Bezirksbehörde Deutsche Volkspolizei
E r f u r t


Erfurt, den 29. Juni 1953

Auswertung der Ereignisse seit dem 17.6.1953

Lage am 17. Juni 1953:

Durch den Chef der BDVP Erfurt wurde am 17.6.53, 05.00 Uhr, der Befehl gegeben, daß sich alle Genossen Abteilungsleiter sofort auf der Dienststelle einzufinden haben.

Um 05.30 Uhr gab der stellvertretende Chef - Allgem. - den Befehl, daß gleichzeitig alle VP-Angehörigen der BDVP zu alarmieren sind und sich ebenfalls sofort auf der Dienststelle einzufinden haben. Die Alarmierung erfolgte auf Grund der beim Operativstab vorhandenen Alarmkarten. Bei den außerhalb von Erfurt wohnenden VP-Angehörigen der BDVP erfolgte die Alarmierung auf Grund der bei den VPKÄ befindlichen Alarmkarten. Trotzdem einige Genossen Abteilungsleiter außerhalb Erfurts wohnen, waren 06.00 Uhr die Genossen Abteilungsleiter vollzählig auf der Dienststelle anwesend.

Die ersten Anzeichen einer bewußt gelenkten verbrecherischen Tätigkeit im Bezirk Erfurt zeigten sich in den Morgenstunden des 17. Juni 1953. Sie begannen damit, indem in einigen größeren Betrieben die Arbeit von den Arbeitern niedergelegt wurde. Die angestellten Ermittlungen ergaben, daß eine Anzahl von Provokateuren und Agenten am Werk waren, die die Arbeiter aufhetzten und eine durchaus feindliche Einstellung gegen die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik einnahmen.

In dem VEB Rheinmetall Sömmerda streikten 8.000 Betriebsangehörige. Am gleichen Tage demonstrierten 7-8.000 dieser Betriebsangehörigen auf dem Marktplatz in Sömmerda. Durch die verbrecherische Agententätigkeit geschürt, schlossen sich auch die Arbeiter des VEB Dachziegelwerk und des Kreis- und Lehrbauhofes Sömmerda dieser Demonstration an.

Am gleichen Tage wurde in Sömmerda eine Bauernversammlung, an der sich ca. 300 Personen beteiligten, durchgeführt.

In Weimar legten 3.000 Arbeiter des VEB Mähdrescherwerk (vorm. Waggonbau) die Arbeit nieder.

In Eisenach streikten die Arbeiter der EMW-Werke auf die Dauer von zwei Stunden.

In Mühlhausen fand auf dem Marktplatz eine Bauernkundgebung statt, an der sich ca. 2.500 Personen beteiligten.

In Erfurt legten die Bauarbeiter beim Pathologischen Institut die Arbeit nieder. Im VEB RFT-Funkwerk streikte die Abteilung Werkzeugbau für eine Stunde.

Auch in den kleineren Orten des Bezirkes waren die Agenten und Provokateure tätig. So fand z.B. in Tunzenhausen, Krs. Sömmerda, eine Versammlung statt, an der sich ca. 100 Personen beteiligten. In Großengottern, Krs. Mühlhausen, wurde der Rücktritt der Gemeindevertretung verlangt. In Apolda versammelten sich auf dem Marktplatz ca. 500 - 600 Personen. In Oberdorla und Altengottern, Krs. Mühlhausen, fanden Bauernversammlungen statt. In Weißensee, Krs. Sömmerda, wurde die Bevölkerung aufgefordert, sich an dem Streik in Sömmerda zu beteiligen. In Bad Tennstedt, Krs. Langensalza, versammelten sich ca. 500 Personen auf dem Marktplatz. Hier ist besonders bemerkenswert, daß der Initiator der Kundgebung der Superintendent und Pfarrer S. war.

Alle diese ersten Anzeichen ließen darauf schließen, daß es sich hier um eine gut vorbereitete Zersetzungsarbeit des Klassengegners handelte, die dazu dienen sollte, die Bevölkerung zu beunruhigen, Streiks und Demonstrationen auszurufen und in einem erheblichen Maße die friedliche Entwicklung in der Deutschen Demokratischen Republik zu stören.

In diesem Zusammenhang muß erwähnt werden, daß die vom Klassengegner angezettelten Provokationen und Massenstreiks für die Polizeiführung vollkommen überraschend kamen. Seitens der Partei und auch seitens des Ministeriums für Staatssicherheit wurden vorher keine Hinweise oder Informationen gegeben, so daß es nicht möglich war, rechtzeitig entsprechende Maßnahmen einzuleiten, um derartige Provokationen zu verhindern.

Auf Grund dieser mangelhaften Information konnte den Genossen Abteilungsleitern bei der Alarmierung in den Morgenstunden des 17.6.53 auch keine Aufklärung über die gegenwärtige Lage und über die evtl. sofort einzuleitenden Maßnahmen gegeben werden.

Demnach muß also angenommen werden, daß seitens der Partei und auch des Ministeriums für Staatssicherheit in der Aufklärungsarbeit erhebliche Mängel und Schwächen bestehen müssen.

Die Polizeiführung ist der Ansicht, daß solche auf lange Sicht seitens der westdeutschen Kriegstreiber vorbereiteten Demonstrationen und Massenstreiks den zur Sicherheit der Deutschen Demokratischen Republik beauftragten Staatsorganen hätten bekannt sein müssen. Erst nach dem Bekanntwerden einiger Vorkommnisse in Berlin konnte daraus die Schlußfolgerung gezogen werden, daß ähnliche Provokationen auch in anderen Gebieten der DDR geplant waren, und demzufolge wurden von der Parteiführung die erforderlichen Maßnahmen sofort befohlen.

Bei der BDVP Erfurt wurde sofort ein erweiterter Operativstab gebildet, dem ständig angehörten:

Chef der BDVP Erfurt,
Stellv. Chef der BDVP Erfurt - Allgem. -,
Stellv. Chef der BDVP Erfurt - PA -,
Abteilungsleiter K der BDVP Erfurt,
Abteilungsleiter S der BDVP Erfurt,
Leiter des Operativstabes der BDVP Erfurt,
1. Vorsitzender des Rates des Bezirkes,
1. Sekretär der Bezirksleitung der SED,
Ein Verbindungsoffizier des Ministeriums für Staatssicherheit,
Ein Verbindungsoffizier der KVP,
Ein Verbindungsoffizier der Trapo.

Außerdem wurde Befehl gegeben, daß sich sämtliche Abteilungsleiter oder deren Vertreter ständig auf der Dienststelle aufzuhalten haben, so daß jederzeit die erforderlichen Maßnahmen seitens der Fachabteilungen eingeleitet werden konnten.

Zusätzlich wurde der Befehl gegeben, daß alle Abteilungen der BDVP Tag und Nacht arbeitsfähig sein müssen. Die Genossen Abteilungsleiter wurden beauftragt, die Dienstdurchführung so zu regeln, daß die fachlichen belange und der Einsatz der notwendigen VP-Angehörigen gewährleistet waren.

Am 17.6.1953 wurde von der Polizeiführung ein Befehl erlassen, der die höchste Alarmbereitschaft bei allen VPKÄ anordnete. Im einzelnen wurde hierzu befohlen:
  1. In jeder VP-Dienststelle ist ab 17.6.53, 14.00 Uhr, der Zweiteilungsdienst durchzuführen.
  2. In jeder VP-Dienststelle muß während der oben angeführten Zeit der Leiter der Dienststelle oder sein Vertreter ständig zu erreichen sein.
  3. Die Operativstäbe sind während des Einsatzes durch VP-Offiziere der Fachabteilungen zu verstärken. Für anfallende Schreibarbeiten sind in genügendem Maße Schreibkräfte einzusetzen.
  4. Die Abteilungen der VPKÄ sind so zu besetzen, daß notwendige Entscheidungen gefällt bzw. nicht aufschiebbare Arbeiten erledigt werden können. Nicht zum Dienst eingeteilte VP-Angehörige sind zum Posten- und Streifendienst einzusetzen.
  5. Der Gesamteinsatz der Volkspolizei hat zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit zu erfolgen.
  6. Ein planmäßiger Posten- und Streifendienst in den VPKÄ ist zu organisieren, zu dem die VP-Angehörigen aus den Fachabteilungen mit herangezogen werden können. Den VP-Angehörigen sind konkrete Posten- und Streifenaufträge zu erteilen. Der Einsatz der Abschnittsbevollmächtigten und Freiwilligen Helfer der VP hat nach genau festgelegten Streifenplänen unter Angabe der Verantwortlichen zu erfolgen.
  7. Mit der Bezirksleitung der SED wurde vereinbart, daß die Bewachung der wichtigsten Objekte durch zuverlässige Genossen durchgeführt wird.
  8. Der Rat des Bezirkes Erfurt gibt gleichzeitig an die ihm unterstehenden kommunalen Dienststellen Anweisung, den Objektschutz ebenfalls durch verantwortliche Genossen dieser Dienststellen zu übernehmen. Mit der Partei und dem Rat des Kreises ist in dieser Hinsicht Verbindung aufzunehmen.
  9. SAG-Schwerpunktbetriebe, VE- und gleichgestellte Betriebe, VEG, Produktionsgenossenschaften, MTS mit den Zweigstellen, sowjetische Ehrenmale und Friedhöfe, Elektrizitäts- und Gaswerke, Telegrafenämter - hier insbesondere die Hauptschwerpunkte wie Hauptadern, Hauptkabel, Fernmeldeämter - Sprengstofflager, verkehrswichtige Brücken, Objekte usw. sind besonders in die Streifenpläne einzugliedern, nötigenfalls mit ständigen Posten zu besetzen (Zivil).
  10. Die Genossen der Abteilung Paß- und Meldewesen haben die Sprengstofflager zu überprüfen.
  11. Insbesondere ist auf die strengste Einhaltung der erlassenen Befehle in verschiedenen Städten von Seiten der sowjetischen Militärkommandantur zu achten.
  12. In allen VPKÄ sind motorisierte Einsatzreserven zu bilden bzw. die Schnellkommandos zu verstärken.
  13. Die Zentralschule der VP Eisenach sowie die Wacheinheiten Erfurt und Weimar werden nur auf Anweisung des Chefs der BDVP oder seiner Stellvertreter eingesetzt.
  14. Die vorhandenen Alarmpläne sind zu ergänzen sowie die Waffenbestände zu überprüfen.
  15. Die Strafvollzugs- und U-Haftanstalten haben ständig während der Nachtzeit Verbindung mit dem zuständigen Operativstab zu halten. Besondere Vorkommnisse sind sofort dem Operativstab der BDVP zu melden.
  16. Mit Beginn der erhöhten Einsatzbereitschaft sind in allen Strafvollzugsanstalten und Dienststellen Gefangenen- und Verwahrungsräume zu durchsuchen und Besuche während der Dauer der erhöhten Alarmbereitschaft zu untersagen.
  17. Alle zu treffenden Sicherheitsmaßnahmen sind mit der Partei und dem Ministerium für Staatssicherheit zu vereinbaren und evtl. gleichlaufende Einsätze zu koordinieren.
Alle im Zusammenhang mit dem Einsatz bekanntwerdenden Vorkommnisse bis zur Auflösung dieser erhöhten Alarmbereitschaft sind dem Operativstab der BDVP sofort fernschriftlich mitzuteilen. Insbesondere ist die Bewachung der Objekte der einzelnen VPKÄ zu verstärken. Auf keinen Fall ist zuzulassen, daß die Gebäude von irgendwelchen größeren Delegationen betreten werden.

Welche Schwerpunkte bildeten sich im Bezirk heraus:

17.6.1953

Am 17.6.53, 07.00 Uhr, legten 8.000 Arbeiter des VEB Rheinmetall Sömmerda die Arbeit nieder. In diesem Betrieb werden Schreibmaschinen, Buchungs- und Rechenmaschinen hergestellt.

Ab 08.00 Uhr demonstrierten diese Arbeiter auf dem Marktplatz in Sömmerda.

Losung: Senkung der Arbeitsnormen auf den Stand des Jahres 1952.
Einstellung der entlassenen Arbeiter.
Freilassung von politischen Häftlingen.
Zusammenstellung einer Delegation zur Führung von Verhandlungen.
Ablehnung und Absetzung der BGL.

VEB Dachziegelwerk Sömmerda = ca. 520 Arbeiter
Kreis- und Lehrbauhof Sömmerda = ca. 503 Arbeiter

In diesen beiden Betrieben wurde die Arbeit niedergelegt und die Arbeiter schlossen sich der Demonstration des VEB Rheinmetall an.

VEB Mähdrescherwerk Weimar

Es streikten ca. 3.000 Arbeiter. Der Betrieb wird auf Mähdrescherproduktion umgestellt, z.Zt. noch Kranbau.

Losung: Senkung der Arbeitsnormen um 10 %.
Rücktritt der Regierung der DDR.

EMW - Eisenach

Es streikten 6.600 Arbeiter. Der Streik dauerte zwei Stunden. Produktion: Kraftfahrzeuge.
Losung: Senkung der Arbeitsnormen.

RFT - Funkwerk, Erfurt

Beschäftigte: 3.500
Produktion: Nachrichtengeräte
Es streikte die Abteilung Werkzeugbau in der Zeit von 13.15 - 14.00 Uhr.
Losung: Freilassung eines festgenommenen Betriebsangehörigen.

Pathologisches Institut, Erfurt

Dort streikten ca. 100 beschäftigte Bauarbeiter
Losung: Senkung der Arbeitsnormen.

Außerdem wurden folgende Vorkommnisse gemeldet:

M ü h l h a u s e n: Kundgebung auf dem Marktplatz - ca. 2.500 Personen, meist Bauern.
Dauer der Kundgebung: 15.00 - 17.00 Uhr.
Losung: Freilassung der inhaftierten Bauern,
Absetzung der Vorsitzenden der BHG.

S ö m m e r d a: Bauernversammlung - ca. 300 Personen
Dauer der Kundgebung: ca. 1 1/2 Stunden
Losung: Ablösung der Vertreter der VdgB und der landwirtschaftlichen Ausschüsse,
Rückgabe zwei enteigneter Betriebe von Großbauern,
Streichung aller alten Sollrückstände,
Überprüfung der Ablieferungsquote für das Jahr 1953,
Lebensmittelkartenausgabe an alle notleidenden Bauern,
Freie Wahlen für ganz Deutschland,
neue Preisbildung beim landwirtschaftlichen Sektor.

T u n z e n h a u s e n, Krs. Sömmerda:
Versammlung einberufen
Teilnehmer ca. 100 Personen
Losung: Herabsetzung des Ablieferungssolls,
Erhöhung der Renten,
Freigabe sämtlicher Kriegsgefangener,
Einheit Deutschlands auf friedlicher Grundlage,
Haftentlassung eines festgenommenen Wirtschaftsverbrechers.

G r o ß e n g o t t e r n, Krs. Mühlhausen:
Bauernversammlungen
Losung: Rücktritt der Gemeindevertretung und des CDU-Bürgermeisters


A p o l d a:
Ansammlung von 500 - 600 Personen auf dem Marktplatz vor dem Kreisgericht in der Zeit von 17.30 - 19.00 Uhr.
Losung: Freilassung von Inhaftierten

O b e r d o r l a u. A l t e n g o t t e r n, Krs. Mühlhausen:
In diesen Orten wurden die Bauern aufgerufen, sich an einer Bauernversammlung in Mühlhausen zu beteiligen.

W e i ß e n s e e, Krs. Sömmerda:
In Weißensee wurde die Bevölkerung von einem unbekannten Lautsprecherwagen aufgefordert, sich nach Sömmerda zu begeben und sich dort den Streikenden anzuschließen.
Im VEG wurde von den landw. Arbeitern die Forderung aufgestellt, den inhaftierten Betriebsleiter sofort aus der Haft zu entlassen - sonst würde die Arbeit niedergelegt. (Zu einer Arbeitsniederlegung ist es nicht gekommen.)

E r f u r t:
RFT-Funkwerk - Niederlegung der Arbeit von ca. 100 weiblichen Betriebsangehörigen um 17.30 Uhr.
Losung: Wiederaufnahme der Arbeit erst nach Wiederherstellung normaler Verhältnisse.

B a d T e n n s t e d t, Krs. Langensalza:
Kundgebung in den Nachmittagsstunden auf dem Marktplatz.
Teilnehmer: ca. 300 Personen.
Ende gegen 19.00 Uhr.
Losung: Sturz der Regierung der DDR und Errichtung einer neuen Regierung.
Initiatoren der Kundgebung waren der ehem. Bürgermeister Wille und Superintendent und Pfarrer S..

