Bezirksbehörde der Deutschen Volkspolizei [o. O., o. D.]
D r e s d e n


Betreff: Abschlußbericht über die Vorkommnisse am 17.6.1953 im Bezirk Dresden

Am 17.6.1953, 4.00 Uhr, wurde der Chef der BDVP Dresden, Genosse VP-Inspekteur Huhn, von dem Genossen Chefinspekteur Grünstein angerufen und ihm mitgeteilt, daß alle Genossen in Einsatzbereitschaft zu bringen sind. Nach Kenntnisnahme dieser Mitteilung wurde vom Genossen VP-Inspekteur Huhn der Operativstab der BDVP Dresden angewiesen, in allen VPKÄ und in der BDVP den Alarm auszulösen. Das Blitz-Fernschreiben zur Auslösung des Alarmes wurde 4.45 Uhr abgesetzt. Bereits 4.05 Uhr wurde die Dolmetscherin angewiesen, der SKO davon Mitteilung zu machen.

Nach Eintreffen der Abteilungsleiter in der BDVP fand um 6.00 Uhr eine Abteilungsleiterbesprechung statt, in der der Amtsleiter vom VPKA Dresden zugegen war. Hier wurde folgendes festgelegt:
  1. Alle administrativen und operativen Kräfte verbleiben im Hause, haben sich bereitzuhalten und nehmen ihre Arbeit auf.
  2. Ohne Genehmigung des Chefs verläßt niemand die BDVP, das gleiche gilt auch für alle Kraftfahrzeuge.
    Nach Eintreffen sämtlicher Angehöriger der BDVP gegen 8.00 Uhr wurde diesen auf einem Appell die obenangeführten Punkte bekanntgegeben. Im Anschluß daran fand 8.10 Uhr die 2. Abteilungsleiterbesprechung statt, wo folgendes festgelegt wurde:
  3. Aus den männlichen Angehörigen der BDVP werden zwei Einsatzzüge aufgestellt, bewaffnet und einsatzbereit gehalten. Dieselbe Maßnahme wurde für die Wacheinheit und für den Hundeführerlehrgang befohlen.
  4. Der Operativstab wurde durch die Abteilung K und S verstärkt.
  5. Die Benutzung der OB-Leitung und die Unterschriftsberechtigung für Fernschreiben wurde auf folgende Funktionäre beschränkt: Chef, seine Stellvertreter und K-Leiter.
  6. Darüber hinaus werden alle Amtsgespräche (Postleitung) untersagt und überwacht.
  7. In der Zeit von 5.30 Uhr bis 6.30 Uhr wurden durch den Genossen VP-Inspekteur Huhn sämtliche Amtsleiter persönlich telefonisch angesprochen und über die Punkte 1 - 4 unterrichtet.
  8. An die VPKÄ wurde ein Fernschreiben verfaßt mit folgendem Inhalt:
    "Es sind sofort neben den Einsatzzügen der Schutzpolizei, entsprechend den örtlichen Verhältnissen, Reservezüge zusammenzustellen und in Bereitschaft zu halten.
    Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Genossen ABV in ihren Abschnitten zu verbleiben haben und der Amtsleitung die Möglichkeit zu geben, alle auftretenden Vorkommnisse sofort mitgeteilt zu bekommen.
    Ohne Genehmigung der Amtsleitung darf niemand die Dienststellen verlassen, und der Einsatz der Schutzpolizei sowie der Reservezüge der administrativen Abteilungen sind nur unter persönlicher Verantwortung des Amtsleiters einzusetzen.
    Die Züge sind entsprechend mit Waffen oder Polizeiknüppel auszustatten. Dabei ist die festgelegte Trageweise des Polizeiknüppels beizubehalten.
    Ebenso muß entsprechender Transportraum zur Verfügung stehen. Verpflegung und Unterkunft der Einsatzkräfte wie üblich.
    Die Operativstäbe der VPKÄ sind durch geeignete Offiziere der Abteilung K zu verstärken.
    Die Benutzung der OB-Leitung ist ab sofort nur dem Amtsleiter, Polit-Stellvertreter, K-Leiter und dem Operativstab gestattet. Nicht notwendige Benutzung des öffentlichen Fernsprechnetzes hat zu unterbleiben. Bei Absetzen von Fernschreiben sind zeichnungsberechtigt der Amtsleiter, Polit-Stellvertreter, K-Leiter, PM-Leiter und Operativstab. Alle übrigen Fernschreiben unterliegen der Genehmigung des Amtsleiters.
    Die Amtsleiter haben sofort mit der Kreisleitung der Partei Verbindung aufzunehmen, um die Voraussetzung zu schaffen, bei auftretenden Provokationen in Form von Protestkundgebungen, Arbeitsniederlegungen u.ä. Agitatoren der Partei, der Nationalen Front, der FDJ und übrigen Massenorganisationen einzusetzen.
    In Absprache mit dem 1. Sekretär ist festzulegen die Bewachung und Sicherung der lebenswichtigen Objekte und Betriebe. Die Gebäude der Partei und FDJ müssen von Kräften der Partei und FDJ gesichert werden.
    In den VPKÄ sind sofort freiwillige Helfer zu mobilisieren, um sie gegebenenfalls einsetzen zu können. Von dem Amtsleiter ist zu erwägen, die Bewaffnung der freiwilligen Helfer mit Polizeiknüppel vorzunehmen.
    Ein Einsatz der freiwilligen Helfer hat nur gemeinsam mit Volkspolizisten unter Leitung eines verantwortlichen VP-Offiziers zu erfolgen.
    Ab sofort sind sämtliche Vorkommnisse per Blitz-Fernschreiben oder SSD-Fernschreiben der BDVP Dresden - Operativstab - zuzuleiten und besonders wichtige Vorkommnisse an den Chef der BDVP telefonisch vorauszumelden."
Die Absetzung dieses Fernschreibens wurde verzögert, da während der Abfassung desselben, ab 9.20 Uhr, laufend telefonische Mitteilungen aus Görlitz eingingen, daß im Werk LOWA I Betriebsversammlungen stattfanden, die sich zu Protestversammlungen entwickelten. Aufgrund dieser Mitteilungen konnten den VPKÄ in diesem Fernschreiben bereits Hinweise auf den Ernst der Situation gegeben werden. Das Fernschreiben wurde 11.15 Uhr an alle VPKÄ abgesetzt.

