassen, und um unnützes Blutvergießen zu vermeiden, sofort an die Arbeit zu gehen und sich aufzulösen.

In der Zwischenzeit versuchten die Agitatoren, die Streikenden von der Haltlosigkeit ihres Streikes zu überzeugen.

Gegen 13.00 Uhr lösten sich die Gruppen auf und standen abwartend an ihren Arbeitsplätzen herum.

Die Arbeiter des Schiffes „Moschaiski" forderten jedoch weiter den Abzug des sowjetischen Militärs, da sie unter Bewachung nicht arbeiten wollten.

Auf Grund der vorher stattgefundenen Aussprache mit dem Stadtkommandanten wurden die Sicherungskräfte der Sowjet-Armee abgezogen. Daraufhin wurde die Arbeit wieder aufgenommen. Die 2. (Nachmittags-) Schicht, deren Schichtwechsel sich reibungslos vollzog, verhielt sich vollkommen ruhig und ging der Arbeit nach.

Im Preß- und Schmiedewerk „Hein Fink" Wismar wurde am 17.6.53, gegen 16.00 Uhr, festgestellt, daß Diskussionen über den Befehl 1 im Gange waren. Gegen 09.30 Uhr hatten die Arbeiter mit Ausnahme der dort beschäftigten Abteilung der Mathias-Thesen-Werft die Arbeit niedergelegt. Als Grund wurde der Befehl über den Ausnahmezustand und die Anwesenheit einer Streife der Sowjet-Armee im Betrieb angegeben. Es wurden von Seiten der Partei Agitationsgruppen eingesetzt.

Kurze Zeit danach legten die Arbeiter des VEB Stahlwerkes Wismar ebenfalls die Arbeit nieder und erklärten sich mit den Arbeitern vom Preß- und Schmiedewerk solidarisch. Nach der Wiederherstellung der Ruhe und Ordnung in der Mathias-Thesen-Werft wurde auch im Preß- und Schmiedewerk die Arbeit wieder aufgenommen.

Dagegen setzte die 2. Schicht des VEB Stahlbau ihren Streik fort, und um 17.30 Uhr war das Werk vollkommen verlassen. Dieses ist auf den Einfluß von Provokateuren zurückzuführen. Drei Rädelsführer konnten festgenommen werden.

Eine weitere Arbeitsniederlegung war am 17.6.53, gegen 08.00 Uhr, in der Stadt Grimmen zu verzeichnen. Hier traten neun Maurer der Bau-Union Berlin, welche bei der Bau-Union Küste in Grimmen arbeiten, in den Streik. Als Grund gaben sie an, daß sie keinen Lohn erhalten hätten, und sie erklärten sich mit ihren Kollegen in Berlin solidarisch. Der Streik dauerte acht Stunden.

Während des Ausnahmezustandes waren keine Angriffe auf VP-Dienststellen, VP-Angehörige sowie auf Bezirks-, Kreisleitungen und Betriebsorganisationen der SED zu verzeichnen. Jedoch wurden in einzelnen Fällen provokatorische Äußerungen und Tätlichkeiten gegen Funktionäre sowie Provokationen und Verhetzungen von diesen festgestellt.

In der Nacht vom 17. zum 18.6.53 wurde das Schlafstubenfenster des Genossen P., Mitglied der SED-Kreisleitung Bad Doberan, von unbekannten Tätern mit einem Stein eingeworfen.

Am 20.6.53 wurde der Parteisekretär von Blankenhagen, Krs. Rostock, Genosse A., von einer Gruppe von 20 Personen, die sich nach 22.00 Uhr noch auf der Straße befanden, angepöbelt. Er hatte die Personen aufgefordert, nach Hause zu gehen; daraufhin wurde ihm aus der Gruppe zugerufen: „So lange habt ihr regiert, jetzt regieren wir." A. begab sich dann nach Hause. Hier stellte er fest, daß sich bereits zwei Personen auf seinem Hof befanden, und als er diese aufforderte, sein Gehöft zu verlassen, kam es zu Tätlichkeiten.