18.6.53

VEB Rheinmetall Sömmerda:

30 % der Tagesschicht waren nicht zur Arbeit erschienen.
Losung: Freilassung der am 17.6.53 verhafteten Rädelsführer.
Nach Einsatz von Agitatoren der Bezirksleitung der SED haben die Arbeiter fast hundertprozentig ihre Arbeit wieder aufgenommen.

VEB - Mähdrescherwerk, Weimar:

Seit Arbeitsbeginn legten ca. 3.000 Betriebsangehörige die Arbeit nieder. Die Telefonzentrale wurde von Rädelsführern besetzt.
Gegen 15.20 Uhr haben folgende Abteilungen die Arbeit wieder aufgenommen: Gießerei - fast 100 %ig, Neufertigung II - fast 100 %ig. Die Lehrwerkstatt hatte die Arbeit nicht niedergelegt und arbeitete 100 %ig.
Die Abteilungen: Neufertigung I, Mechanische Werkstätten, Halle "Roter Oktober" haben ihre Arbeit nicht wieder aufgenommen.

VEB - Ifa - Schlepperwerk, Nordhausen:

Größtes Schlepperwerk der DDR.
Es werden beschäftigt: 2.204 Arbeiter.
04.00 Uhr wurde in der Halle 18 - mechanische Abteilung - die Arbeit niedergelegt.
In den Nachmittagsstunden legten ca. 400 Arbeiter des Schachtbau- und Bohrbetriebes die Arbeit nieder. Zahl der Streikenden: ca. 1.200 Arbeiter.
Losung: Hinweg mit der Regierung, Aufhebung des Ausnahmezustandes.

SAG-Betrieb Pels, Erfurt (Schwermaschinenbau):

Beschäftigte: 2.520 Arbeiter
Arbeitsniederlegung und Einberufung einer Belegschaftsversammlung.
Dauer der Belegschaftsversammlung: 11.00.- 13.45 Uhr.
Losung: Freie Wahlen für ganz Deutschland.
Die Arbeiter der 1. Schicht verließen um 14.00 Uhr (Ablösungszeit) die Werksräume. Die 2. Schicht nahm ihre Arbeit ebenfalls nicht auf.

VEB Lowa - Waggonbau, Gotha:

Produktion: Waggonbau
Arbeitsniederlegung von ca. 1.800 Betriebsangehörigen seit Arbeitsbeginn; 11.15 Uhr Formierung zu Gruppen, um eine Demonstration vorzubereiten. Nach Agitatoreneinsatz wurde die Arbeit gegen 12.30 Uhr hundertprozentig wieder aufgenommen.

EKM-Werk Feuerungsbau, Erfurt:

Beschäftigte: 600 Personen
Arbeitsniederlegung seit Arbeitsbeginn.
Losung: Herabsetzung der Arbeitsnormen,
Solidarität mit den am 16.6. [sic!] in Berlin erschossenen Arbeitern.
Arbeitsaufnahme erfolgte gegen 11.00 Uhr.

VEB Optima, Erfurt:

Einige Abteilungen legten 15.00 Uhr für fünf Minuten die Arbeit nieder.
Losung: Ehrung der am 16.6. (sic!( in Berlin erschossenen Arbeiter.
Die Arbeit wurde 15.05 Uhr wieder aufgenommen.

19.6.1953:

Straßenbahn, Erfurt:

180 Straßenbahner haben von 06.00 Uhr - 07.30 Uhr die Arbeit niedergelegt. Ab 07.30 Uhr wurden alle Straßenbahnlinien wieder befahren.

RFT-Funkwerk, Erfurt:

Seit Arbeitsbeginn streikten alle Belegschaftsmitglieder = 3.000 Arbeiter.

SAG-Betrieb Pels, Erfurt:

Seit Arbeitsbeginn streikten 2.500 Arbeiter. 09.45 Uhr hatten fast 90 % der Arbeiter die Arbeit wieder aufgenommen.

VEB Optima, Erfurt:

Seit Arbeitsbeginn streikten 50 Dreher. Die Zahl der Streikenden erhöhte sich auf 2.500 Arbeiter. Gesamte Belegschaftsstärke: ca. 4.000 Arbeiter

VEB Lowa - Waggonbau, Gotha:

In der Zeit von 07.00 - 07.45 Uhr Arbeitsniederlegung außer zwei Abteilungen. Belegschaftsstärke: 1.800 Arbeiter. Arbeitsaufnahme: 07.45 Uhr.

VEB Mähdrescherwerk, Weimar:

Es streikte noch eine Abteilung.

Kurze Zusammenfassung:

Die Gesamtzahl der Streikenden im Bezirk Erfurt betrug 31.400 Personen.
An Demonstrationen beteiligten sich ca. 10.600 Personen.

Ab 20. Juni 1953 sind im gesamten Bezirk Erfurt keine Streiks oder Demonstrationen mehr aufgetreten.

Als Schwerpunkte traten im Bereich der BDVP Erfurt auf: VEB Rheinmetall S ö m m e r d a, VEB Mähdrescherwerk W e i m a r, und die E r f u r t e r Betriebe SAG Pels, VEB Optima, VEB RFT-Funkwerk, Straßenbahn.

Im Zuge der vom Klassengegner angezettelten Provokationen waren in den Kreisen Sömmerda, Mühlhausen, Apolda, Erfurt, Nordhausen, Weimar und Gotha Schwerpunkte besonderer Art entstanden.

Hierzu muß bemerkt werden, daß es sich um Kreise handelte, wo die Industrie vorherrschend ist, und infolgedessen die ganze Streikbewegung und Provokation in der Hauptsache von diesen Betrieben ausging, wo es die Rädelsführer verstanden hatten, durch falsche Losungen und durch provokatorische Reden die Massen in Bewegung zu setzen.

Was zeigte sich nunmehr in den bereits genannten Schwerpunktkreisen:

VPKA S ö m m e r d a

Zu den Vorkommnissen in Sömmerda am 17.6.53 und zwar im VEB Rheinmetall wird folgendes berichtet:

Bereits Ende Februar 1953 mußte der Betrieb erhebliche Entlassungen vornehmen. Die Ursache hierzu war die Reduzierung des Produktionsplanes. Als der Betrieb noch in sowjetischer Verwaltung war, stand er mit 124 Millionen DM im Plan. Nach der Übergabe in Volkseigentum wurden die Zahlen bis auf 90 Millionen DM reduziert. Etwa ein halbes Jahr später wurde die Produktion weiter reduziert und zwar von 90 auf 86 Millionen DM, und schließlich erfolgte eine nochmalige Herabsetzung bis auf 64 Millionen.

Die Belegschaftsstärke entsprach noch der Produktion von 124 Millionen DM und bedeutete somit einen ca. 50 %igen Arbeitskräfteüberhang. Hinzu kommt, daß der Betrieb über die DIA (Deutscher Innen- und Außenhandel) keinen Absatz hatte und sämtliche Lager von der Fertigproduktion gefüllt waren. Diese Dinge waren über die Partei beim ZK sowie über die Werksleitung beim Ministerium f. Wirtschaft in Berlin bekannt. Trotzdem konnte nichts daran geändert werden, daß Massenentlassungen vorgenommen werden mußten.

Im I. Quartal reduzierte man von 8.500 auf ungefähr 7.800 Beschäftigte. Man erwartete anläßlich einer Tagung am 4.3.53, einberufen vom Ministerium f. Maschinenbau, Hpt. Verwaltung Feinmechanik und Optik, daß der VEB Rheinmetall eine Produktionsauflage an optischen Geräten erhalten würde. Dies scheiterte jedoch, und lt. Plan mußten weitere 2.000 Arbeiter entlassen werden. Hierdurch trat durch ungenügende Produktionsauflage gegenüber dem Arbeitskräfteverhältnis eine erhebliche Störung in der Produktion ein, die bei den Arbeitern bemerkt wurde und auf Grund dessen die Arbeitsmoral zu sinken begann.

Der Betrieb mußte also dazu übergehen, in erster Linie die schlechtesten Arbeiter in bezug auf moralisches Verhalten, Qualifikation sowie Krankheit zu entlassen. Durch Mißgriff in der Bearbeitung der Entlassungen gab es Unstimmigkeiten unter den Arbeitern. Die Werktätigen empörten sich, daß u.a. alleinstehende Frauen, die einige Kinder zu Hause haben, entlassen wurden und andererseits Frauen, deren Männer ebenfalls beschäftigt sind und somit als Doppelverdiener gelten, im Betrieb verblieben.

Durch den Beschluß über die Normenerhöhung vom 28.5.1953 trat, wozu die Entlassungen kamen, eine stärkere Unzufriedenheit in allen Abteilungen des Betriebes ein. Durch ungenügende Aufklärung von Seiten der Partei und obligatorische Normenerhöhung entstand selbst unter den Genossen des Betriebes eine Diskussion gegen die Normenerhöhung und somit eine verschärfte Unzufriedenheit. Bis Mitte Juni d.Js. stand der Betrieb in seiner Leistung auf ca. 6.000 Arbeitern. Die Entlassungen mehrten sich von Woche zu Woche. Ein großer Fehler wurde darin begangen, daß man, ähnlich wie im kapitalistischen System, Entlassungsschreiben den Werktätigen auf den Arbeitsplatz legte, ohne mit ihnen über die Notwendigkeit der Entlassung zu diskutieren. Jeder einzelne befürchtete, daß seine Entlassung ebenfalls erfolgen wird.

Am Vorabend der Ausschreitungen in Sömmerda, also am 16.6.53, wurde nach Arbeitsschluß eine Kontrolle am Tor I durchgeführt. Es wurde festgestellt, daß die Arbeiter gegenüber unseren Volkspolizisten, die sich in jeder Weise diszipliniert benahmen, einen ziemlich verbitterten Eindruck machten. Ohne Gruß und ohne Wort warfen sie ihre Aktentaschen auf den Tisch. Ein Genosse wurde nach der Ursache seiner Verbitterung gefragt und erklärte, daß dieses der Ausdruck der Erhöhung der Normen und der Entlassungen ist; es sei eine Schinderei, in dem Betrieb zu arbeiten.

Die Nachtschicht selbst verlief noch ruhig. Mit Arbeitsbeginn am 17.6.53, 07.00 Uhr, bildeten sich in den Abteilungen für Rechen- und Schreibmaschinen Gruppen, die über die Vorkommnisse eifrig diskutierten. (Wie sich jetzt nach der Festnahme der Rädelsführer herausstellte, hatten die Anstifter der Ausschreitungen den Rias gehört und über die Unruhen in Berlin diskutiert.)

Etwa gegen 07.15 Uhr schlossen sich die Abteilungen Rechen- und Schreibmaschinen zusammen, zogen vor das Verwaltungsgebäude und stellten der Direktion die Forderung auf Normenherabsetzung und sofortige Einstellung der Entlassenen. Hierbei stellten sich die Personen Sch., W., H., K. und A. als Wortführer zur Verfügung, die dann später in die Streikleitung gewählt wurden. Man versuchte, die Telefonzentrale und damit die Werkfunkanlage in den Besitz zu bekommen. Weiterhin verlangte man, den Funkwagen des Werkes heranzubringen, was jedoch nicht geschah. Es muß jedoch angenommen werden, daß es sich hierbei um eine organisierte Sache handelte, daß der Funkwagen nicht herankam.

Damit die Versammlung nicht im Werk durchgeführt wurde, riefen die Rädelsführer die Arbeiter auf, das Werk zu verlassen und auf dem Marktplatz die Versammlung durchzuführen. Das Eisentor an der Verwaltung wurde gewaltsam geöffnet. Durch dieses Tor ging der Hauptstrom der auf dem Platz versammelten Werksangehörigen. Die übrigen Werksangehörigen aus den anderen Abteilungen, die inzwischen verständigt worden waren, verließen das Werk durch das Tor I, wo sie den VP-Angehörigen zur Seite drängten und den Schlagbaum öffneten.

Während des Marsches zum Marktplatz begannen organisierte Gruppen, in provokatorischer Form mittels Sprechchören ihre Forderungen zum Ausdruck zu bringen, und zwar nicht nur in wirtschaftlicher, sondern auch in politischer Hinsicht (Sturz der Regierung der DDR, freie Wahlen usw.).

Auf dem Marktplatz wurden von den Rädelsführern gebildete größere Gruppen aufgeteilt, die sich nunmehr in die anderen Betriebe der Stadt begaben, um die dortigen Arbeiter aufzuputschen, an der Massendemonstration am Marktplatz teilzunehmen und ihre Forderungen zu stellen. Auch in den VEB Dachziegelwerk Sömmerda erschien eine solche Gruppe und forderte die Arbeiter auf, sich an dem Streik zu beteiligen. Einige Arbeiter leisteten auch diesem Vorhaben Folge. Da die Rädelsführer damit nicht zufrieden waren, wurde noch ein zweites Mal versucht, in den Betrieb hineinzukommen, und einige der Rädelsführer stiegen über die Mauer und gerieten so in den Betrieb. Auch der VEB Kreisbauhof beteiligte sich an diesem Streik. Hier wurden durch den technischen Leiter namens G. der Betriebsleiter Gen. H. und der Genosse Parteisekretär R. in einem Zimmer eingeschlossen, so daß sie nicht telefonieren konnten. Von G. wurde auch der Kraftfahrer des Gen. Betriebsleiters beauftragt, sofort sämtliche Baustellen innerhalb des Kreises aufzusuchen und den Arbeitern zu erklären, daß sie ihre Arbeit niederlegen sollen, da in Sömmerda bereits gestreikt wird.

Es wurde ein Streikkomitee gewählt. Dasselbe bestand aus folgenden Personen:
Sch., Haupträdelsführer - Waffen-SS, Vater war Angehöriger des Stahlhelm;
W., bekannt als Schläger - Arbeiter;
H., Arbeiter - hat sich bereits auf dem Fabrikhof als Wort- und Rädelsführer hervorgetan.
C., Arbeiter.

Dieses Streikkomitee wurde von der Volkspolizei in Zusammenarbeit mit Min. f. St. in den Abendstunden bzw. in der Nacht festgenommen (17. zum 18.6.).

Gleichzeitig fand am 17.6.53 gegen 12.00 Uhr in einem Lokal in Sömmerda eine Bauernversammlung statt, in welcher der Großbauer Sch. als Hauptreferent auftrat. Von dieser Versammlung wurde ein Komitee gewählt, welches aus zehn ehem. Nazis bestand. Auch dieses Komitee wurde in der Nacht zum 18.6.53 von der Volkspolizei in Zusammenarbeit mit dem Ministerium f. Staatssicherheit festgenommen. Nicht festgenommen werden konnte der Großbauer Sch., welcher flüchtig ist.

Die Absichten der Rädelsführer und Provokateure, den Streik auf weitere Betriebe in Sömmerda auszudehnen, wurden durch den entschlossenen und energischen Einsatz der Volkspolizei verhindert.

Der VEB Rheinmetall Sömmerda wurde durch genügend starke VP-Einheiten, bestehend aus dem verstärkten Betriebsschutz des Amtes, ein Zug Wacheinheit und eine Operativgruppe der Freunde sowie der Besatzung von zwei B-Krädern der Mot. Schutzpolizei, besetzt. Die Arbeiter wurden aufgefordert, unverzüglich die Arbeit aufzunehmen.

Am Vormittag des 18.6. war die Lage so, daß einige Abteilungen die Arbeit aufnahmen, während andere Abteilungen die Arbeit niederlegten. Gegen 13.00 Uhr erfolgte noch einmal durch den Betriebsfunk die Auforderung, die Arbeit 13.30 Uhr aufzunehmen oder das Werk sofort zu verlassen. Der sofortigen Arbeitsaufnahme wurde um 13.30 Uhr Folge geleistet. Seit dieser Zeit sind keine Streiks mehr im Betrieb inszeniert worden. Auch die anderen Betriebe, die sich dem Streik angeschlossen hatten, nahmen ebenfalls die Arbeit auf.

VPKA M ü h l h a u s e n

In Mühlhausen kam es zu Bauernversammlungen. Die Bauern versammelten sich vor dem Möwe-Werk. Es waren ca. 1.000 - 1.500 Personen erschienen.

An Losungen: Solidarität der Arbeiter und Bauern
Freiheit und Nieder mit der Regierung
Werktätige des Möwe-Werkes - vereinigt euch mit den Bauern.

Die Werktätigen des Möwe-Werkes verhielten sich zu dieser Aufforderung passiv. Es entstand zwischen den Arbeitern des Möwe-Werkes und den Bauern eine heftige Diskussion. Eine Einschätzung dieser Diskussion führte zu dem Ergebnis, daß eine "Solidarität" zwischen Arbeitern und Bauern nicht herbeigeführt und im Gegenteil sich der "Zwiespalt" zwischen Werktätigen und Bauern verstärkte. Als die Bauern merkten, daß sie hier nicht zum Ziele kommen werden, begaben sie sich in einzelnen Gruppen zum Landratsamt in der Leninstraße. An dieser Stelle muß noch bemerkt werden, daß im Rahmen der Diskussionen mit den Werktätigen des Möwe-Werkes zwischen den Bauern selbst Unstimmigkeiten aufkamen, so daß eine Anzahl Bauern den Demonstrationsplatz verließ.