Die Bezirksleitung der SED, das MfSt und die SKO wurden von diesen Ereignissen in Görlitz laufend in Kenntnis gesetzt. Dabei ist zu bemerken, daß in der Bezirksleitung der SED weder der 1. noch der 2. Sekretär anwesend waren. (1. Sekretär in Urlaub, 2. Sekretär in Berlin.)

Aus diesem Grunde wurde dort erst gegen 13.00 Uhr eine Einsatzleitung gebildet, zu der ein Verbindungsoffizier der BDVP gehörte. Gleichzeitig wurde ein Verbindungsoffizier zur SKO gesandt.

Mit den Ereignissen in Görlitz wurde eine Einsatzleitung in der BDVP Dresden gebildet, zu der neben den Chefs alle Abteilungsleiter gehörten.

Die HVDVP wurde per Fernschreiben Nr. 1426, 10.26 Uhr, von der Lage in Görlitz in Kenntnis gesetzt.

In der weiteren Folge spitzte sich die Lage in Görlitz zu. 11.50 Uhr teilte der Amtsleiter vom VPKA Görlitz fernmündlich mit, daß die Demonstranten in das Kreisgericht, in die HO und in die Kreisleitung eingedrungen sind und in der UHA der Versuch des Eindringens unternommen wird. Fast alle Objekte in Görlitz wurden zur gleichen Zeit gestürmt (HO, Kreisgericht, Kreisleitung).