Am 17.6.53, gegen 21.00 Uhr, wurde in der Wohnung des Mitgliedes der örtlichen Parteileitung in der Gemeinde Korswand, Krs. Wolgast, Genosse Gerhard Sch., die Fensterscheibe eingeschlagen und folgende provokatorische Äußerung gemacht: „Ihr kommunistischen Schweine, was wollt ihr, wartet nur, ihr kommt auch noch dran." Der Täter ist der Lokomotivführer Erich D., wohnhaft in Korswand, Krs. Wolgast. Derselbe wurde festgenommen.

In der Nacht vom 17. zum 18.6.1953 wurden in der Stadt Greifswald in verschiedenen Straßen ca. 250 mit der Hand geschriebene Flugblätter gefunden. Der Inhalt waren faschistische Losungen und Aufforderungen zum Generalstreik.

Des weiteren wurde im Reichsbahnamt Greifswald ermittelt, daß die Eisenbahner in den Streik treten wollten bzw. dazu aufgefordert wurden. Dadurch machte es sich zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung notwendig, daß im RBA Greifswald und anderen größeren Bahnhöfen im Bezirk Sicherungsmaßnahmen getroffen werden mußten. Zu einem Streik der Eisenbahner ist es jedoch nicht gekommen.

In der Volkswerft Stralsund wurde am 19.6.53 im Hallendurchgang der Halle 5 ein Mitgliedsbuch der deutsch-sowjetischen Freundschaft mit provokatorischem Inhalt durch einen Streifenposten gefunden. Der Deckel des Mitgliedsbuches sowie die inneren Blätter waren mit folgenden provokatorischen Worten versehen: „Iwan nach Hause, keine Butter, keinen Speck, alles Scheiße, alles Dreck. Wir fordern Abzug aller Besatzungsgruppen. Iwan, go home. Laßt die eingesperrten Kollegen frei, sonst streiken wir weiter. Fort mit Ulbricht. Iwan, rauche deinen Machorka an der Wolga und nicht in Deutschland." Das Blatt mit den Personalien war aus dem Buch entfernt, ebenso waren Nummer, Unterschrift und Eintrittsdatum unleserlich gemacht.

Am 20.6.53, gegen 05.15 Uhr, wurde ein Hakenkreuz 50 x 50 cm auf dem Logger 4149 festgestellt. Das Hakenkreuz war mit roter Farbe auf den Bug des Loggers angemalt. Der Logger stand auf dem Hauptbaugerüst der Taktstraße auf der Volkswerft Stralsund.

Während der Arbeitsniederlegung in der Mathias-Thesen-Werft Wismar am 18.6.53 wurde der Betriebsingenieur Friedrich P. in einer Diskussion mit dem Instrukteur K. und dem Schichtleiter Meister K. sehr aggressiv und erklärte wörtlich: „Unter diesen Asiaten, unter dieser Knute, wollen wir nicht arbeiten, sie sollen machen, daß sie nach Hause kommen, wir übernehmen den Schutz alleine. Es wird sich schon beweisen, wenn es soweit ist, daß wir es verstehen werden, unseren Arbeitsplatz alleine zu schützen.

Der Prüfer bei der Gütekontrolle auf der „Moschaiski" auf der Mathias-Thesen-Werft sagte: „Wir kommen uns wie im Zuchthaus vor und lassen uns nicht von den Russen überwachen." Im Anschluß forderte der Prüfer die Kollegen auf, ihm von Bord zu folgen.

Der Brigadier Peter L., ehemaliges Mitglied der NSDAP, stellte als Diskussionsredner die Forderung, die Regierung soll und muß verschwinden.

Der Produktionsdisponent Walter R., ehemaliger Offizier, sagte: „Unsere Wahlen sind keine freien, und wir können auch nicht von Demokratie sprechen."