Nach etwa einer Stunde, also etwa gegen 18.00 Uhr, war es möglich, die Tore des Möwe-Werkes wieder zu schließen, da sich die Diskussionsgruppen verstreut hatten. Die hierbei in Erscheinung getretenen Schreihälse begaben sich in Richtung Landratsamt bzw. Amtsgericht am Untermarkt.

Inzwischen wurde von VPKA Mühlhausen der Hinweis gegeben, daß sich in dem vorher benannten Gebiete ein PKW - BMW (grau) GB Nr. 809 ... aufhält, und dessen Insassen von der Demonstration Aufnahmen machen würden. Der Wagen wurde vom MfS, Dienststelle Mühlhausen, festgestellt und nach dort sistiert.

In der Zwischenzeit begaben sich die Demonstranten vor das Gerichtsgefängnis und forderten die Freilassung von zwei Bauern, die wegen Wirtschaftsverbrechen einsaßen. Bei den freigelassenen Bauern handelte es sich um solche, die auf Grund des Erlasses der Regierung zur Entlassung standen und deren Entlassung bereits veranlaßt war. Die Zahl der Demonstranten hatte sich auf insgesamt 3.000 Personen erhöht. Nach der Freilassung zog sich ein Teil der Bauern zurück. Die erkannten Provokateure wurden in den Abendstunden von der Volkspolizei festgenommen und ein Teil dem Kreiskommandanten und dem MfS übergeben.

Etwa gegen 20.00 Uhr erschienen Genossen der Sowjetarmee, und es wurde der Befehl des Kreiskommandanten verlesen, der beinhaltete, daß
  1. jegliche Demonstration und Ansammlung von über drei Personen untersagt ist,
  2. ab 21.00 Uhr sämtliche Straßen geräumt sein müssen und damit
  3. der Ausnahmezustand verhängt sei.
Gegen Personen, die gegen diesen Befehl verstoßen, kann von der Schußwaffe Gebrauch gemacht werden.

Von der Menge wurde dieser Befehl mit lautem Johlen und Pfeifen und Rufen gegen die Sowjetunion beantwortet. Hierbei traten bereits bekannte Schreihälse wieder in Erscheinung. Insbesondere beteiligten sich Jugendliche, die sich inzwischen auf dem Untermarkt versammelt hatten.

Der Befehl des Kommandanten wurde vorerst nicht befolgt. In der Zwischenzeit wurde durch Genossen der KVP (etwa zehn) das Eingangstor des Amtsgerichtes besetzt. Auf diese Genossen konzentrierten sich nunmehr die rebellierenden Massen und insbesondere die Jugendlichen, die von den Erwachsenen aufgestachelt wurden. Hierbei kam es soweit, daß die Genossen der KVP vom Tor verjagt wurden, ihnen Mützen und Uniformstücke zerrissen und in die Luft geworfen wurden. Diese Tätlichkeiten wurden mit lautem Johlen begleitet. Ohne einen Schuß abzugeben, zogen sich die Genossen der KVP zurück.

Kurze Zeit später erschien der Kommandant in Begleitung eines Fahrzeuges mit etwa 20 Sowjetsoldaten. Beim Erscheinen dieser Genossen wurde von den Demonstranten fluchtartig der Platz verlassen. Trotzdem erschien eine Verstärkung durch Genossen der KVP und zwei Einsatzwagen des VPKA. Diese stellten binnen kurzer Zeit - gegen 21.00 Uhr - den Normalzustand wieder her.

Im Verlauf des gesamten Vorkommnisses wurden ca. 20 - 25 Personen festgenommen und zum größten Teil der Kommandantur übergeben, unter denen sich die von uns festgestellten Schreihälse und Rädelsführer befanden.

VPKA A p o l d a

Im Laufe des 17. Juni 1953 wurde in Apolda bekannt, daß durch die Zeiß-Arbeiter in Jena größere Demonstrationen im Stadtgebiet in Jena unter der Führung einiger Rädelsführer stattfanden. Aus diesem Grunde war unter der Bevölkerung der Stadt Apolda eine größere Unruhe zu bemerken, und man erwartete am Abend die Rückkehr der bei den Zeiß-Werken beschäftigten und in Apolda wohnhaften Arbeiter, um Tatsachen zu erfahren. An den Omnibushaltestellen waren große Menschenansammlungen festzustellen. Die Omnibushaltestelle für die Zeiß-Arbeiter befindet sich in unmittelbarer Nähe der Kreisleitung der SED.

Die angegebene Situation veranlaßte die Leitung des VPKA, folgendes zu veranlassen:
  1. Durch die VPKA-Leitung wurde angeordnet, daß kein VP-Angeh. das VPKA verlassen darf. Die dienstfreien Genossen VP-Angeh. wurden zur Dienststelle befohlen.
  2. Um weitere Menschenansammlungen durch die ankommenden Zeiß-Arbeiter zu verhindern, wurde die Haltestelle entsprechend weiter verlegt.
Am gleichen Tage gegen 17.00 Uhr meldete der Haftanstaltsleiter, VP-Obwm. K., daß sich vor der U-Haftanstalt (Kreisgericht) eine größere Menschenansammlung befindet. Darauf wurde eine Gruppe von zwölf VP-Angeh., darunter fünf Angehörige der Abt. K, unter Führung des Leiters der Abteilung - S - zum Einsatz gebracht. Vor der U-Haftanstalt befanden sich ca. 500 Menschen, die die Freigabe der inhaftierten Häftlinge forderten. Eine Organisation in der Menschenansammlung bestand nicht. Die Versammelten waren zu ca. 70 % Jugendliche. Durch die Bildung einer Sperrkette seitens der eingesetzten VP-Angehörigen wurden die Versammelten zurückgedrängt. Nach ca. zehn Minuten erschien ein LKW mit Angehörigen der Sowjetarmee, durch deren Unterstützung die Menschenansammlung innerhalb weniger Minuten zerstreut wurde. Hierbei ist es weder zu Tätlichkeiten noch Schußwaffengebrauch gekommen. Um die Sicherheit der U-Haftanstalt zu gewährleisten, wurden 18 Angehörige der Sowjetarmee vor dem Gebäude stationiert.

Die zurückgedrängte Menschenansammlung erschien am gleichen Tage erneut gegen 18.30 Uhr vor dem Gebäude der Kreisleitung der SED. Hier kam es wieder zu einer Ansammlung von ca. 1.000 Personen, von denen ca. 70 % Jugendliche waren. Die versammelten Menschen versuchten nun, in das Gebäude der Kreisleitung einzudringen und nahmen eine recht aggressive Haltung ein, unterstützt und angespornt durch einige Rädelsführer. Der kaufmännische Angestellte und Mitglied der SED, ein gewisser R. aus Herrensee, Kreis Apolda, beschäftigt bei der HO in Jena, ca. 40 Jahre alt, riß eine rote Fahne von einem Mast vor der Kreisleitung der SED ab. Weiterhin versuchte er eine 2. Fahne herunterzureißen, was jedoch durch die eingesetzten VP-Angehörigen verhindert werden konnte. Des weiteren wurde ein feststehendes Transparent, welches der Kreisleitung gegenüber aufgestellt war, aus dem Boden gerissen. Der beschuldigte R. wurde festgenommen.

Ein gewisser Fritz P., 20 Jahre alt, Sohn eines Fabrikanten in Apolda, trat als Rädelsführer in Erscheinung. Er hetzte die versammelten Menschen immer wieder erneut auf, so daß diese, angespornt durch das Verhalten des P., immer aggressiver wurden. Der Beschuldigte wurde ebenfalls festgenommen.

Zum Zwecke der Zerschlagung dieser Menschenansammlung erschienen nun einige LKW mit Angehörigen der Sowjet-Armee. Einige sowjetische Offiziere gaben mehrere Warnschüsse ab. Daraufhin gingen die versammelten Demonstranten auseinander. Bis zum heutigen Tage ist es in der Stadt Apolda zu keinen Menschenansammlungen bzw. Demonstrationen mehr gekommen.

In der Nacht vom 18. zum 19.6.1953 wurden durch die Bürgermeister einiger Landgemeinden weitere Provokateure bekanntgegeben. Diese Provokationen trugen jedoch nur örtlichen Charakter und konnten durch fortschrittliche ortsansässige Arbeiter und Bauern sofort zerschlagen werden. Eine Anzahl dieser Provokateure wurde durch Gerichtsverfahren zur Verantwortung gezogen. Die Bearbeitung dieser Vorgänge erfolgt durch die Abteilung - K - in Verbindung mit der Dienststelle des MfS, der Partei und der Kommandantur.

Außer den bereits erwähnten Schwerpunkten kam es noch in dem Ort E c k o l d s t e d t zu Unruhen. Dort hatte ebenfalls eine größere Menschenansammlung stattgefunden. Diese versammelten Menschen standen unter dem Einfluß des Pfarrers M. und den im Ort ansässigen, faschistisch denkenden Großbauern. Von diesen randalierenden Elementen wurden durch die Fenster der Wohnung des Gen. E., welcher sich zur Zeit auf der Landesparteischule befindet, Steine geworfen. Des weiteren forderte eine Gruppe dieser Elemente von der Frau des 1. Sekretärs der BPO, daß sie sofort sämtliche Bilder unser führenden Funktionäre sowie jegliche fortschrittliche Literatur zur Vernichtung herausgeben solle. Auf Grund von Drohungen gab die Genossin K. fünf Exemplare der Zeitschrift "Einheit" heraus, die von den Rädelsführern unter hetzerischen Reden und Geschrei öffentlich verbrannt wurden.

In der Nacht vom 18. zum 19.6.1953 wurde der Pfarrer M. sowie zwei weitere Rädelsführer von Angehörigen des MfS verhaftet.

VPKA Nordhausen

In Nordhausen war ein Schwerpunkt im VEB Ifa-Schlepperwerk entstanden. Dort hatten in den Morgenstunden die Arbeiter in Halle 18 - mechanische Abteilung - die Arbeit niedergelegt, und die Arbeiter hatten sich vor der Halle versammelt. Durch den VPKA-Leiter, der selbst zu den Arbeitern sprach, wurde erreicht, daß die Arbeiter wieder ihre Arbeit aufnahmen. Auch die ablösende Schicht, die um 06.00 Uhr zur Arbeit erschien, nahm die Arbeit auf.

Gegen 8.30 Uhr wurde erneut gemeldet, daß wiederum in der techn. Abteilung die Arbeit niedergelegt worden sei, und die Arbeiter wollten in den Kulturraum, um dort eine Versammlung durchzuführen. Durch den Einsatz von Agitatoren seitens der Partei wurde zwar erreicht, daß die Arbeiter nicht den Kulturraum benutzten, dafür wollten die Arbeiter aber eine Demonstration durchführen und drängten sofort zum Ausgang des Werkes.

Durch das VPKA wurden sofort die notwendigen Kräfte eingesetzt. Um zu verhindern, daß sich die Arbeiter zu einer Demonstration zusammenschließen konnten, wurde um 13.00 Uhr der Schutz des Werkes durch die VP übernommen und der Befehl erteilt, entweder binnen 15 Minuten die Arbeit wieder aufzunehmen oder den Betrieb einzeln zu verlassen und unverzüglich sich in ihre Wohnungen zu begeben. Durch diese Maßnahme wurde erreicht, daß die um 14.00 Uhr kommende Schicht nicht erst in dem Betrieb eine Versammlung durchführen konnte, sondern die Arbeitswilligen sofort die Arbeit aufnahmen und die Nichtarbeitswilligen von der Straße verschwanden.

Inzwischen waren bei der Einsatzleitung Nachrichten eingegangen, daß im Schachtbau- und Bohrbetrieb (gehört ebenfalls zur Ifa) nach der Mittagszeit die Arbeit nicht wieder aufgenommen worden sei und sich die 400 Arbeiter mit den Ifa-Werken solidarisch erklärt hätten. Sie forderten ebenfalls den Rücktritt der Regierung. Zu bemerken wäre dabei, daß bei der Abstimmung für den Streik sogar der hauptamtliche Parteisekretär die Hand erhoben hatte.

Durch die Besetzung des Betriebes durch die VP wurde erreicht, daß die Arbeiter ihre Arbeit wieder aufnahmen. Die Agitatoren setzten die Meister davon in Kenntnis, daß sie persönlich für die Arbeitsaufnahme ihrer zuständigen Abteilung verantwortlich sind. Zu weiteren Aktionen ist es in diesem Betrieb nicht mehr gekommen.

Am 19.6.1953 wurden früh von starken Polizeistreifen die Straßen durchfahren. Bei der Ifa, wo sich eine ziemliche Masse von Arbeitern vor dem Betrieb eingefunden hatte, aber den Betrieb selbst nicht betrat, wurden dieselben durch den VPKA-Leiter aufgefordert, in den Betrieb zu gehen und ihre Arbeit aufzunehmen, denn sie wären doch nicht deshalb um 04.00 Uhr früh aufgestanden, um nach Nordhausen zu fahren und die Radauszene vom Vortage zu wiederholen, denn durch ihr vollzähliges Erscheinen hätten sie doch unter Beweis gestellt, daß sie arbeiten wollten. Wer jedoch nicht arbeiten wollte, habe sich sofort zu entfernen und die Stadt Nordhausen zu verlassen, da es sich hier zum größten Teil um Auswärtige handelte.

Der größte Teil betrat den Betrieb, und nur einige kleinere Gruppen begaben sich wieder auf den Weg in Richtung Bahnhof. Nach einer gewissen Zeit wurde festgestellt, daß überall die Arbeiter in die Betriebe gingen, ohne sich zusammenzurotten. Diejenigen Arbeiter, die ihre Arbeit bei der Ifa nicht aufgenommen hatten, begaben sich wieder in die Stadt und rotteten sich zusammen. Es konnte jedoch nicht festgestellt werden, ob sie die anderen Arbeiter von der Arbeit abhalten wollten, da sie sich bei Herannahen der VP-Angehörigen jedesmal auflösten. Um aber auch diese Gruppenbildungen schon im Keime zu ersticken, wurden einige der Arbeiter aufgefordert, stehen zu bleiben, um ihren DPA vorzuzeigen. Nachdem die Personalien aufgeschrieben wurden, erklärten sie zitternd, sie hätten nicht die Arbeiter von der Arbeit abhalten wollen, sondern nur gesagt, daß es doch keinen Zweck hätte, zu streiken. Ihre Arbeitszeit beginnt jedoch erst um 7.00 Uhr, nicht um 6.00 Uhr. Die Betreffenden wurden dann dem Betrieb genannt, um festzustellen, ob sie ihre Arbeit aufgenommen haben.

VPKA Weimar

Am 17.6.1953, gegen 8.10 Uhr, riefen einige Provokateure vom VEB-Mähdrescherwerk Weimar zu einer Versammlung auf. Gegenstand dieser Versammlung waren die am Tage vorangegangenen Ereignisse in Berlin mit anschließenden wirtschaftlichen und politischen Forderungen.

Die wirtschaftlichen Forderungen waren:
  1. Senkung der Arbeitsnormen
  2. Einstellung von 150 Arbeitern, die im Januar 1953 entlassen worden waren.
Die politischen Forderungen waren:
  1. Rücktritt der BGL und der Parteileitung sowie
  2. Rücktritt der Regierung.
Die Versammlungsstärke war etwa 2.500 Teilnehmer. Der allgemeine Charakter der Versammlung war, daß diese sich mit den Provokateuren am 16.6.1953 in Berlin solidarisch erklärten. Es sollte nach der Versammlung eine Demonstration zum Sturz der Regierung der DDR stattfinden. Zu dieser Demonstration waren Losungen vorbereitet, die zum Sturz der Regierung aufriefen.

Daraufhin wurde veranlaßt, daß einige Angehörige der Abt. K sich unter die Versammlungsteilnehmer mischten, um die Provokateure zu erkennen. Gleichzeitig wurde sofort Verbindung mit dem 1. Kreissekretär der Partei, dem Leiter des Ministeriums für Staatssicherheit und dem hiesigen Stadtkommandanten aufgenommen. Inzwischen waren im VEB-Mähdrescherwerk Weimar Agitatoren der Kreisleitung eingetroffen sowie Angehörige des MfS und haben sich unter die Versammlungsteilnehmer gemischt.