Diese Meldung veranlaßte den Chef der BDVP, folgendes anzuweisen:
  1. Der Amtsleiter des VPKA Görlitz erhielt die Anweisung, sofort Verstärkung nach der Vollzugs-Anstalt zu entsenden.
  2. Der Leiter der Vollzugs-Anstalt Görlitz, VP-Rat Kerrinis, erhielt persönlich die Anweisung, die Vollzugs-Anstalt unter allen Umständen zu verteidigen, die Zellenschlüssel im Panzerschrank einzuschließen und den Panzerschrankschlüssel zu verstecken.
  3. Der Stellvertreter Allgemein der BDVP Dresden, VP-Kommandeur Hertel, der sich z.Z. als Bezirkstagsabgeordneter in Rothenburg Krs. Niesky aufhielt, erhielt fernmündlich den Befehl, sich sofort nach Görlitz zu begeben und den Einsatz der VP zu leiten.
  4. Von dem Wachbattaillon Dresden wurde eine Kompanie (12.00 Uhr) nach Görlitz zur Verstärkung in Marsch gesetzt, die gegen 15.00 Uhr dort eintraf.
  5. Die Amtsleiter von Zittau und Löbau erhielten den Befehl, sich sofort mit dem Standortältesten der KVP zwecks Verstärkung für Görlitz in Verbindung zu setzen. Von den Verantwortlichen der KVP wurde jedoch mitgeteilt, daß sie ohne Befehl des Standortältesten von Dresden nicht ausrücken dürfen.
    Aufgrund dieser Mitteilung setzte sich der Chef der BDVP mit dem Standortältesten in Verbindung, der aber ebenfalls den Befehl zum Ausrücken ohne Anweisung von Berlin nicht erteilte.
    Bei einer Rücksprache des Chefs der BDVP Dresden mit dem verantwortlichen Offizier der SKO, Oberstleutnant Garaschtschenko, wurde von diesem angewiesen, dem Standortältesten von Löbau mitzuteilen, daß er auf Anordnung des Hohen Kommissars der UdSSR mit seinen Kräften nach Görlitz auszurücken hat, andernfalls er die volle Verantwortung für alle Ereignisse in Görlitz trägt.
    Diesen Auftrag übermittelte der Chef der BDVP Dresden dem Amtsleiter in Löbau, VP-Kommandeur Tischer, der dieses wiederum dem Standortältesten von Löbau mitteilte. In der Rückantwort teilte der Genosse VP-Kommandeur Tischer - VPKA Löbau - mit, daß der Standortälteste auf den Befehl von Berlin warte.
    Darüberhinaus setzte sich der Chef der BDVP mit der HVDVP in Verbindung mit dem Erfolg, daß der Befehl zum Ausrücken nach Görlitz erteilt wurde. Die ersten Kräfte trafen gegen 16.15 Uhr in Görlitz ein.
  6. Mit der Garnison der SKO Dresden wurde ebenfalls Verbindung aufgenommen, die gleichfalls Einheiten zur Verstärkung nach Görlitz entsandte.
Im Bezirk hatten sich im Verlauf der Ereignisse folgende Schwerpunkte herausgebildet: Görlitz, Dresden, Niesky.

Ablauf der Vorkommnisse in Görlitz:

Am Mittwoch, dem 17.6.1953, in der Zeit von 8.45 Uhr bis 9.00 Uhr versammelten sich in der LOWA Görlitz Werk I an der großen Schiebebühne die Arbeiter, wobei besonders junge Arbeiter zur Arbeitsniederlegung aufforderten mit der Begründung, daß sie sich mit den Berliner Arbeitern solidarisch erklären. Es wurden folgende Forderungen laut:

Preissenkung der HO,
höhere Löhne,
Abschaffung der Normen.

Die durch einige Provokateure aufgeputschte Masse der Arbeiter von Werk I marschierte dann nach dem Werk II, wo sich die Arbeiter dieses Werkes anschlossen und demonstrativ in die Stadt zogen.

Gegen 9.55 Uhr drangen ca. 700 verhetzte Arbeiter aus der LOWA unter Führung einiger faschistischer Provokateure in den VEB Maschinenbau ein. Ca. 2.000 Personen befanden sich außerdem noch vor dem Werkstor. Die Eindringlinge verteilten sich in die einzelnen Hallen und Abteilungen und forderten die anwesenden Werksangehörigen auf, die Arbeit niederzulegen und zu streiken. Werktätige, die sich weigerten, wurden von den Maschinen weggerissen und bedroht. Durch das brutale Vorgehen der Provokateure legten ca. 98 % die Arbeit nieder.

Nach der Aufforderung, sich an der Demonstration zu beteiligen, verließ ca. 1/3 der Belegschaft das Werk.