Im Verlaufe der Arbeitsniederlegungen, Demonstrationen und faschistischer Provokationen bildeten sich im Bezirk der BDVP Rostock folgende Schwerpunkte heraus:

Im Stadtgebiet Rostock mit Stadtbezirk Warnemünde handelte es sich um Neptun-Werft, Dieselmotorenwerke, Isolier- und Kältetechnik, Bootswerft Gehlsdorf und Warnow-Werft.

Von Seiten des BS und der eingesetzten Kriminalpolizei wurde konkretes Material festgestellt, wonach in diesen Betrieben Provokateure am Werk waren, sich Streikleitungen gebildet hatten und die Arbeiter zum Streik aufgefordert wurden.

Besondere Schwerpunkte in der Neptun-Werft waren in der Bordmontage und E-Schweißerei zu verzeichnen. Die Arbeiter dieser Gewerke legten die Arbeit nieder und schlossen sich zu einer Demonstration [zusammen, d. Hg.]. Auf ihrem Marsch zum Verwaltungsgebäude I, wo sich auch noch andere Kollegen aus den anderen Gewerken anschlossen.[sic!]

In der Warnow-Werft waren die Schwerpunkte Halle I, IV und Haupttor, am 19.6.1953 verlagerte sich der Schwerpunkt zur Halle I, zum Schiffsobjekt „Sowjetski Sojus" und zur neuen Schiffsbauhalle.

In Stralsund waren besondere Schwerpunkte die Volkswerft, davon im besonderen die Abt. Motorenbau. Es wurde festgestellt, daß hier ein Provokateur an der Spitze stand, der großen Einfluß auf die Arbeiter ausübte. Der Provokateur wurde in Haft genommen.

Zu weiteren Arbeitsniederlegungen kam es in der Schiffs- und Reparatur-Werft, auf der Baustelle der Bau-Union Küste (Schwedenschanze), auf der Baustelle Altenpleen, Kreisbauhof Stralsund (Baustelle Großer und Kleiner Diebsteig), VEB Baumechanik und VEB Verkehr.

Im Kreisgebiet Wismar waren Schwerpunkte die Mathias-Thesen-Werft und das Preß- und Schmiedewerk „Hein Fink" und VEB Stahlbau. Besonderer Schwerpunkt auf der Mathias-Thesen-Werft war das Schiff „Moschaiski". Im Seehafen Wismar war folgendes zu verzeichnen: Am 18.6.1953, gegen 15.00 Uhr, sollten die Arbeiter der Kali-Kipp-Anlage von Angehörigen der Grepo nach Hause geschickt werden. Nach Rücksprache mit dem Stadtkommandanten wurde diese Maßnahme widerrufen. Nachdem ein Arbeitsausfall von 200 Stunden zu verzeichnen war, wurde die Arbeit wieder aufgenommen.

In der Zeit vom 17.-20.6.1953 wurden insgesamt in den Kreisen

Rostock 31
Stralsund 8
Wismar 5
Greifswald 1
Wolgast 1
= 46 Provokateure festgenommen.

In bezug auf die Versorgungslage im Bezirk Rostock ist folgendes zu berichten: In den Tagen der Arbeitsniederlegung war zu verzeichnen, daß besonders in den Städten und größeren Landgemeinden von Seiten der Bevölkerung Angsteinkäufe, besonders in Lebensmitteln, getätigt wurden. Dieses hatte zur Folge, daß am Nachmittag des 18.6.53 in den Konsum-HO-Lebensmittelgeschäften und privaten Bäckereien die Backwaren (Brot, Brötchen usw.) ausverkauft waren. Am 19.6.1953 waren, trotzdem die Einkäufe noch nicht nachgelassen hatten, genügend Vorräte vorhanden. In den folgenden Tagen flauten diese Erscheinungen ab, und der normale Einkauf trat wieder ein.

Die Angsteinkäufe sind auf den Einfluß provokatorischer Elemente und die Verbreitung von Rias-Hetze zurückzuführen. Zum Beispiel wurde das Gerücht verbreitet, daß eine Geldentwertung bevorsteht, und in einzelnen Fällen wurde sogar davon gesprochen, daß mit dem Ausbruch des Krieges zu rechnen ist.