Zwischen der sogenannten Versammlung und der Einsatzleitung des VPKA bestand ständige Verbindung. Die Agitatoren, welche von der Kreisleitung-Stadt eingesetzt waren sowie der BPO, hatten keinen Erfolg. Die Provokateure bekamen in dieser Versammlung Oberwasser. Im weiteren Verlauf wurde ein Ausschuß gewählt, der sich aus 17 Elementen zusammensetzte. Diese 17 Elemente sollten für die Zukunft die leitenden Funktionen innerhalb des Betriebes einnehmen. Dem Genossen Kreissekretär der SED Weimar-Stadt war es nicht möglich, in dieser Versammlung das Wort zu ergreifen. Vor der Einsatzleitung stand also die Aufgabe, die bevorstehende Demonstration mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu verhindern. Inzwischen wurde noch einmal die BDVP Erfurt von der gegenwärtigen Situation verständigt. Auf Anweisung der BDVP wurde dann mit der hiesigen Stadtkommandantur nochmals Verbindung aufgenommen zwecks Unterstützung zur Verhinderung einer größeren Demonstration. Gleichzeitig wurde angeordnet, die bereitstehenden Züge mit Handfeuerwaffen (Gewehre und Pistolen) auszurüsten. Ebenfalls verfügte die BDVP Erfurt über den Einsatz von zwei Zügen der hier stationierten Wacheinheit zur Verstärkung des Amtes.

Gegen 12.15 Uhr erhielt die Einsatzleitung die telefonische Mitteilung von der BS-Leitung des VEB-Mähdrescherwerkes Weimar, daß Teilnehmer der Veranstaltung dabei sind, die Losungen und Transparente abzureißen. Außerdem wurde gemeldet, daß sich die bisherige Versammlung zu einer Demonstration formiert und bereits zum Torausgang marschiert. Die Einsatzleitung setzte sofort zwei Züge der Wacheinheit zur Verhinderung der Demonstration nach dem VEB-Mähdrescherwerk Weimar in Marsch. Die hiesige Kommandantur unterstützte die Volkspolizei dadurch, daß sie einen SMG-Zug mit zwei Zwillings-MG auf Lafette am Eingang des Werkes aufstellte.

Diese moralische Wirkung der starken bewaffneten Staatsmacht veranlaßte die Demonstranten, nicht das Werksgelände zu überschreiten. Die Arbeiter verließen daraufhin einzeln das Werk und begaben sich nach Hause. In Verbindung mit dem MfS wurden sofort die Wohnadressen des gewählten "17er Ausschusses" ermittelt und in derselben Nacht von Angehörigen der Abteilung K und des MfS festgenommen.

Ein weiterer Schwerpunkt im Kreisgebiet Weimar bildete sich am Abend des selbigen Tages in Bad Berka. Dort wurden von einer Bande, bestehend aus fünf männlichen Personen, die Losungen und die Bilder der Führer unserer demokratischen Parteien abgerissen und mit den Füßen zertreten. Gleichzeitig riefen sie die Bevölkerung auf, ebenfalls einen Aufstand zu organisieren, wie er bereits in Jena durchgeführt wurde. Unter den Festgenommenen befand sich ein Provokateur, der am selben Tage bei dem Überfall in Jena beteiligt war. Anschließend wurde ein VP-Helfer auf der Straße von dieser Bande niedergeschlagen. Von der Einsatzleitung wurde das Schnellkommando und zwei Angehörige der Abteilung K nach Bad Berka geschickt, um die dortigen Vorfälle zu klären.

Ergebnis: Alle Täter konnten festgenommen und nach Weimar überführt werden.

Am 18.6.1953, gegen 7.00 Uhr, wurde auf Anordnung des hiesigen Stadtkommandanten der sowjetischen Streitkräfte der Ausnahmezustand für den Stadt- und Landkreis Weimar verhängt. Mit der gleichen Stunde wurden starke Kräfte der sowjetischen Armee an allen öffentlichen Gebäuden und wichtigen Objekten innerhalb der Stadt Weimar postiert.

Im VEB-Mähdrescherwerk Weimar erschienen die Arbeiter am 18.6.1953 zwar zur Arbeit, nahmen sie jedoch nicht auf. In größeren Diskussionsgruppen forderten sie die Freilassung der in der Nacht von den Staatsorganen festgenommenen Rädelsführer und "17er Ausschuß". Es wurde beschlossen, die Arbeit niederzulegen und nicht eher wieder zu beginnen, bis der "17er Ausschuß" wieder frei ist. In diesem Zusammenhang wurde von einer Gruppe Werksangehöriger die Telefonzentrale des Werkes besetzt gehalten. Nach Bekanntwerden dieses Zustandes wurde von der Einsatzleitung des VPKA Weimar folgendes angeordnet:
  1. Sofortige Sperrung mit der Postleitung in Verbindung mit der Staatsanwaltschaft,
  2. Einsatz von zwei bewaffneten Zügen zur Räumung und Besetzung der Telefonzentrale.
Diese Maßnahme wurde innerhalb 20 Minuten ohne besondere Zwischenfälle durchgeführt. An diesem Tage hat die Kreisleitung der Partei weitere starke Agitationsgruppen (Bezirksparteischule) in dem Werk eingesetzt, außerdem waren zwei VP-Offiziere der BDVP Erfurt im VEB-Mähdrescherwerk als Instrukteure anwesend.

Die Einsatzleitung der Volkspolizei antwortete den Arbeitern auf die aufgestellte Losung, daß Provokateure nicht in die Reihen der deutschen Arbeiterklasse gehören und daß diese wegen ihrer staatsfeindlichen Tätigkeit zur Verantwortung gezogen werden. Den Arbeitern wurde eine eingehende Charakteristik über die Vergangenheit des "17er Ausschusses" gegeben.

Durch die beiden eingesetzten Züge der Wacheinheit wurden die wichtigsten Hallen des Werkes besetzt, um jeglicher Sabotage vorzubeugen. Um Sabotagen und Terrorakten an öffentlichen Gebäuden und lebenswichtigen Betrieben vorzubeugen sowie das Einschleusen von Flugblättern und Waffen nach Weimar zu verhindern, wurde nach Rücksprache mit Oberstleutnant P. von der Dienststelle KVP Holzdorf eine Einsatzgruppe von 100 Mann im VPKA stationiert. Diese Einsatzgruppe stand unter dem Befehl der Einsatzleitung und hatte die Aufgabe, die angeführten Objekte und Zufahrtstraßen zu sichern.

Außerdem wurde eine starke Reserve, bestehend aus zwei Zügen der KVP und einem 2. Schnellkommando aus den Angehörigen der ZSdVP (meistens Offiziere) gebildet. Ein Verbindungsoffizier der KVP hat von dieser Stunde an in der Einsatzleitung mit gearbeitet.

Der VPKA-Leiter ordnete an, die Postierung der sowjetischen Armee an den öffentlichen Gebäuden und Parteigebäuden sowie lebenswichtigen Betrieben durch Kräfte der KVP zu verstärken. Somit war ein sicherer Schutz der Objekte in Weimar gewährleistet sowie ein sofortiges Entgegentreten gegen sich evtl. neu bildenden Versammlungsgruppen. Im Verlauf des Streiks im VEB-Mähdrescherwerk Weimar wurde der Einsatzleitung bekannt, daß erneut eine Demonstration mit dem Charakter "Freiheit für den ‚17er Ausschuß'" in Vorbereitung war. Diese Demonstration kam jedoch nicht zur Entfaltung, sondern um 17.00 Uhr verließen die Arbeiter normal und ordentlich das Werk.

Am 20.6.53 wurde der Einsatzleitung bekannt, daß im VEB-IKA-Kranichfeld eine Gruppe Provokateure am Werk ist, um die Belegschaft des Betriebes zu beeinflussen. Es wurden Losungen mit dem Inhalt "Nieder mit der Regierung", "Wir erklären uns solidarisch mit den Demonstranten in Berlin" usw. festgestellt. Durch aktive Mitarbeit bewußter Werksangehöriger konnte eine Gruppe der Täter in der Nacht vom 21. zum 22.6.53 von der hiesigen Abt. K festgenommen werden.

Im Kreis Langensalza, und zwar in dem Ort Bad Tennstedt, wurde eine Demonstration durchgeführt, deren Initiator der Pfarrer und Superintendent S. war. Dieses Vorkommnis muß besonders beachtet werden, da hier ein Vertreter der Kirche seine Stellung mißbrauchte und gegen den Staat hetzte.

Dazu wird berichtet: Am 17.6.53, gegen 18.30 Uhr, wurde vom ABV des Ortes Bad Tennstedt gemeldet, daß eine kleine Demonstration stattfindet, an deren Spitze der Pfarrer hinter drei mitgeführten Transparenten ging. Der ABV erhielt sofort von der VPKA-Leitung Anweisung, in Verbindung mit dem BPO-Sekretär und den Genossen des Ortes sowie den Helfern der VP die an der Demonstration maßgeblich Beteiligten festzustellen. An der Demonstration beteiligten sich anfangs nur zwölf Personen. Folgende Transparente, die an der Spitze des Zuges getragen wurden, lauteten:


"Freiheit für Z., W., H. und Frau"
"Wir fordern eine neue Regierung"
"Wir fordern eine Steuerreform und Preissenkung".

An der Spitze dieses Zuges marschierte der Pfarrer und Superintendent S. und forderte durch Rufen und einladende Handbewegungen die an der Straße stehenden Menschen auf, sich an der Demonstration zu beteiligen. Nach ca. einer Stunde hatte sich die Anzahl der Demonstrierenden auf ca. 250 Personen erhöht. Während der Demonstration wurde in Sprechchören gerufen:

"Wir fordern eine neue Regierung".

Auf dem Marktplatz, wohin die Demonstration führte, kamen dann ca. 500 Menschen zusammen. Als erster sprach der Superintendent S. zu den Versammelten. Er begann seine Ausführungen in den Worten: "Einigkeit, Recht und Freiheit" und sprach die erste Strophe des "Deutschland-Liedes", welche von den Anwesenden im Chor nach Aufforderung des S. mitgesprochen wurde. S. rief weiter aus: "Hinweg mit der Regierung, wir fordern eine neue Regierung", und daß vor einigen Tagen wohl noch keiner gedacht hätte, daß er jetzt frei wäre und diese Freiheit nun den Berlinern zu verdanken habe. Er führte weiter aus, daß diese Freiheitswelle jetzt von Ort zu Ort gehe. Danach sprach der Rentner Karl W.: "Ich bin ein alter Sozialdemokrat, und die Arbeiterbewegung hat die Altersgrenze von 60 auf 70 Jahre hochgesetzt, währenddessen wir seit langer Zeit für 60 Jahre kämpfen." Er meinte hiermit die Rentenzahlungen. Im Anschluß daran ergriff der Landwirt Otto W. das Wort und äußerte sich, daß die SED uns nun lange genug betrogen hat, wir aber gar nicht daran denken, uns noch weiter betrügen zu lassen. Bisher regierte nur 1 % und 99 % mußten hinterherlaufen. Im Anschluß daran sprach der Richard Sch.: "Wir fordern für alle Arbeit und Brot, denn alle Verwaltungsdienststellen schließen vor uns die Türen und geben uns keine Arbeit."

Das Schlußwort sprach wiederum der Superintendent S.. Er bedankte sich für den Mut der Bevölkerung, die an der Demonstration teilnahm und sprach das Gebet, das von den Demonstranten im Chor nachgesprochen wurde: "Nun danket alle Gott ..."

Die Demonstration löste sich gegen ca. 19.15 Uhr auf. Die mitgeführten Transparente wurden auf dem Marktplatz am Laternenpfahl aufgehängt. Nach der Meldung durch den ABV wurde der sowj. Kommandant, der Leiter des MfS und die Kreisleitung SED in Kenntnis gesetzt. Der Kommandant ordnete an, daß sofort Plakate gedruckt werden, die den Ausnahmezustand für den Ort Bad Tennstedt bekanntgeben. Inzwischen hatten sich vor dem Bürgermeisteramt in Bad Tennstedt wiederum Menschen versammelt. Es handelte sich hier meist um Frauen und Jugendliche sowie Kinder. Nach dem vergeblichen Versuch, diese Menschenansammlung durch aufklärende Worte zu zerstreuen, wurde eine Einsatztruppe eingesetzt, und daraufhin zerstreuten sich nach und nach die Menschen. Nach den Diskussionen zu urteilen, wurden von den Demonstranten in der Hauptsache wirtschaftliche Forderungen gestellt.

Die VP-Dienststelle Bad Tennstedt wurde mit fünf VP-Angehörigen verstärkt und das Bürgermeisteramt durch Genossen unserer Partei und Freiwilligen Helfern der VP besetzt. Bis zu diesem Zeitpunkt konnte festgestellt werden, daß noch keinerlei Ausschreitungen größeren Ausmaßes vorgekommen waren. Nachdem die Einsatzgruppe den Ort wieder verlassen hatte, versammelten sich in der Hauptsache Jugendliche, die unter der Leitung des Jungbauern Horst H. die Wandtafeln der FDJ und Transparente der Nationalen Front herunterrissen und zertraten. Des weiteren wurden von einigen Jugendlichen einige Fensterscheiben des Bürgermeisteramtes mit Steinen eingeworfen.

Noch in der gleichen Nacht wurden die festgestellten Rädelsführer, wie ein gewisser L., W. und T., durch die Einsatzgruppe des VPKA in Verbindung mit Angehörigen des MfS festgenommen. Zwei der Provokateure, der Superintendent S. und der Haupträdelsführer Sch. waren flüchtig. Beide wurden sofort in Fahndung gestellt und die Wohnungen durch Angehörige der Abt. K überwacht.

Während der Besprechungen mit dem gebildeten Kommandostab, an denen auch der sowj. Kommandant ständig teilnahm, wurden die Möglichkeiten erwogen, wie der Haupträdelsführer S. ermittelt werden könnte, da auf Grund der Ermittlungen feststand, daß sich derselbe noch im Ort aufhalten mußte. In der darauffolgenden Nacht wurde die Ehefrau des S. festgenommen und im VPKA einem eingehenden Verhör unterzogen. Besonders gut arbeiteten hierbei die Genossen F. und Sch. der Einsatzgruppe der Abteilung K, die am Ende des Verhörs Anhaltspunkte ermittelt hatten, wo sich der S. aufhalten könne.

Am 19.6.53, gegen 11.45 Uhr, wurde durch die beiden o.g. Angehörigen der Abteilung K der S. bei einer gewissen Familie B. in Bad Tennstedt, Ost-Vorstadt 469, in Verbindung mit dem MfS festgenommen. S. wurde auf dem Heuboden der genannten Familie versteckt gehalten.

VPKA Gotha

Am 18.6.53, gegen 9.00 Uhr, wurde die Arbeit in der Lowa Gotha, Halle 22, niedergelegt. Hier wurden konkrete Forderungen gestellt, die einen rein politischen Charakter trugen. So wurde unter anderem gefordert: Sturz der Regierung der DDR, Aufhebung des Befehls über den Ausnahmezustand, Gesamtdeutsche Wahlen (nach westdeutschem Muster), 40 %ige Preissenkung der HO, Senkung der Normen usw.

Anhand von wirtschaftlichen Forderungen versuchte man anfangs den politischen Charakter des Streiks zu vertuschen. Da von den Vertretern des Staatsapparates sowie der Partei diese Forderungen nicht anerkannt wurden, ging man dazu über und drohte, daß eine Demonstration zum Rat des Kreises von ihnen durchgeführt werde. Ebenfalls wurden Versuche unternommen, die Belegschaft der anderen Betriebe aufzufordern, gleichfalls an der Demonstration teilzunehmen. Diese Versuche konnten zerschlagen werden, indem sämtliche Telefonzentralen in den anderen Betrieben durch Volkspolizisten und klassenbewußte Genossen besetzt wurden. Alle Gespräche wurden nur zum Parteisekretär oder Betriebsleiter gelegt. Die Eingänge wurden hermetisch durch die VP abgeriegelt, so daß keine fremden Personen das Werk betreten konnten.

Die Forderung der Arbeiter in Lowa, welche durch eine Anzahl von Provokateuren aufgeputscht worden waren, wurden immer hartnäckiger. Erst durch das Eingreifen der Sowjet-Armee, welche mit Transportwagen vor dem Werkeingang vorfuhren, konnte erreicht werden, daß eine Demonstration zur Stadt nicht ausgelöst wurde.

Trotzdem wurde die Arbeit im Betrieb nicht aufgenommen. Im Gegenteil, es wurden Stimmen laut, die erklärten: Die Russen sollen verschwinden, wir schaffen hier selber Ordnung und dergleichen. Von Seiten des Bezirks- und Ortskommandanten wurde erklärt, daß die Belegschaft unverzüglich die Arbeit aufzunehmen hätte, erst dann wäre eine Möglichkeit geschaffen, um mit einer Delegation zu verhandeln. Gegen 12.00 Uhr wurde die Arbeit formal wieder aufgenommen. Daraufhin wurde mit der gebildeten Delegation verhandelt.