Mit den im Werkshof zurückgebliebenen Arbeitern wurde von Seiten der Betriebsparteiorganisation und Gewerkschaft im Beisein des Oberbürgermeisters Ehrlich eine Aussprache geführt. Dabei traten besonders ein Kollege aus der LOWA und ein Kollege aus dem VEB Maschinenbau als Diskussionsredner auf und verlangten:

Die Regierung soll abtreten, da sie das Vertrauen der Arbeiter nicht mehr besaß, daß neue und geheime Wahlen durchgeführt werden sollen, sowie die Absetzung der Partei- und Gewerkschaftsfunktionäre und des Personalleiters.

Trotz Bemühungen waren die Arbeiter nicht zur Wiederaufnahme der Arbeit zu bewegen. Alle Werksangehörigen verließen vereinzelt den Betrieb.

Die Demonstranten erschienen gegen 10.15 Uhr vor den Betrieben KEMA und Fein-Optik. Delegationen forderten die Belegschaften der Betriebe zur Arbeitsniederlegung auf und ebenfalls zur Teilnahme an der Demonstration. Da sich die Arbeiter nicht bereiterklärten, den Aufforderungen nachzukommen, drang die Masse der Demonstranten in die Betriebe ein und versuchte, die Maschinen auszuschalten, sowie die Arbeiter zur Demonstration zu zwingen. Darauf schlossen sich die Belegschaften bis auf wenige Arbeiter der Demonstration an. Besonders kamen die Jugendlichen mit vollem Eifer dieser Aufforderung nach.

Zwischen der Amtsleitung, dem 1. Kreissekretär und dem Oberbürgermeister wurde vereinbart, die sich inzwischen auf den Straßen bewegenden Massen durch die Volkspolizei nach dem Leninplatz zu schleusen, und dort sollte der Oberbürgermeister sprechen. Durch die großen Massen und die verschiedenen Forderungen der Provokateure, durch Stürmung der verschiedenen Objekte wurde dieses Vorhaben unmöglich. Durch die verschiedenen Gruppen, denen sich jeweils Tausende von Menschen anschlossen, wurden in der Zeit zwischen 11.30 Uhr und 12.30 Uhr folgende wichtige Objekte gestürmt:

SED-Kreisleitung, MfSt, Kreisgericht, HO, DSF, Nationale Front, Rathaus, Untersuchungshaftanstalt.

Bei der Erstürmung dieser Objekte wurden die Einrichtungen demoliert, Bilder und Transparente heruntergerissen, Funktionäre beschimpft und zu einem großen Teil mißhandelt.

Der 1. Kreissekretär wurde aus dem Gebäude herausgeschleppt und schwer mißhandelt. Er liegt z.Zt. im Krankenhaus, ebenso ein Angehöriger des MfSt.

Bei der Erstürmung des Rathauses wurde der Oberbürgermeister seines Amtes "enthoben" und unter Beistand von Äxten und Brechstangen eine "neue Macht" errichtet.

Unter dem Druck dieser Banditen wurde der Oberbürgermeister gezwungen, eine Bescheinigung auszufüllen, daß er die Freilassung aller Inhaftierten anordnet.

Bei der Erstürmung des HO-Warenhauses wurden keine nennenswerten Plünderungen vorgenommen.

Nach der Erstürmung der SED-Kreisleitung und des MfSt belagerte eine große Menge die Kommandantur. Die vom VPKA (1 Zug) eingesetzten Kräfte reichten nicht aus, die Menschen zu zerstreuen. Nach einiger Zeit zogen die Demonstranten von der Kommandantur ab.

Kurz nach 12.00 Uhr erschien eine große Masse vor der UHA und forderte die Freilassung der Inhaftierten. Nachdem von den Volkspolizisten der Eintritt verweigert wurde, wurde die Haustür erbrochen, und eine sogenannte Kommission von drei Mann stellte die Forderung an den Haftanstaltsleiter, betreffs Freilassung der Inhaftierten zu verhandeln.

Nachdem der Haftanstaltsleiter auf die verschiedene Delikte der Einsitzenden aufmerksam machte, erklärte sich die Kommission bereit, selbst nach Überprüfung der Akten zu entscheiden, wer davon zu entlassen ist.