[...]

Bei den Einsätzen während der Zerschlagung der faschistischen Provokationen wurden folgende Erfahrungen gesammelt und die Schlußfolgerungen gezogen:
  1. Die Volkspolizei ist ungenügend mit Waffen, vor allen Dingen Schnellfeuerwaffen (MP, LMG usw.) ausgerüstet. Durchschnittlich kommt auf zwei VP-Angehörige nur eine Waffe. Die Munition muß genauestens überprüft und erneuert werden, da es sich gezeigt hat, daß nur 35 % der Munition brauchbar ist. Weiterhin wäre es erforderlich, den Dienststellen Handfesseln und Knebelketten in ausreichendem Maße zur Verfügung zu stellen. Ebenso ist zu verzeichnen, daß in den Dienststellen zur Durchführung von besonderen Aufgaben nicht genügend Kräder, Kochgeschirre, Feldflaschen usw. vorhanden sind.
  2. Für das VPKA Rostock als Schwerpunktkreis und auch für alle anderen Dienststellen hat es sich als notwendig erwiesen, einen Funkwagen einzusetzen, da des öfteren Störungen in der OB-Leitung vorhanden waren und dadurch wichtige, dringende Meldungen nicht weitergeleitet werden konnten. Bei längeren Einsätzen würden dadurch die einzelnen Volkspolizei-Dienststellen losgelöst voneinander arbeiten müssen. Bei Einsatz eines Funkwagens wären diese Schwierigkeiten behoben, und die Schlagkraft der Volkspolizei sei gesichert. Notwendig hat sich auch weiterhin ein Basaanschluß gezeigt, da hier eine schnelle und sichere Übermittlung gewährleistet ist.
  3. Weitere Festigung der Disziplin und Erziehung der VP-Angehörigen zur erhöhten Wachsamkeit, Pflichterfüllung und Opferbereitschaft. Erreichung einer 100 %igen Beteiligung (außer Kranken und Urlaubern) an der Ausbildung und Schulung. Durchführung von polizeitaktischen Einsätzen, Ausbildung der VP-Angehörigen bei Angriffen des Klassengegners in großen Massen und Methode der Bekämpfung.
  4. Schnellste Auffüllung der Fehlstellen, vor allen Dingen des Betriebsschutzes, da zu verzeichnen ist, daß bis zu 40 Fehlstellen im VPA(B) Wismar zur Zeit sind und nicht alle notwendigen Posten und Streifen bei Sonderaktionen besetzt werden können, und die im Dienst befindlichen VP-Angehörigen bei längerer Zeitdauer auf Grund der Überlastung ausfallen. Die Abt. K des VPA(B) müßte gleichfalls verstärkt werden.
  5. Aufgrund dessen, daß im Einsatzstab der BDVP keine Vertreter der Trapo, Seepo und Grepo vertreten war, mußte festgestellt werden, daß die Bezirksdienststellen Anweisungen in die einzelnen Kreise gaben, die nicht in allen Punkten vollkommen übereinstimmten.
Bei größeren Einsätzen wäre es notwendig, daß zentral von Berlin aus die Anweisung an alle Dienststellen erfolgt, daß je ein Vertreter bei der Einsatzleitung der BDVP anwesend ist, um die notwendigen Informationen zu erhalten und die Anweisungen untereinander abzustimmen.

Chef der BDVP Rostock
(Ludwig)
Chefinspekteur

[Quelle: BArch, DO-1/11.0/304, Bl. 332-347 ( Auszüge); - Namen von den Hg. anonymisiert; vollständig veröffentlicht in: Torsten Diedrich/Hans-Hermann Hertle (Hrsg.), Alarmstufe „Hornisse". Die geheimen Chef-Berichte der Volkspolizei über den 17. Juni 1953, Berlin 2003.]