Hier trat man zuerst mit den alten Forderungen auf, ließ sich aber durch die Standhaftigkeit der Instrukteure der Partei sowie Funktionären des Staatsapparates davon überzeugen, daß die Forderungen vom Vormittag - Sturz der Regierung usw. - nicht aufrecht erhalten werden könnten. Da die Provokateure, welche in der Delegation mit anwesend waren, sahen, daß sich ihre Position erheblich verschlechtert hatte, stellten sie neben anderen jetzt die Forderungen, daß gegen die Personen, die sich am Streik beteiligt hatten, nichts unternommen wird. Ebenfalls erklärten sie sich noch solidarisch mit den Bauarbeitern der Stalin-Allee.

Bei diesem Streik traten besonders elf Belegschaftsmitglieder als Provokateure in Erscheinung. Dieselben wurden namentlich festgehalten und in der darauf folgenden Nacht durch die VP verhaftet.

Am 19.6.53 fand nach Bekanntwerden der Verhaftung einiger Provokateure aus der Belegschaft wiederum ein Aufwirbeln des Streiks statt, und es wurde gefordert, daß bis 12.00 Uhr die Verhafteten freizulassen seien, anderenfalls sie ihren Protest durch die Demonstration in die Stadt zum Ausdruck bringen wollen. Gleichzeitig wurde der Versuch unternommen, alle Betriebe zur Solidaritätsaktion aufzurufen. Dieses konnte durch hermetische Überwachung einzelner Betriebe verhindert werden.

Auf Grund der Verhinderung und der Erklärung, daß die VP von der Schußwaffe Gebrauch machen würde, wenn die Belegschaft das Fabrikgelände zur Demonstration verlassen würde, fand die Demonstration nicht statt. Die Arbeiter gingen gegen 12.00 Uhr dazu über, die Arbeit wieder aufzunehmen.

In den Kreisen Arnstadt, Worbis, Heiligenstadt, Sondershausen und Eisenach kam es zu keinen größeren Ausschreitungen. In den EMW-Werken Eisenach wurde zwar ein zweistündiger Streik durchgeführt. Jedoch nach Aufklärung nahmen die Arbeiter die Arbeit wieder auf, zu nennenswerten Zwischenfällen ist es nicht gekommen.

Der Schwerpunkt der gegnerischen Provokation sollte Erfurt sein. Alle eingegangenen Informationen ließen darauf schließen, daß von den Provokateuren in Erfurt ähnlich wie in anderen größeren Städten der DDR Massendemonstrationen und Ausschreitungen durchgeführt werden sollten.

Geplant war, daß von den im Norden liegenden Betrieben wie SAG Pels mit anderen Erfurter Großbetrieben - RFT, Optima - eine Demonstration in das Innere der Stadt erfolgen sollte. Zuerst traten die Arbeiter des SAG Pels in den Streik. Sofort nach Bekanntwerden dieser Tatsache wurde durch starke Kräfte der Volkspolizei und der KVP und späterhin der Freunde der Betrieb abgeriegelt und den Arbeitern erklärt, daß jeder, der den Betrieb zwecks Demonstration verlassen sollte, als Provokateur behandelt wird. Ähnliche Maßnahmen wurden in den VEB Optima und RFT Funkwerk durchgeführt.

In den Betrieben selbst wurden außerdem Agitationsgruppen der Partei eingesetzt. Die Bevölkerung wurde durch Rundfunkwagen und Stadtfunk zu Ruhe und Ordnung aufgerufen und gleichzeitig durch den Stadtkommandanten der Ausnahmezustand ausgerufen. Im Stadtzentrum, den wichtigsten Gebäuden und Verkehrsknotenpunkten, patrouillierten starke Kräfte der VP und KVP. Durch diese Maßnahmen wurde erreicht, daß in den Abendstunden, bis auf geringe Ausnahmen, die Arbeiter die Arbeit wieder aufnahmen.

Die Haupträdelsführer wurden durch die Organe der VP und Staatssicherheit festgenommen. Die Festnahmen erfolgten zum Teil aus der Menge heraus.

Ebenfalls wurde ein in den Morgenstunden des 19.6.53 geplanter Streik der Straßenbahner Erfurts vereitelt. Auch hier schirmten starke Kräfte der Mot. Schutzpolizei mit der WE die beiden Straßenbahndepots ab, und den Arbeitern wurde erklärt, daß jeder, der das Depot verläßt, bzw. an den Straßenbahnwagen Beschädigungen durchführt, als Provokateur zur Rechenschaft gezogen würde. Nach eineinhalb Stunden war der normale Straßenbahnbetrieb in Erfurt wieder hergestellt.

Die eingeleiteten Maßnahmen zur Verhinderung des Eisenbahnerstreiks werden an anderer Stelle dieses Berichtes ausführlich geschildert.

Alle Maßnahmen der Volkspolizei waren darauf ausgerichtet, die in den Großbetrieben ausgebrochenen Streiks zu beseitigen und die Arbeiter dazu zu bewegen, die Arbeit unverzüglich wieder aufzunehmen. In der weiteren Folge waren die Maßnahmen darauf gerichtet, daß auf jeden Fall Demonstrationen der streikenden Arbeiter aus den Betrieben heraus verhindert werden, welches auch der Volkspolizei in Zusammenarbeit mit der Partei und den Genossen der KVP gelungen ist. Neben dem Einsatz von starken Agitatorengruppen der Partei wurde nach vorheriger Absprache mit der Partei die Anzahl von VP-Angehörigen unter straffer Führung eingesetzt, die erforderlich war, um sich die notwendige Autorität zu verschaffen.

Durch geschlossenes und diszipliniertes Auftreten der Volkspolizisten und der Genossen der KVP wurden in jedem Falle die gegebenen Anweisungen befolgt. Diesen von der Volkspolizeiführung getroffenen Maßnahmen zufolge war es den Provokateuren und Rädelsführern nicht möglich, die in Erfurt geplanten Unruhen durchzuführen. Allen Einsätzen der Volkpolizei und der KVP ging eine eingehende Lagebesprechung beim erweiterten Operativstab voraus, an der in jedem Falle der 1. Sekretär der Bezirksleitung der SED oder dessen Vertreter sowie die Verbindungsoffiziere der KVP teilnahmen.

Der erweiterte Operativstab überzeugte sich auch durch Einsatz von Instrukteuren über die von den Amtsleitern der VPKÄ getroffenen Maßnahmen und kontrollierte gleichzeitig die strenge und gewissenhafte Durchführung der von der Polizeiführung gegebenen Befehle und Anweisungen und veranlaßte, daß den VPKÄ bei Bildung von Schwerpunkten die notwendige Hilfe zuteil wurde. Dieses bezieht sich ganz besonders auf das VPKA Erfurt, da festgestellt wurde, daß durch die Rädelsführer und Provokateure geplant war, in Erfurt die gleichen Vorkommnisse zu inszenieren wie in Berlin.

In diesem Zusammenhang muß erwähnt werden, daß an diesen Lagebesprechungen auch die Verbindungsoffiziere der Bezirkskommandantur sowie die Verbindungsoffiziere der SKK teilnahmen. In der Ausarbeitung konkreter und gemeinsamer Einsatzpläne wurden der Polizeiführung von den Freunden wertvolle Hinweise gegeben.

In der Nacht vom 17. zum 18.6.53 wurde über den Bezirk Erfurt der Ausnahmezustand verhängt. Für die Stadt Erfurt wurde der Ausnahmezustand von dem Chef der Garnison Erfurt ausgesprochen, während in den Kreisstädten der Ausnahmezustand von den zuständigen Kreiskommandanten ausgesprochen wurde. In Zusammenarbeit mit der Partei wurden die gedruckten Plakate in den Morgenstunden des 18.6. durch die Mot. Schutzpolizei zum Aushang gebracht. Die einzelnen Befehle über den Ausnahmezustand waren wohl im Text gleichlautend, jedoch waren Unterschiede aufzuweisen bezüglich der Beschränkung des Ausgangs und der Durchführung von Veranstaltungen.

In Erfurt z.B. wurde auf Grund der bisherigen Lage eine Beschränkung des Aufenthaltes auf der Straße ab einer festgesetzten Uhrzeit nicht auferlegt, während zum Beispiel in Weimar auf Grund der Vorkommnisse im VEB Mähdrescherwerk Weimar, wo die Arbeiter eine Demonstration durchführen wollten, von dem Kreiskommandanten jeglicher Verkehr ab 21 Uhr verboten wurde.

Auf Grund des Ausnahmezustandes machte es sich erforderlich, daß strenge Kontrollen durchgeführt wurden. Es wurde deshalb angewiesen, daß in Erfurt sofort bei Tag und Nacht Straßenkontrollen durchgeführt wurden. Es wurde Anweisung gegeben, daß jedes Fahrzeug und jeder Passant genau zu kontrollieren ist. Diese Straßenkontrollen erstreckten sich gleichzeitig auf Personen mit Fahrrädern, Krädern, Fuhrwerken aller Art usw.

Da am 18.6.53 gegen 15.00 Uhr bekannt wurde, daß einige Provokateure in den sogenannten Nicky-Hemden auf dem Anger in Erfurt provozierten und sich dort eine Menschenmenge versammelte, wurden sofort in Zusammenarbeit mit der KVP alle Hauptstraßen der Stadt, alle Straßenkreuzungen, alle Verkehrsknotenpunkte mit Doppelposten bei Tag und Nacht besetzt.

Die Polizeiführung war entschlossen, jeden Widerstand und jede Provokation gegen die bestehende Ordnung mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln zu brechen, um solche und ähnliche Vorkommnisse, wie sie sich in Berlin ereignet hatten, in Erfurt auf jeden Fall zu verhindern. Deshalb wurde Wert darauf gelegt auf eine einheitliche straffe Führung und auf einen koordinierten schwerpunktmäßigen Einsatz der zur Verfügung stehenden Kräfte, Regelung klarer Unterstellungsverhältnisse und der Befehlsgewalt. Alle Volkspolizisten wurden durch die Politorgane, durch die Parteisekretäre und durch die Amtsleiter wiederholt auf die strengste Durchführung der gegeben Befehle und auf ein äußerst diszipliniertes und bestimmtes Auftreten belehrt.

Auf Anweisung einer höheren Dienststelle wurde vom Chef der BDVP Erfurt der Befehl Nr. 21/53 erlassen, welcher folgendermaßen lautete:

"Auf Anweisung einer höheren Dienststelle befehle ich:
  1. Alle Provokateure, Saboteure, die sich im Laufe der Nacht und am morgigen Tage eines Angriffes auf Angehörige der Deutschen Volkspolizei, Staatsfunktionäre oder Herunterreißen von Emblemen der Deutschen Demokratischen Republik (z.B. Bilder von Wilhelm Pieck, Otto Grotewohl, des Genossen Stalin, sonstige Embleme und Transparente) schuldig machen, werden im Beisein der Massen erschossen, ohne Urteil.
  2. Es ist dabei streng darauf zu achten, daß nicht wahllos in die Massen geschossen wird, daß keine unschuldigen Kinder oder Frauen dabei getroffen werden, sondern die Täter sind durch einen kräftigen Stoß aus der Menge herauszuholen und auf der Stelle zu erschießen.
  3. Die im Laufe des heutigen Tages und des gestrigen Tages festgenommenen Personen, die als Haupträdelsführer erkannt sind, werden heute sofort nach Erfurt überführt und morgen früh erschossen.
  4. Wer sich einer Festnahme durch die Volkspolizei tätlich oder in einer anderen Form widersetzt, wird ohne Urteil erschossen.
Dieser Befehl ist allen Volkspolizisten sofort zur Kenntnis zu bringen. Nach Eintreffen dieses Befehles ist in allen Dienststellen die Alarmstufe III auszulösen. Die Zuführung der Inhaftierten und bereits in Haft befindlichen Personen nach Erfurt wird von der Staatssicherheit durchgeführt.

Den Operativgruppen der Freunde ist bei den morgen durchzuführenden Aufgaben alle erdenkliche Hilfe zu gewährleisten."

Dieser Befehl wurde sofort allen Volkspolizisten bekanntgegeben und hat im wesentlichen dazu beigetragen, die Schlagkraft der Volkspolizei zu erhöhen. Es sind keinerlei negative Diskussionen über diesen Befehl aufgetreten. Wenn auch im Verlaufe der Durchführung dieser Aktionen seitens der Volkspolizei von diesem Befehl kein Gebrauch gemacht wurde, weil die Volkspolizei in Zusammenarbeit mit der KVP auch ohne Anwendung der Schußwaffe jede Lage meistern konnte, so war doch der Bevölkerung bekannt geworden, daß die Volkspolizei auf jeden Fall die Ruhe und Ordnung herstellen würde.

Dieser Befehl hat auch im wesentlichen dazu beigetragen, daß sich eine ganze Zahl Provokateure und Rädelsführer ihre Handlungen überlegten.

Am 19.6.53 nachmittags gelang es der Volkspolizei in Erfurt, sieben Provokateure in den sogenannten Nicky-Hemden festzunehmen. Wer waren diese Provokateure in Erfurt, die zum Streik, zum Sturz unserer Regierung aufriefen? Sie stammen aus Erfurt und gingen vor längerer Zeit nach Westberlin. Von dort wurden sie vor etwa zwei Monaten nach Stalinstadt geschickt. Als Gelegenheitsarbeiter "arbeiteten" sie dort. Kurz vor dem Tage "X" tauchten sie unter, natürlich ohne Urlaubsmeldung und ohne polizeiliche Abmeldung, und gingen zu ihren Auftraggebern nach Westberlin. Hier wurden sie nach "amerikanischer Lebensweise" eingekleidet. Cowboyhemden, widerliche Boogie-Woogie-Binder, Ringelsöckchen, und dazu trugen sie einen Haarschnitt, den sie Stehkrause nennen.

Die Lage wurde am 19.6.53 bei der Lagebesprechung, bei der auch der 1. Bezirkssekretär der SED anwesend war, wie folgt beurteilt: In Absprache mit den Freunden der SKK werden die Werke Optima und Funkwerk mit je drei LKW-Freunden gesichert. Auf dem Domplatz, Anger und Bahnhofsplatz und allen größeren Plätzen in Erfurt stehen je 150 Mann KVP. Es wurde festgelegt, wenn in einer Stunde nicht Ruhe in Erfurt ist, daß demonstrativ Panzer im Stadtgebiet Erfurts in Erscheinung treten. Gleichzeitig wird angeordnet, daß in ununterbrochener Folge vom Stadt-, Betriebs- und HO-Funk die Bevölkerung und Betriebe aufgefordert werden, Ruhe und Ordnung zu bewahren.

Außerhalb des Betriebes wird nicht mehr diskutiert, sondern entsprechende Maßnahmen durchgeführt. Diese Maßnahmen machten sich erforderlich, weil am 19.6. die Straßenbahner, VEB RFT Funkwerk, SAG Pels, Erfurt und VEB Optima Erfurt streikten.

Mit der KVP wurde abgesprochen, daß die Stadt Erfurt an den Knotenpunkten mit starken Kräften zu besetzen ist. Es werden besetzt: Hauptbahnhof Richtung Güterbahnhof, Hauptbahnhof Richtung Bahnhofstraße bis Anger, Anger bis HO-Kaufhaus und weiter bis zum Domplatz, außerdem bis zum Karl-Marx-Platz. Weiter vom Domplatz, Haftanstalt bis zur Nordhäuser Straße und Domplatz bis zum RFT-Funkwerk, außerdem die Strecke Straßenbahndepot, Stalin-Allee und Strecke Straßenbahndepot bis Nordhäuser Straße.

Am 19.6. erließ die Bezirksleitung Erfurt der SED einen Aufruf an alle Mitglieder und Kandidaten der SED im Bezirk Erfurt. Ebenso erließ der Rat des Bezirkes Erfurt einen Aufruf an alle Einwohner des Bezirkes Erfurt. Der FDGB im Bezirk Erfurt erließ einen Aufruf an alle Mitglieder und Funktionäre des FDGB.

Auf Grund der sich in Erfurt entwickelten Lage wurde durch Befehl des Chefs der Garnison der Stadt Erfurt der Ausnahmezustand dahingehend geändert, indem jeglicher Verkehr von Fußgängern sowie der Verkehr von Kraftfahrzeugen und anderen Fahrzeugen von 21.00 - 05.00 Uhr verboten wurde.

Am 19. abends wurde bei der Lagebesprechung die Lage wie folgt beurteilt: Die Situation im Bezirk ist voll übersichtlich. Wir haben ca. 180 Festnahmen. Weiterhin können wir sagen, daß der Gegner seinen Hauptschlag nicht ausführen konnte in der Form, wie er es wollte. Verkehrsstreik hat nicht geklappt, ebenso nicht der Streik der Eisenbahner, der organisiert werden sollte ausgehend von Sangershausen.