In der Zwischenzeit brach bereits die rebellierende Masse unter Anwendung von verschiedenen Werkzeugen nach Erbrechung der Gittertüren in die Anstalt ein und befreite sämtliche Gefangenen. Noch ehe die Kommission zur eigentlichen Arbeit kam, war die UHA bereits leer. Ein Befehl zur bewaffneten Verteidigung der UHA ist von Seiten des Dienststellenleiters nicht gegeben worden. (Siehe Bericht der Inspektionsgruppe)

Gegen 12.20 Uhr erschienen die ersten Demonstranten vor der Vollzugsanstalt, die sich innerhalb kurzer Zeit auf ca. 1 1/2 Tausend erhöhten. Der Forderung, die Gefangenen freizulassen, wurde nicht stattgegeben, sondern man versuchte durch Agitation vom Fenster aus und in der weiteren Folge durch Einsatz von C-Rohren sowie durch Warnschüsse die Provokateure von ihrem Vorhaben abzuhalten.

Trotz der immer gefährlicher werdenden Situation, indem die Demonstranten durch Anwendung von Äxten, Brecheisen und anderen Gegenständen begannen, in die Haftanstalt einzudringen, wurde von Seiten des Leiters der Vollzugsanstalt kein Schießbefehl erteilt. Hinzu kommt der Verrat durch den zur Entlassung stehenden VP-Hauptwachtmeister St. (z.Zt. flüchtig), der die Provokateure durch einen Hintereingang in das Verwahrhaus führte. Weiter muß darauf hingewiesen werden, daß die Besetzung der Haftanstalt aus 16 Frauen und nur vier Männern bestand, da es sich um eine Frauen-Vollzugsanstalt handelt.

Durch die Inspektionsgruppe der BDVP wurden die Vorkommnisse der Vollzugsanstalt besonders bearbeitet und dabei festgestellt, daß der politisch-moralische Zustand unter den Genossen und Genossinnen der Vollzugsanstalt mangelhaft ist. (Siehe Sonderbericht)

Sämtliche Häftlinge wurden durch gewaltsames Öffnen der Zellentür und abgenommenen Zellenschlüssel widerrechtlich freigelassen.

Nachdem der Amtsleitung die Lage der Vollzugsanstalt bekannt wurde, entsandte der Amtsleiter eine Gruppe zur Verstärkung, die aber aufgrund der starken Menschenansammlung nicht in der Lage war, bis zur Vollzugsanstalt vorzudringen. Erst durch den Einsatz eines Wachzuges der BDVP Dresden, gegen 16.00 Uhr, wurde die Vollzugsanstalt von der Zivilbevölkerung gesäubert.

Gegen 16.15 Uhr traf von Löbau eine 400 Mann starke Einheit der KVP ein, von der als erstes das Rathaus genommen wurde, weil dort die Provokateure im Besitz des Stadtfunkes waren.

Im weiteren Verlauf erfolgte dann die Zerstreuung aller Ansammlungen in der Stadt, welche gegen 18.00 Uhr durch unsere Freunde unterstützt wurde.

Während im Stadtgebiet Görlitz die Provokationen gegen 10.00 Uhr ihren Anfang nahmen, begannen diese im Landkreis erst gegen 14.00 Uhr. Schwerpunkte waren hier die Orte Ludwigsdorf und Zodel. Die Rädelsführer und die Masse der Demonstranten waren größtenteils Bauern.

Im weiteren Verlauf wurden Funktionäre mißhandelt und eingesperrt. Am späten Nachmittag kamen als weitere Schwerpunkte noch die Orte Schönau, Reichenbach und Bertsdorf hinzu.

In Zodel beispielsweise wurde durch die Provokateure vor der LPG ein Schild angebracht: "Wir fordern die Rückkehr des ehemaligen Herrn von ..." (Ein drastisches Beispiel, inwieweit die ostelbischen Junker ihre Hand im Spiele hatten.)

Es ist zu bemerken, daß bereits am Abend des 17. in Zusammenarbeit mit den Genossen vom MfSt und KVP die Festnahme von Personen erfolgte und im weiteren Verlauf der größte Teil der Provokateure in Haft genommen werden konnte.

Gute Hinweise erhielt hier die VP durch Genossen der Partei, und wesentlich trugen die von der Abteilung K gefertigten Bilder dazu bei (durch K-Angehörige wurden diese während der Umtriebe angefertigt), so daß diese gleichzeitig Beweismaterial darstellen.

Ablauf der Vorkommnisse in Dresden

Fast zur gleichen Zeit wie in Görlitz fand im Sachsenwerk Niedersedlitz in der Zeit von 8.30 Uhr bis 9.15 Uhr eine Ansprache des 1. Parteisekretärs durch den Betriebsfunk statt. Hierbei wurde die Frage der Normenerhöhung behandelt.