Der Versuch, in Erfurt von Erfurt Nord über das Arbeiterviertel nach der Stadt zu einen Aufstand zu inszenieren, ist zum Scheitern gebracht. Es ist festgestellt worden, daß sich die Bevölkerung von den Rädelsführern und Provokateuren distanziert. Der Tag X des putschistischen Aufstandes scheint immer aussichtsloser zu werden. Die Formen des Kampfes haben sich immer mehr gewendet. Von den ökonomischen Forderungen wurde übergegangen zu politischen Forderungen (Absetzung der Regierung usw.) und dann wieder zu ökonomischen Forderungen. Die Arbeiter haben teilweise eingesehen, daß man diese Forderungen nicht mehr stellen kann. Das Neue an der Lage ist, daß der Gegner die letzten Reserven in den Kampf wirft. Beispiel: Fallschirmspringer Sondershausen - Berga.

Anmerkung: Am 19.6.1953, 14.53 Uhr, wurde durch Hinweis bekannt, daß ein Fallschirmspringer 5 km von Sondershausen in Richtung Berga niedergegangen ist. In Absprache mit der Deutschen Grenzpolizei wurden sofort 30 Genossen der Deutschen Grenzpolizei eingesetzt. Um 18.20 Uhr wurde vom VPKA-Leiter des VPKA Nordhausen gemeldet, daß der Fallschirmspringer festgenommen wurde und sich beim VPKA Sangershausen befindet, wo er der Sowjet-Armee übergeben wird.

Der 1. Sekretär des Bezirkes wurde von den Freunden autorisiert, mitzuteilen, was der Saboteur und Agent ausgesagt hat: "In dieser Nacht sollen links- oder rechtsseitig von der regulären Flugbahn, d.h. von der Fluglinie Frankfurt/Main, Eisenach, Sömmerda und dann nach Sachsen-Anhalt hinein Spezialisten und Waffen abgeworfen werden." Gegner geht mit dieser Taktik dazu über, zum Terror zu kommen.

Welches sind unsere Aufgaben?
  1. Auf sämtlichen Ämtern höchste Alarmstufe beibehalten.
  2. Sämtliche Ämter aufmerksam machen, Luftbeobachtungen in engster Zusammenarbeit mit den Freunden durchzuführen.
  3. Sämtliche Orte zu kontrollieren, wer sich auf den Straßen herumtreibt. Jeder Ortsfremde, der sich in dieser Nacht draußen bewegt und nicht ausweisen kann, wird festgenommen.
Von der Partei wurde angeordnet, daß sich die 1. Kreissekretäre um 20.00 Uhr auf den VPKÄ melden sollen, damit der VPKA-Leiter die ersten Kreissekretäre von den Absichten des Gegners unterrichten kann. Die Partei hat weiter angeordnet, daß die Häuser der Partei und Massenorganisationen diese Nacht mit dem gesamten Personal besetzt sind. Die Partei ist dafür, daß die VPKA-Leiter sich in jeder Kreisstadt je nach Abmachung mit dem 1. Kreissekretär eine Anzahl qualifizierter Genossen als weitere Polizeihelfer zur Verfügung stellen lassen zwecks Bildung von Reserven. Die Partei ist der Meinung, daß die 1. FDJ-Sekretäre der Kreise ebenfalls angewiesen werden, qualifizierte FDJler der VP zur Verfügung zu stellen. Diese Genossen stehen unter der einheitlichen Führung der Volkspolizei. Es darf praktisch keinen Ort geben, wo nicht diese Nacht seitens der Partei und der Volkspolizei Alarmbereitschaften gehalten werden.

An die VPKÄ wurden die dementsprechenden Befehle erlassen. Für das Stadtgebiet von Erfurt wurde verstärkter Streifendienst angeordnet.

In der Nacht vom 19. zum 20.6. wurde der 2. Fallschirmspringer festgenommen (Nordhausen). Er wurde der Sowjet-Armee übergeben. Dieser Fallschirmspringer hat das Adressenmaterial preisgegeben, auch von den Provokateuren, die aufgesucht werden sollten und von denen die Springer weitere Anweisungen erhalten sollte. Die Festnahme der Provokateure wurde sofort veranlaßt.

Auf Grund der Lagebesprechung wurde am Abend des 19.6. befohlen, Zweiteilungsdienst aufzuheben und A III angeordnet. Anweisung an sämtliche VPKÄ erteilt, Luftbeobachtungen in engster Zusammenarbeit mit den sowjetischen Freunden durchzuführen. Außerdem wurde Anweisung gegeben, daß sämtliche VP-Helfer zum Einsatz kommen. Durchführung von strengen und verstärkten Kontrollen, die sich auf Fahrzeuge und Personen erstrecken. Bei Personen, die sich nicht ordnungsgemäß ausweisen können, hat sofort Festnahme zu erfolgen. Verstärkte Bewachung der Brücken, Eisenbahnen, Dienstgebäude usw.. Anweisung an die VPKÄ, in Zusammenarbeit mit den 1. Kreissekretären eine Anzahl qualifizierter Genossen als weitere VP-Helfer und zur Füllung der Reserven einzusetzen. Ebenso sind in Zusammenarbeit mit den 1. FDJ-Sekretären qualifizierte FDJler zur Verfügung zu stellen. Einsatz sämtlicher Genossen der BDVP Erfurt zur Objektbewachung und Streifentätigkeit im Stadtgebiet Erfurt. Einsatz von motorisierten Streifen.

Die Lage am 26.6.1953 (vermutlich Schreibfehler; gemeint ist wahrscheinlich der 20.6.1953, d.Hg.( wurde wie folgt beurteilt: Die Lage im Stadtgebiet von Erfurt sowie im Bezirk Erfurt selbst ist ruhig. Die Maßnahmen der VP werden von der Bevölkerung befolgt. Zu irgendwelchen Ausschreitungen, Zusammenrottungen oder Provokationen ist es nicht gekommen. Der Einsatz starker sowjetischer Truppenteile, Panzereinheiten usw. war nicht erforderlich. In allen Betrieben der Stadt Erfurt sowie des Bezirkes Erfurt wird zur Zeit gearbeitet. Die Verkehrslage ist normal, die geplanten Streiks bei den Erfurter Verkehrsbetrieben und der Eisenbahn kamen nicht zur Durchführung. Bei der verstärkt und streng durchgeführten Streifentätigkeit im Stadtgebiet Erfurt wurden 60 Personen festgenommen, die die festgesetzte Zeit des Straßenverkehrs auf Grund des Ausnahmezustandes überschritten hatten. Die eingeleiteten Maßnahmen seitens der Polizeiführung wurden weiterhin durchgeführt.

Am 21.6.1953, 10.30 Uhr, fand eine Lagebesprechung statt, an der wiederum der 1. Sekretär der Bezirksleitung der SED teilnahm. Die wesentlichsten Punkte der Lagebesprechung waren: Die Ruhe und Ordnung ist überall im Gebiet der DDR und im sowj. Sektor von Berlin hergestellt. Die Verhältnisse sind normal, die Arbeit wurde überall aufgenommen. Aus dieser Feststellung ergibt sich die Tatsache für die Partei, daß es jetzt notwendig ist, das Bewußtsein unserer Menschen schnellstens zu verändern, besonders durch die Tätigkeit unserer Partei, FDJ-Organisation, BGL in Betrieben und auf dem Lande.

Die Putschisten werden weiterhin versuchen, Unruhe unter die Werktätigen zu tragen, was seinen Ausdruck darin finden kann, daß man zu offenem Terror übergeht. Das bedeutet verstärkten Schutz durch Streifen, besonders bei den Wohnungen unserer verantwortlichen Funktionäre. Der Gegner wird weiterhin versuchen, unsere Werktätigen in den Betrieben aufzufordern, in den Sitzstreik zu treten. Dabei ist besonders darauf zu achten, daß der für Dienstag, den 23.6.1953, vorgesehene "Trauertag" der Westberliner Agentenzentrale beobachtet wird, um festzustellen, was in den Betrieben vorgeht, ob evtl. Gedenkminuten, Heulen von Sirenen usw. durchgeführt werden.

Besonders wird es Aufgabe der Partei sein, nach Aufhebung des Ausnahmezustandes, welcher wahrscheinlich nicht mehr allzu lange dauern wird, eine gute politische Aufklärungsarbeit zu leisten.

Um allen Volkspolizisten die Möglichkeit zu geben, sich etwas auszuruhen, wurde die A III in der Form gelockert, daß den VP-Angehörigen wenigstens für drei Stunden Freizeit zu gewähren ist.

In der politisch-ideologischen Erziehungsarbeit wird es besonders wichtig sein, darauf hinzuweisen, daß das feste Vertrauen der Werktätigen gegenüber der Staatsmacht und der VP gefestigt bzw. wiederhergestellt wird. Das bedeutet für alle Volkspolizisten ein korrektes, diszipliniertes, sauberes und höfliches Auftreten gegenüber allen Schichten der Bevölkerung. Die Durchführung einer Dienstbesprechung mit allen VPKA-Leitern wird z.Zt. nicht für erforderlich gehalten, da es wichtig ist, daß die VPKA-Leiter sich in ihren Dienststellen aufhalten. Die VPKA-Leiter wurden bereits durch die Leitung der BDVP über die augenblickliche Lage informiert. Festgelegt wurde weiterhin, daß bis Mittwoch vier Volkspolizisten den Schutz der Auslieferung unserer Presse vornehmen.

Zur verschärften Durchführung der Kontrolle von Fahrzeugen und Personen wurde am 21.6.1953, 11.15 Uhr, an sämtliche KVP-Posten eine Anweisung herausgegeben, die auch gleichzeitig Gültigkeit für die VP-Posten hatte. Mit dieser Anweisung sollte erreicht werden, daß die Kontrollen einheitlich und äußerst genau durchgeführt werden.

Es wurde befohlen:
  1. Sämtliche Fußgänger und Fahrzeuge von und nach Erfurt sind zu kontrollieren
    a) zur Person: die Ausweispapiere
    b) zu den Fahrzeugen: die Fahrzeugpapiere und die Ladung
    c) bei größeren Omnibussen sind Stichproben nach Personalausweis durchzuführen unter Berücksichtigung der Person (alte Frauen usw.)
  2. Sicherung:
    a) Bei Posten ohne sowjetische Freunde ein Mann als Sicherung. Karabiner im Anschlag, durchgeladen und gesichert. Stand des Sicherungspostens: Schräg vom Fahrzeug, nach Möglichkeit in gedeckter Stellung; Schußfeld muß frei sein.
    b) Bei Kontrollen mit sowjetischen Freunden übernehmen diese die Sicherung.
  3. a) Bei Fahrerflucht ist sofort von der Schußwaffe ohne Warnschuß Gebrauch zu machen. In erster Linie ist auf die Reifen zu zielen. Das Fahrzeug ist unter allen Umständen zum Halten zu bringen.
    b) Stehen Kräder zur Verfügung, haben diese die Verfolgung aufzunehmen. Das gleiche gilt für Personen und Fahrzeuge, die den Kontrollpunkt zu umgehen versuchen.
  4. Wo zwei Doppelposten vorhanden sind, sind diese mit einem entsprechenden Abstand an der Straße aufzustellen, so daß nach beiden Seiten die Kontrolle durchgeführt werden kann. Nach Möglichkeit sind die Posten so aufzustellen, daß jeder Doppelposten einen Karabiner und eine MPi besitzt.
  5. Streifenposten, die bis jetzt nur vorübergehend zur Verkehrskontrolle eingesetzt wurden, sind von dem zuständigen Offizier als Dauerposten den Kontrollen zuzuteilen, ohne daß dadurch die Sicherung anderer Objekte gefährdet wird.
  6. Ablösungen haben nur zu erfolgen, wenn die neue Ablösung am Kontrollpunkt eingetroffen ist und über die Anweisungen belehrt wurde.
  7. Verantwortlich für die Ablösungen sind die zuständigen Offiziere.
  8. Innerhalb des Stadtgebietes werden die Fahrzeugkontrollen nur durch die dazu eingeteilten Streifen der Genossen der KVP übernommen.
Durch zusätzliche Anweisung seitens der KVP betreffs der Verstärkung und Sicherheit in der Frage der Verkehrsüberprüfung wurden 30 Kräfte am 21.6.1953, 14.00 Uhr, zum Einsatz gebracht, die insbesondere um die Außenposten von Erfurt stationiert wurden; da festgestellt wurde, daß verschiedene Möglichkeiten des Umgehens der Posten sich ergaben und Feldwege usw. benutzt wurden, wurde sofort Anweisung gegeben, daß an den bekannten Punkten zusätzlich Feldkontrollen durchgeführt wurden.

Am 21.6.1953, 18.20 Uhr, wurden aufgrund einer Information seitens der HVDVP die Genossen Amtsleiter angewiesen, sofort verstärkte Sicherungsmaßnahmen für Sendestationen, Benzin- und Sprengstofflager durchzuführen und diese Sicherungsmaßnahmen strengstens zu kontrollieren.

Die Genossen Amtsleiter wurden gleichzeitig angewiesen, sofort mit dem 1. Kreissekretär der Partei Rücksprache zu nehmen, damit eigene zur Verfügung stehende Kräfte der MTS und VEG sowie Genossen der Partei und andere fortschrittliche Kräfte den persönlichen Schutz der MTS übernehmen. Die Organisierung dieses Schutzes der MTS und VEG muß so erfolgen, daß immer genügend Kräfte bereitstehen, die evtl. Anschläge des Klassengegners in Form von Brandstiftungen usw. im Keime zu ersticken. In diesem Zusammenhang wurde von der Abteilung F für sämtliche Kommandos F und Betriebsfeuerwehren bis auf weiteres A III ausgelöst außer den Freiwilligen Feuerwehren. Es wurde angewiesen, daß die Objekte der F besonders zu bewachen und daß die Betriebsfeuerwehren in verstärktem Maße Kontrollen in den Produktionsbetrieben durchführen. Nach einem genau ausgearbeiteten Kontrollplan sind alle E-, Wasserwerke, Großtankstellen, d.h. Großtanklager und Schwerpunktbetriebe der Industrie und Landwirtschaft zu kontrollieren.

Bei der am 21.6.1953, 16.20 Uhr, durchgeführten Lagebesprechung stand im Mittelpunkt der geplante Streik bei der Reichsbahn. Die wesentlichsten Punkte dieser Lagebesprechung und die dabei festgelegten Maßnahmen waren: Nach genauen Informationen ist damit zu rechnen, daß voraussichtlich mit einer Streikbewegung, beginnend am Montag, den 22.6.1953, bei der Reichsbahn zu rechnen ist. Es ist deshalb darauf zu achten, daß die vorhandenen Reserven, die die Polit-Abteilung der Partei hat, selbst zu dem verstärkten Einsatz nach den vorliegenden Informationen herangezogen werden. Die Bewachung ist bei den einzelnen Objekten zu verstärken. Dabei muß darauf geachtet werden, daß nicht bei allen Objekten die Verstärkung durch uniformierte Einheiten geschieht. Selbstverständlich ist bei den entsprechenden Knotenpunkten eine Verstärkung der uniformierten Einheiten vorzunehmen. Und zwar bei den Hauptknotenpunkten der Reichsbahn. Der Schwerpunkt wird aller Voraussicht nach Erfurt sein.

Entscheidend ist, daß alles unternommen wird, um die Streikbewegung gar nicht erst aufkommen zu lassen. Das bedeutet eine Mobilisierung der Parteiorganisationen und umgehender Einsatz von Agitatoren usw.. Weiter muß dafür gesorgt werden, daß von Seiten der Volkspolizei ein verstärkter Schutz der Objekte organisiert wird. Es muß jedoch dafür gesorgt werden, daß dieser Schutz nicht von Uniformierten durchgeführt wird - nach Möglichkeit in Zivil - . Natürlich müssen die Einheiten der Volkspolizei bei den Objekten bereitliegen, um auf dem kürzesten Wege die entscheidenden Objekte besetzen zu können.

Das schließt nicht aus, daß von vornherein besondere Knotenpunkte besetzt werden und jetzt schon bestimmte Einheiten Aufstellung nehmen können. Es muß sofort eine Rücksprache durchgeführt werden mit der Partei und mit der Polizei-Führung mit dem Gen. F., Präsident der Reichsbahn, daß auf jeden Fall die Parteiorganisationen in den einzelnen Objekten der Reichsbahn organisiert sind und zusammenstehen, daß nicht wie in Sömmerda usw. die Parteiorganisationen desorganisiert sind und nicht zusammenstehen. Es ist dafür zu sorgen, daß die Mitglieder der Partei auf jeden Fall ihre Arbeit fortsetzen. Wer sich also am Streik beteiligt, ist kein Parteimitglied!

Der Streik darf gar nicht erst aufkommen! Der Befehl: Während des Streiks wird nicht diskutiert, bleibt bestehen, es wird nicht diskutiert. Sich bildende Streikkomitees sind sofort festzunehmen ohne zu differenzieren.

Des weiteren müssen in allen Parteiorganisationen des Bezirks notwendige Reserven geschaffen werden, damit unterstützt werden kann. In der Bezirksleitung der SED ist sofort eine Besprechung durchzuführen mit dem Gen. Fischer, Präsident der Reichsbahn, sowie Vertretern der Polit-Abteilung der Reichsbahn und der Betriebsgewerkschaftsleitung der Reichsbahn und der DFJ. Ein Sekretariatsmitglied der Partei ist sofort abzustellen und hat ständigen Sitz bei der Polit-Abteilung der Reichsbahn. Mit der Partei und dem Operativstab der VP ist ständige Verbindung zu halten. Außerdem muß dieser Vertreter der Bezirksleitung natürlich Aufklärungsarbeit durch Entwicklung eigener Initiative durchführen. 100 Genossen werden aus der zentralen Parteischule in Erfurt zur Verfügung gestellt.

Zur Durchführung der beschlossenen Maßnahmen wurden sofort eingehende und gründliche Besprechungen mit der Trapo Erfurt und verantwortlichen Genossen der RBD Erfurt durchgeführt und die notwendigen Maßnahmen zur Verhinderung des Streiks festgelegt. Es wurde in Erwägung gezogen, ein Aufkommen des Streiks mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu verhindern. Von der Polizeiführung wurde erkannt, daß dieser geplante Streik ein empfindlicher Schlag des Klassengegners sein sollte, um ein erneutes Aufkommen von Unruhen und Streiks in die Wege zu leiten.

Am 22.6.1953, 00.10 Uhr, erhielt die erweiterte Operativabteilung von dem Anruf des Gen. Ulbricht an die Bezirkssekretäre Kenntnis, wonach ernste Meldungen über die Lage bei der Eisenbahn vorliegen. Als erste Maßnahme wurden die Sirenen bei der Reichsbahn in Erfurt ab 01.00 Uhr abgeklemmt. Lediglich die Weckanlage für die Hilfsmannschaften wurde aufrechterhalten. Ebenso wurde der Betriebsfunk dadurch gesichert, daß das gesamte Gebäude nur von Genossen besetzt wurde.

Gegen 03.15 Uhr erhielt der erweiterte Operativstab Kenntnis von der Mitteilung des Polit-Büros, wonach bei der Eisenbahn die Gefahr für Provokationen und Sabotage besteht. Nach dieser Mitteilung war folgendes zu veranlassen:

Die Bahnhöfe und Bahnhofsdepots sind durch Trapo und KVP zu sichern.

Bahnmeistereien für die BASA-Räume sind zu sichern.

Betriebsfremden ist der Zutritt zum Bahnhofsgelände unmöglich zu machen.

Alle Eisenbahnzüge werden mit Gruppen der Trapo besetzt und außerdem im 1. Wagen mit fünf KVP-Angehörigen.

Um 01.20 Uhr ging die Meldung vom ZK ein, daß alle Bahnhöfe und Züge zu besetzen sind.

Der bereits ausgearbeitete Einsatzplan, an dem die Verbindungsoffiziere der KVP maßgeblich beteiligt waren, wurde durchgeführt.

[...]

Der von den Rädelsführern und Provokateuren geplante Streik bei der Reichsbahn kam nicht zur Durchführung.

Im Zuge der weiteren Maßnahmen zur Sicherung lebensnotwendiger Betriebe machte es sich erforderlich, die notwendigen Maßnahmen zu treffen, damit die Sabotageversuche des Gegners auf jeden Fall verhindert werden. Bei der am 23.6.1953 durchgeführten Lagebesprechung, an der der 1. Sekretär der Bezirksleitung der SED, ein Verbindungsoffizier der KVP und der Verbindungsoffizier der Trapo, der Verbindungsoffizier des MfS und die Genossen Vertreter der Reichsbahn sowie alle Angehörigen des erweiterten Op-Stabes teilnahmen, wurden im wesentlichen folgende Punkte besonders beachtet: Es ist notwendig, die Brücken jetzt besser zu bewachen. Aus dem Verkehrswesen muß ein Fachmann benannt werden, der die wichtigsten Stellen in den Verkehrsbetrieben benennen kann. Es kommt weiter darauf an, Lebensmittellager, Treibstofflager usw. besser zu bewachen.

[...]

Am 23.6.1953. 9.20 Uhr, wurde bei einer durchgeführten Lagebesprechung festgelegt, daß der Dienst der KVP wieder zu normalisieren ist, allerdings unter Einhaltung strengster und erhöhter Einsatzbereitschaft. Für die Stadt Erfurt wurde festgelegt, daß die KVP auch weiterhin besetzt: Das Telegrafenamt, Wasserwerk Steiger und Cyriaksburg, E-Werk, Straßenbahndepot, Bahnhofsgelände, Bezirksleitung der Partei, Hauptbahnhof Erfurt. Um 13.00 Uhr wurde für die Angehörigen der BDVP Erfurt die A III aufgehoben und A II befohlen. Der Dienst in der BDVP wurde normalisiert jedoch unter Beachtung dessen, daß auch des Nachts mindestens 25 % der VP-Angehörigen in jeder Abteilung anwesend sind.

Am 24.6.1953, 24.00 Uhr, wurde durch die Bezirkskommandantur der Ausnahmezustand im Bezirk Erfurt aufgehoben. Von der VP-Führung wurde dazu angeordnet, daß die befohlenen Sicherungsmaßnahmen und Streifentätigkeit noch weiterhin durchzuführen sind.

Am 25.6.1953 wurde bei allen VPKÄ die Alarmstufe III aufgehoben, A II befohlen und der Zweiteilungsdienst eingeführt.

Am 26.6.1953 wurde für alle VPKÄ die Alarmstufe II aufgehoben. Es wurde angeordnet, daß in Zusammenarbeit mit der Partei zu erwirken ist, daß in den Betrieben ein Selbstschutz auf breitester Grundlage zu organisieren ist, so daß erreicht wird, daß verantwortliche Genossen und zuverlässige Arbeiter in den Produktionsbetrieben den Schutz der Betriebe übernehmen. Durch die Volkspolizei ist dabei diesem Selbstschutz die größtmögliche Hilfe zu gewähren, ebenso die notwendige Anleitung zu geben. Es wurde Befehl gegeben, daß bei den VPKÄ je nach Größe derselben eine Einsatzreserve geschaffen wird, deren schnellster Einsatz bei Tag und bei Nacht möglich ist.

Seitens der Polizeiführung wurden umfangreiche Fahndungsmaßnahmen eingeleitet, die durch Instrukteure der BDVP kontrolliert und angeleitet werden. Durch diese Fahndung soll erreicht werden, daß die sich im Bezirk herumtreibenden, aus anderen Bezirken entwichenen Häftlinge wieder festgenommen werden, und daß gleichfalls die flüchtig gewordenen Rädelsführer und Provokateure festgenommen werden können.

Im Zuge der durch die Volkspolizei seit dem 17.6.1953 zur Durchführung der Wiederherstellung der öffentlichen Ruhe und Ordnung getroffenen Maßnahmen wurden festgenommen:

Festnahmen insgesamt: 176 Personen
davon Bürger der DDR: 176 Personen
dem Militärkommandanten übergeben: 4 Personen
den Organen des MfS übergeben 142 Personen
den Gerichten übergeben: 2 Personen
bei der Volkspolizei verblieben: 10 Personen
wieder aus der Haft entlassen: 10 Personen

176 Personen

Die am 17.6.1953 eingeleiteten Maßnahmen zur Niederschlagung der faschistischen Provokation waren am 24.6.1953 für den Bezirk Erfurt abgeschlossen. Aufrechterhalten wurden die getroffenen Sicherungsmaßnahmen der lebenswichtigen Betriebe und Objekte unter gleichzeitiger Einleitung der Organisierung eines Selbstschutzes aus den Betrieben heraus.

Es muß festgestellt werden, daß alle Aktionen und Maßnahmen unter einer einheitlichen Leitung standen, und daß in jedem Falle die Lage beim erweiterten Operativstab klar und übersichtlich war. Durch die wertvollen Hinweise seitens der Partei und der Freunde der Bezirkskommandantur wurden die sich bildenden Schwerpunkte rechtzeitig erkannt, und in einer kameradschaftlichen und vorbildlichen Zusammenarbeit mit den Freunden der Bezirkskommandantur und den Genossen der KVP wurde erreicht, daß die Provokateure und Rädelsführer ihre Vorhaben im Bezirk Erfurt nicht ausführen konnten, und daß eine große Anzahl dieser Elemente durch die vorzügliche Arbeit der Abteilung K in Zusammenarbeit mit der Schutzpolizei und den Genossen der KVP festgenommen werden konnten.

Abgesehen davon, daß ein Teil dieser Festnahmen in der Nachtzeit erfolgte, sind aber auch eine große Anzahl der Rädelsführer und auch die Streikkomitees aus den Betrieben heraus festgenommen worden. Durch das disziplinierte und äußerst korrekte Auftreten der Volkspolizei in Zusammenarbeit mit der KVP wurden die Rädelsführer selbst aus größeren Menschenansammlungen heraus festgenommen. Diese Leistung verdient besondere Anerkennung und ist ein Beweis dafür, daß der Dienst aller an der Niederschlagung der faschistischen Provokation beteiligten VP-Angehörigen einschließlich der KVP in vorbildlicher Einsatzbereitschaft, diszipliniert und korrekt durchgeführt wurde.

Es muß bemerkt werden, daß es beim erweiterten Operativstab keine nennenswerten Meinungsverschiedenheiten oder Kompetenzfragen über Zuständigkeit gab. In jedem Falle wurde Wert auf eine klare Befehlsgebung und eine einheitliche Kommandogewalt gelegt. Dadurch wurde die Verantwortlichkeit der Offiziere der VP und der KVP in jedem Falle besonders herausgestellt und klare Verhältnisse geschaffen.

[...]

Schlußfolgerungen

Zusammenfassend ergab sich für den Bezirk Erfurt folgende Lage:

Die Provokateure legten ihr Schwergewicht auf die Großbetriebe und erreichten, daß eine Anzahl Arbeiter die Arbeit niederlegten und streikten. Der Plan der Provokateure war, diesen Streik dahingehend auszunutzen, daß die Arbeiter Massendemonstrationen durchführen sollten, um damit eine Atmosphäre der größten Unsicherheit zu schaffen. Als Schwerpunkt der gegnerischen Provokationen war Erfurt vorgesehen. Die Auswertung der eingegangenen Informationen ergab, daß von den Provokateuren in Erfurt, ähnlich wie in anderen größeren Städten der DDR, Massendemonstrationen und Ausschreitungen durchgeführt werden sollten. Geplant war, daß von den im Norden liegenden Betrieben wie SAG Pels mit anderen Erfurter Großbetrieben (RFT Funkwerk, Optima) eine Demonstration in das Innere der Stadt erfolgen sollte.

Die Gesamtzahl der Streikenden im Bezirk Erfurt betrug 31.400 Personen. An den Demonstrationen beteiligten sich ca. 10.600 Personen. Diese Zahlen beweisen die große Gefahr, die für die allgemeine Sicherheit und Ordnung bestand. Deshalb war sich die Polizeiführung darin einig, daß auf alle Fälle die angezettelten Streiks auf die einzelnen Betriebe lokalisiert werden mußten, und daß durch dementsprechende Maßnahmen verhindert wurde, daß die streikenden Arbeiter auf die Straße gingen.

Die Polizeiführung war sich darin im Klaren, daß die Einsätze zur Niederschlagung des faschistischen Putsches von einer zentralen Stelle aus gelenkt und geleitet werden, und daß alle operativen Maßnahmen in kollektiver Zusammenarbeit mit allen mit der Aufgabe der Herstellung der Ruhe und Ordnung beauftragten Dienststellen erfolgen müßte.

Deshalb wurde sofort bei Bekanntwerden der ersten Vorkommnisse bei der Bezirksbehörde der Volkspolizei ein erweiterter Operativstab gebildet. Die Leitung hatte der Chef der BDVP. Zu diesem erweiterten Operativstab gehörten ferner:

Leitende Offiziere der KVP,
Mitglieder des Sekretariats der Bezirksleitung SED,
der Stellvertreter Allgemein,
der Stellvertreter PV,
Abteilungsleiter - K -,
Abteilungsleiter - S -,
der Leiter des Operativstabes,
ein Vertreter der Trapo,
ein Vertreter der Reichsbahn,
ein Vertreter des Energiebezirks und
der 1. Sekretär der Bezirksleitung SED.

Zu dem Ministerium für Staatssicherheit sowie zu dem 1. Vorsitzenden des Bezirksrates bestand eine enge Verbindung, so daß auch auf diesem Wege die erforderlichen Maßnahmen in den Lagebesprechungen koordiniert werden konnten. Durch einen Befehl des Chefs der BDVP war angeordnet, daß sich alle Gen. Abteilungsleiter oder deren Vertreter jederzeit bei Tag und Nacht auf der Dienststelle der BDVP aufzuhalten haben, so daß die erforderlichen fachlichen Aufgaben sofort eingeleitet werden konnten.

In diesem Zusammenhang muß auch erwähnt werden, daß die Gen. Volkspolizei-Kreisamtsleiter oder deren Stellvertreter sich ebenfalls auf Befehl des Chefs der BDVP ständig bei Tag und Nacht auf dem Amt aufzuhalten hatten, so daß die Befehle des erweiterten Operativstabes sofort an verantwortliche Offiziere des Volkspolizei-Kreisamtes weitergegeben werden konnten.

Durch Anordnung des 1. Bezirkssekretärs der SED war gewährleistet, daß alle einlaufenden Meldungen auf dem Parteiwege sofort dem Leiter des Operativstabes zur Kenntnis gelangten. Daraus resultiert die Tatsache, daß alle größeren Aktionen des Gegners im Bezirk rechtzeitig erkannt und vor allem sofort Gegenmaßnahmen eingeleitet werden konnten.

Es muß festgestellt werden, daß dieser erweiterte Operativstab unter Leitung des Chefs der BDVP bzw. seiner Stellvertreter eine wirklich kollektive Zusammenarbeit leistete, und daß durch eine straffe Befehlsgebung jeder Einsatz der erforderlichen Kräfte zur Verhinderung von Massendemonstrationen in einer vorherigen Lagebesprechung genauestens koordiniert wurde.

Die Zusammenarbeit mit dem Operativstab war gut, so daß in allen Fragen Einmütigkeit herrschte und alle Genossen die große Aufgabe erkannten, die von den Rädelsführern und Provokateuren angezettelten Streiks und Unruhen im Keime zu ersticken.

Eine einzige Ausnahme machten lediglich die Vertreter der Transportpolizei, und zwar der VP-Rat E. und der VP-Kdr. D., die mehrere Male versuchten, die gemeinsame Linie durch kleinere Kompetenzstreitigkeiten, durch formale Auslegung der Dienstanweisungen und Befehle zu durchkreuzen.

Ähnlich verhielt es sich bei dem Reichsbahnpräsidenten Fischer und dem Stellv. PV Gen. M. Erst nach einer scharfen Aussprache mit dem Chef der BDVP und dem Vertreter der Trapo bzw. Reichsbahn-Direktion und durch Eingreifen des 1. Bezirkssekretärs der SED wurden diese Schwierigkeiten beseitigt. (Weitere Ermittlungen laufen z.Zt. und werden nach Abschluß nachgereicht).

Aus dieser Tatsache muß die Schlußfolgerung gezogen werden, daß bei künftigen derartigen Einsätzen die Aufstellung und die Arbeit eines solchen Operativ-Stabes von entscheidender Bedeutung für das Gelingen eines Einsatzes überhaupt sein wird.

Wichtig und entscheidend für das Gelingen der volkspolizeilichen Maßnahmen war ferner der Einsatz schnell beweglicher mot. Kräfte. Bei der Zerschlagung der faschistischen Provokation, insbesondere bei den Schwerpunkten Pels Erfurt, Waggonbau Weimar, Straßenbahndepot Erfurt sowie bei der Sicherung der Zufahrtstraßen des Stadtgebietes von Erfurt hat sich die Mot. Schutzpolizei große Verdienste erworben. Seit dem 17.6.53 frühmorgens befand sie sich im unermüdlichen Einsatz ohne jegliche Ruhepause. Insgesamt wurden elf Provokateure durch die Angehörigen der Mot. Schutzpolizei festgenommen.