Im Anschluß an diese Sendung gegen 9.30 Uhr versammelten sich die Werksangehörigen gruppenweise im Hof zu einer Protestversammlung. Innerhalb kurzer Zeit waren ca. 2.000 Personen (nicht ganz 50 % der Werksangehörigen) im Hof versammelt.

Ein Teil wollte Aufklärung über die Vorgänge in Berlin, ein anderer Teil verlangte Herabsetzung der Normen, und wieder andere forderten Rücktritt der Regierung und Freilassung der politischen Gefangenen.

Hier muß bemerkt werden, daß am Vortage ca. 30 Genossen der Betriebsparteischule in Berlin zum Besuch der Stalinallee waren und dort von der Demonstration der Bauarbeiter Kenntnis hatten und diese Nachrichten früh im Werk verbreiteten.

Als erster sprach zu den Versammelten der 2. Vorsitzende der BGL und versuchte, die Maßnahmen zu erklären. Dieser wurde ausgejohlt, und man verlangte den 1. Sekretär.

Nachdem auch dessen Ausführungen durch Zurufe und Gejohle unterbrochen wurden, verlangte man einen Vertreter der Werksleitung, der gleichfalls keine Ruhe erzielte.

Es wurden Zurufe laut "Nieder mit der Regierung - wir fordern freie Wahlen" und andere.

Der Werkleiter unterbreitete den Vorschlag, einen Vertreter der Regierung ins Sachsenwerk zu schicken, womit man im allgemeinen einverstanden war. Aufgrund dieser Tatsache war ein Teil der Versammelten wieder an die Werkstätten zurückgegangen, während die anderen im Hof blieben. Plötzlich kam der Ruf "Wir marschieren!" Daraufhin setzten sich ca. 1.000 Arbeiter in Bewegung und marschierten in Richtung Abus-Werk. In dieser Situation wurden vom Betriebsschutz Sachsenwerk folgende Maßnahmen durchgeführt:
  1. Sicherung der Wache gegen evtl. Übergriffe.
  2. Besetzung aller Schwerpunkte.
  3. Verstärkung der Torposten und scharfe Kontrolle aller ein- und ausgehenden Personen.
  4. Sicherung der Werkshallen im Umkreis der Versammelten, damit keine unbefugten Elemente eindringen konnten.
  5. Überprüfung der Versammelten durch mehrere Angehörige des BS in Zivil.
  6. Schutz der sowjetischen Direktion und der leitenden Funktionäre.
Im Werksgelände kam es zu keinerlei Ausschreitungen und Übergriffen, auch nicht gegenüber den Funktionären. Aufgrund der Ereignisse im Sachsenwerk Niedersedlitz wurde durch die Bezirksleitung der Partei der Genosse Otto Buchwitz dorthin entsandt, wo er zu den ca. 3.000 im Werk verbliebenen Werktätigen sprach.

Gegen 14.00 Uhr, nachdem Genosse Buchwitz auf die internationale Lage eingegangen war und von den Maßnahmen der Regierung sprechen wollte, wurde er durch Zwischenrufe und Gejohle daran gehindert.

Ein Teil der im Werk verbliebenen Werktätigen hatte bis zum Eintreffen des Genossen Otto Buchwitz die Arbeit wieder aufgenommen.

Von den ca. 1.000 Menschen, die in Richtung Abus-Werk marschierten, verblieb bereits ein Teil auf dem Bahnhof Niedersedlitz, um sich nach Hause zu begeben, während sich die anderen mit der Abus vereinten und stadtwärts zogen.

Unterwegs forderten die Demonstranten die Betriebe Hutfabrik Niedersedlitz, Gardinenfabrik Dobritz, Kamerawerke Zeiss-Ikon, Berufsschule Mügelner Straße zur Arbeitsniederlegung und Demonstration auf. Hierbei wurden von den Demonstrierenden in einigen Fabriken Transparente heruntergerissen.

Durch Meldung des 4. VP-Reviers wurde der BDVP bekannt, daß sich der Demonstrationszug in Richtung Stadtmitte bewegt und das Ziel hat, sich zum Theaterplatz zu begeben, um dort eine Protestkundgebung zu veranstalten.