Nach Ansicht der Polizeiführung der BDVP Erfurt müssen die mot. Kräfte künftig wesentlich verstärkt und fahrzeugmäßig sowie in technischer Hinsicht besser ausgerüstet werden. Aus diesem Grunde erfolgte bei der BDVP Erfurt die Erhöhung des mot. Zuges stärkemäßig auf 30 VP-Angehörige, Bewaffnung mit Maschinenpistolen und Einsatz von neuen Kübelwagen.

Von entscheidender Bedeutung ist weiterhin bei derartigen Großeinsätzen das Funktionieren der Nachrichtenverbindung. Tatsache ist aber, daß bei Beginn des Tages X von der BDVP Erfurt zur HVDVP nur noch eine Hauptleitung bestand, während eine andere wie die Fernschreibverbindung anfangs ausgefallen war. Der Gegner wird bei derartigen Anlässen immer versuchen, Nachrichtenverbindungen zu stören, um somit eine Befehlsübermittlung und den schnellen Einsatz von Kräften unmöglich zu machen.

Hier muß nach Meinung der BDVP Erfurt die Schlußfolgerung gezogen werden:

schnellstens wieder Funkverbindung zwischen HVDVP und BDVP einzuführen und weiterhin bewegliche Einsatzkräfte wie z.B. Mot. Schutzpolizei ebenfalls mit Funk auszurüsten.

Ebenso ist es erforderlich,

die Nachrichtenverbindungen zu den ABV zu verbessern. Angestrebt werden muß, daß vom Amt aus eine direkt polizeieigene Leitung zu den ABV besteht, so daß auch hier eine schnelle und einwandfreie Befehlsübermittlung gewährleistet ist.

Eine weitere Schlußfolgerung, die für den gesamten Bezirk gezogen werden muß, zeigt folgendes Beispiel vom Kreis Heiligenstadt. Um zu verhindern, daß sich der Gegner in den Besitz von Waffen der FDJ bzw. der Gesellschaft für Sport und Technik setzen konnte, wurden im gesamten Kreisgebiet alle Schußwaffen eingezogen und im VPKA untergebracht. Die Freunde der FDJ wurden dann zu einer Einheit formiert. Es wurde ein Kompanieführer so wie ein Stabschef der FDJ benannt und die Jugendfreunde in Gruppen unter Einsatz der Gruppenführer eingeteilt. Die Genannten wurden im Gebäude der Kreisleitung der FDJ gegenüber dem VPKA untergebracht und diese sowie auch alle Helfer der VP versorgungsmäßig mit den Angehörigen der Volkspolizei gleichgestellt.

Durch die Bildung dieser militärischen Formation in der FDJ wurde erreicht, daß in den Tagen des Einsatzes in der FDJ-Einheit sich ein hohes diszipliniertes Verhalten einstellte. FDJler, die im Dienst etwas verabsäumten, wurden durch die FDJ-Leitung sowie dem gesamten Kollektiv [sic!] erzieherisch beeinflußt.

Diese Maßnahme trat nur in den ersten zwei Tagen ein, in denen es darum ging, daß Befehle ein unumstößliches Gesetz sind. Durch die Übergabe von Kleinkalibergewehren an die FDJ durch die Amtsleitung wurde bei allen Jugendfreunden besonders der Wille zum bedingungslosen Einsatz geweckt. Diese Jugendfreunde waren dann in der Folgezeit voll einsatzfähig und den gleichen Anstrengungen unterworfen wie unsere Volkspolizisten.

Sie zogen in ihren Blauhemden und den KK-Gewehren gemeinsam mit den Volkspolizisten auf Wache, besetzten Kontrollpunkte, schützten Objekte usw. Durch ihre saubere Haltung nach außen verschafften sie sich die notwendige Autorität und wurden von der Bevölkerung durchaus anerkannt. Durch ihren Beitrag wurde die demokratische Staatsmacht gestärkt und der Bevölkerung augenscheinlich gezeigt, daß die FDJ ihrer Volkspolizei zur Aufrechterhaltung der Ordnung, Ruhe und Sicherheit eine aktive Unterstützung gibt.

Eine derartige koordinierte Zusammenarbeit im Bezirksmaßstab hätte die Schlagkraft der gesamten Volkspolizei wesentlich erhöht.

In diesem Zusammenhang muß erwähnt werden, daß die Zusammenarbeit mit den anderen Bezirksbehörden eine ungenügende war. Trotzdem eine direkte Verbindung mit der BDVP in Gera besteht, erhielt die BDVP Erfurt keinerlei Nachricht über die Vorkommnisse im Bezirk Gera, insbesondere über die Ereignisse im Kreis Jena, der unmittelbar an den Bezirk Erfurt angrenzt.

Die Schlußfolgerung, die aus diesem schlechten Beispiel der Zusammenarbeit gezogen werden muß, ist die, daß bei ähnlichen Einsätzen ein Gesamtverantwortlicher für das gesamte Land Thüringen eingesetzt werden muß.

Nachdem der BDVP Erfurt die Lage vom Bezirk Gera bekannt wurde, wurden folgende Kräfte abgestellt: 50 Mann Mot. Schutzpolizei mit Fahrzeugen und 10 Angehörige der Kriminalpolizei zur Unterstützung der Ermittlungstätigkeit im Kreisgebiet Jena. Außerdem wurden noch 1 Zug Wacheinheit der BDVP Gera zum Einsatz zur Verfügung gestellt.

Der am 17.6.1953 begonnene Putschversuch faschistischer Elemente stellte gleichzeitig die Kriminalpolizei vor entscheidende Aufgaben. So war es erforderlich, durch umsichtiges Handeln in engster Zusammenarbeit mit dem MfS die Provokateure und Rädelsführer von den Massen zu trennen und festzunehmen. Bei den durchgeführten Streiks und Demonstrationen in Mühlhausen, Weimar, Sömmerda und den anderen Schwerpunkten mischten sich die Genossen der Kriminalpolizei in Zivil unter die Demonstranten und hatten somit die Möglichkeit, die Rädelsführer festzustellen. Auch hier wurde wieder taktisch vorgegangen, d.h. daß die Festnahmen nicht unmittelbar erfolgten, sondern in den meisten Fällen in Verbindung mit dem Ministerium für Staatssicherheit in der Nacht zur Durchführung kamen.

Die Festnahme des Pfarrers S. aus Bad Tennstedt, der im gleichen Orte auf dem Marktplatz provokatorische Reden gehalten hatte und zum Sturz der Regierung aufforderte, war dadurch möglich, daß die Ehefrau durch geschickte Vernehmungstaktik keinen anderen Ausweg sah, als das Versteck ihres Ehemannes preiszugeben. S. hatte sich bei einem Bauern im Ort in der Scheune unter Stroh versteckt und konnte dort am 19.6.53 in den Mittagsstunden festgenommen werden.

Bei allen Festnahmen, die in der weiteren Folge getätigt wurden, und wo in den meisten Fällen die Festgenommenen dem Ministerium für Staatssicherheit übergeben wurden, haben sich die Genossen der - K - maßgeblich beteiligt. Zur Unterstützung der Abt. K in den Kreisen wurden von der BDVP, Abt. K, Genossen nach Sömmerda, Mühlhausen und Weimar entsandt und in den jeweiligen Schwerpunkten eingesetzt. Durch ihren Einsatz haben sie den Genossen K-Leitern gute Hinweise gegeben, die mit zur Festnahme der Rädelsführer führten.

Eine weitere Unterstützung wurde der BDVP Gera insofern gewährt, indem von der Abt. K der BDVP Erfurt zehn Genossen in Jena mit zum Einsatz kamen. Ihre Hauptaufgabe bestand darin, festgenommene Personen zu vernehmen und entsprechendes Beweismaterial, das ausreichte zur Anklageerhebung, zu sammeln.

Die Unterstützung und Zusammenarbeit mit dem MfS erstreckte sich in den ersten Tagen in der Hauptsache auf die Durchführung von Festnahmen. Für das MfS ergab sich nunmehr in der weiteren Durchführung der Ermittlungen und der Vernehmung der Beschuldigten eine große Arbeitsleistung, die die Genossen im einzelnen stark in Anspruch nahmen. Auch hier hat die Abt. K durch das Abstellen von zehn Genossen ihre Unterstützung dem MfS gegeben.

Mit der Verhängung des Ausnahmezustandes im Bezirk Erfurt und der späteren Erweiterung des Befehls (beschränkte Ausgangszeit) ergab sich eine neue Aufgabenstellung für die K. So wurden während der Zeit des Ausnahmezustandes wegen Nichtbeachtung der Sperrzeiten 856 Personen der K zugeführt, die im einzelnen zumindest zur Person und über den Grund des Verstoßes gehört werden mußten. Abgesehen noch von den Personen, die im Laufe des Tages zugeführt wurden, wo vielfach keine konkreten Angaben über den Grund der Zuführung gemacht werden konnten. Hieraus resultiert, daß der größte Teil der Kriminalisten sich auf diese Arbeit mit konzentrieren mußten. Von den 856 zugeführten Personen konnten am darauffolgenden Tage 855 wieder entlassen werden.

Da im Zuge der Ereignisse des 17.6. und der darauffolgenden Tage eine größere Anzahl Provokateure und Rädelsführer flüchtig wurden und des weiteren Häftlinge aus Haftanstalten gewaltsam befreit wurden, war es erforderlich, konkrete Fahndungsmaßnahmen gegen diese Personen einzuleiten. Deshalb wurde in den ersten Tagen größter Wert darauf gelegt, eine verstärkte Personenkontrolle auf Zufahrtstraßen, in Gaststätten und Hotels durchzuführen und besonders solche Personen einer näheren Betrachtung zu unterziehen, die nicht im Besitz eines DPA sind oder sich unbegründet an einem Ort aufhalten, der nicht ihr Wohnsitz ist. Mit Eingang der Fahndungslisten von der HVDVP wurde sofort die Fahndungskartei bei der BDVP entsprechend ergänzt, die Fahndungslisten vervielfältigt und als operative Grundlage an die VPKÄ mit entsprechender Anweisung herausgegeben. So wurden von den ersten Listen und den laufenden Ergänzungen jeweils zehn Listen von flüchtigen Provokateuren und je zehn von entwichenen Häftlingen jedem Amt überreicht, so daß insbesondere auch die Genossen an den Kontrollpunkten im Kreismaßstab mit diesen Fahndungslisten arbeiten konnten. Zur Unterstützung der Genossen in den Kreisen wurden von der BDVP fünf Instrukteure herausgeschickt, die entsprechende praktische Anleitung gaben, und deren Aufgabe es war, festzustellen, ob in den Ämtern die Fahndungsmaßnahmen gewissenhaft durchgeführt werden. Was sich in der Fahndungsarbeit nachteilig auswirkte, war die Tatsache, daß zum größten Teil die Kreisfahndungsbevollmächtigten in ihren Ämtern anderweitig zum Dienst eingesetzt waren. Durch die Instrukteure wurde dieser Zustand an Ort und Stelle beseitigt. Mit der Herausgabe der vollständigen Listen über die in Fahndung stehenden Personen wurden von der BDVP, Abt. K, 500 Abschriften gefertigt, die nunmehr in der gleichen Form wie die Verteilung der Fahndungsbücher zur Ausgabe gelangten und jetzt einen weit größeren Kreis von Volkspolizisten erfaßten. Durch die eingeleiteten Fahndungsmaßnahmen konnte bisher schon ein entsprechender Erfolg verzeichnet werden.

So konnten festgenommen werden: 6 Provokateure,
8 entwichene Gefangene,
4 flüchtige Verbrecher aus anderen Bezirken,
3 Festnahmeersuchen von anderen BDVP bzw. einer übergeordneten Dienststelle,
1 entwichener Gefangener aus Gotha,
1 desertierter VP-Angeh. aus Weimar,
3 Jugendliche von der VP-Grenze Nordhausen und
5 in Sachfahndung gestandene Kraftfahrzeuge.

Bei den angeordneten Personenfahndungen erhielten die Genossen die Anweisung, besonders bei Verwandten und sonstigen Personen, die in enger Verbindung mit den Flüchtigen standen, Ermittlungen anzustellen, um über diesen Personenkreis den derzeitigen Aufenthaltsort des Betreffenden in Erfahrung zu bringen. Diese Arbeitsmethode trug mit zum Erfolg der Fahndungsarbeit bei.

Die BDVP ist der Ansicht, daß bei derartigen groß einzuleitenden Fahndungsmaßnahmen die Fahndungslisten schneller zur Verfügung stehen müssen. Die erste Teilliste ging am 18.6. bei der BDVP ein, während eine vollständige Liste erst am 23.6. zur Verfügung stand.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß während der Dauer des Einsatzes zur Niederschlagung der faschistischen Provokation alle VP-Angehörigen, auf die wenigen negativen Beispiele wurde schon hingewiesen, vorbildliche Disziplin und Einsatzbereitschaft zeigten. Diese gute Dienstdurchführung ist nicht zuletzt ein Ergebnis der marxistisch-leninistischen Schulung und Ausbildung gem. Befehl 155/52, die sich in allen Dienststellen weiter entwickelte und wesentlich dazu beitrug, die Disziplin und das Bewußtsein unserer VP-Angehörigen zu verändern.

Als weitere Schlußfolgerung dieser guten Arbeit ist festzustellen, daß trotz vieler noch vorhandener Mängel und Schwächen die Parteiarbeit im Bezirk bereits erzieherische Formen angenommen hat und die Kritik und Selbstkritik in immer größerem Maße Anwendung findet. Dabei ist festzustellen, daß hauptsächlich unsere Genossen Offiziere erkannt haben, daß es in erster Linie darauf ankommt, die Genossen Volkspolizisten in ihrer gesamten täglichen Arbeit erzieherisch anzuleiten.

Die Schlußfolgerung für kommende Einsätze erstreckt sich darauf, daß in Zukunft in jeder Gruppe bzw. in jedem Zug einer Kompanie ein starker Genosse als Gruppenorganisator beigegeben wird. Bei der Durchführung des Befehls 155/52 muß diese organisatorische Veränderung vorgenommen werden, um die Kompanien zu wirklich kampfkräftigen Einheiten zu machen; denn dieses sind wesentliche Faktoren zur Gewährung der Einsatzbereitschaft der Einheiten der Deutschen Volkspolizei.

Außerdem wird es die Aufgabe der Polit-Abteilung der BDVP sein, darauf hinzuwirken, daß durch die Parteiorganisation, insbesondere aber durch die marxistisch-leninistische Schulung, die Erziehungsarbeit der Genossen Offiziere sowie ihr Verantwortungsbewußtsein weiter zu festigen ist, um unsere Mannschaftsdienstgrade dadurch noch besser zu bewußten, disziplinierten VP-Angehörigen zu erziehen und damit einsatzfähige, disziplinierte Einheiten der Volkspolizei zu schaffen, die in der Lage sind, alle Versuche des Klassengegners im Keime zu ersticken.

Die von der Volkspolizei bei der Niederschlagung des Putsches erzielten Erfolge, die bewiesene Einsatzfreudigkeit und vorbildliche Dienstdurchführung wurden von der Bezirksleitung der SED in einem besonderen Schreiben anerkannt. In diesem Schreiben heißt es:

"Werter Genosse König!

Die Bezirksleitung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands des Bezirkes Erfurt beschäftigte sich in ihrer Bezirksleitungssitzung vom 25.6.53 mit den Vorgängen um den 17. Juni, des Tages X. Die Bezirksleitung nahm Kenntnis davon, wie die Offiziere und Mannschaften der Sicherheitsorgane in diesen so schweren Tagen standhaft und vorbildlich ihren Dienst versehen haben.

Die Bezirksleitung nahm einstimmig in ihrer Entschließung den Dank an die Sicherheitsorgane der Deutschen Demokratischen Republik auf.

Im Namen der Bezirksleitung möchte ich allen Angehörigen der Deutschen Volkspolizei im Bezirk Erfurt den Dank der Partei übermitteln für ihr mutiges, unermüdliches Auftreten und ihren selbstlosen Einsatz bei der Niederschlagung der Provokation der Tage um den 17. Juni ds. Jhrs.

Wir möchten Dich, lieber Genosse König, bitten, den Dank der Partei allen Angehörigen der Volkspolizei im Bezirk Erfurt auszusprechen."

Mit sozialistischem Gruß

Bezirksleitung Erfurt der SED
gez. E. Mückenberger
1. Bezirkssekretär."

Chef der BDVP Erfurt
König
Chefinspekteur

[Quelle: BA, DO-1/11.0/306, Bl. 274-343; Auszüge - Namen von den Hg. anonymisiert; vollständig veröffentlicht in: Torsten Diedrich/Hans-Hermann Hertle (Hrsg.), Alarmstufe "Hornisse". Die geheimen Chef-Berichte der Volkspolizei über den 17. Juni 1953, Berlin 2003.]