Aufgrund dieser Mitteilung wurde mit dem SKO Rücksprache gehalten und von dort angewiesen, daß der Ausnahmezustand verhängt wird. Darüber hinaus wurden zwei Offiziere der BDVP nach der SKO entsandt, diesen wurde der Ausnahmebefehl überreicht und dann im Stadtfunk veröffentlicht.

Die SKO forderte von der BDVP einen Offizier an, der den Auftrag erhielt, dem Demonstrationszug entgegenzufahren und den Wortlaut des Ausnahmezustandsbefehles bekanntzugeben. Obwohl die Offiziere von Angehörigen der sowjetischen Armee begleitet waren, ließen sie dieselben nicht zu Worte kommen, sondern der Demonstrationszug bewegte sich in Richtung Theaterplatz weiter.

Um den Demonstrationszug zum Stehen zu bringen, wurde von der Einsatzleitung der BDVP in Erwägung gezogen, Strahlrohre der Feuerwehr zum Einsatz zu bringen, was jedoch von der SKO und der Bezirksleitung der Partei nicht geraten wurde.

Um die vorgesehene Protestkundgebung auf dem Theaterplatz zu zerstreuen, wurden in Verbindung mit SKO, VPKA und KVP Kräfte entsandt, die den Auftrag erhielten, die ankommenden Demonstranten zu zerstreuen und keine Ansammlungen von Menschen zuzulassen.

Von der BDVP wurden vier Züge zur Unterstützung eingesetzt. Nach Eintreffen der Kräfte gegen 16.00 Uhr wurde festgestellt, daß die Demonstranten bereits die stadt- und landwärts fahrenden Straßenbahnen zum Halten gebracht hatten, so daß sich ungefähr 2.000 Personen zwischen Postplatz und Theaterplatz bewegten.

Die Einsatzkräfte erhielten nach Rücksprache mit der Kommandantur die Anweisung, nicht mit Waffengewalt vorzugehen, sondern die Leute zum Weitergehen aufzufordern.

Während es auf dem Theaterplatz mit Unterstützung der Freunde gelungen war, diesen zu räumen, stauten sich die Menschen auf dem Postplatz. Hier wurde besonders das Telegrafenamt als wichtigstes Objekt belagert. Besonders jugendliche Rowdys taten sich hervor, die mit Steinen warfen und gegen die Kräfte der KVP und SKO und VP vorgingen, so daß sich die Sicherungskräfte gezwungen sahen, Warnschüsse abzugeben, um eine Erstürmung des Telegrafenamtes zu verhindern. Durch die Kräfte der VP wurden die Zugangsstraßen zum Postplatz gesperrt und aller Verkehr umgeleitet, so daß ein neuer Zustrom nicht erfolgen konnte.

Nachdem die Provokateure erkannten, daß eine Erstürmung des Telegrafenamtes unmöglich ist, forderten sie die Menge auf, das HO-Kaufhaus in der Nähe des Postplatzes zu erstürmen, was jedoch inzwischen durch Kräfte der KVP und Freunde entsprechend gesichert war.

Durch Abrücken der Hauptkräfte der Demonstrierenden vom Telegrafenamt gelang es den übrigen Sicherungskräften, die zurückgebliebenen Demonstranten zu zerstreuen.

Gegen 21.00 Uhr war die Ruhe und Ordnung im Stadtgebiet wieder hergestellt.

Durch die Freunde, KVP und VP wurden in der Nacht vom 17. zum 18.6.1953 die wichtigsten Punkte besetzt und erhöhte Streifentätigkeit durchgeführt.

Die dabei nach 21.00 Uhr aufgegriffenen Personen (ca. 200) wurden durch die Vorgenannten der BDVP zugeführt und überprüft.

Ablauf der Vorkommnisse in Niesky:

Am 17.6.1953, gegen 10.00 Uhr, machte sich unter den Werksangehörigen der LOWA Niesky eine gewisse Unruhe bemerkbar, die vorerst in kleineren Gruppen über die Maßnahmen der Regierung und über die Normen diskutierten. Trotz der eingeleiteten Agitationsarbeit nahm die Zusammenballung laufend zu. Auch die Erklärungen des Werkleiters und des 1. Sekretärs der Betriebsparteiorganisation führten zu keinem Erfolg, sondern die Kumpels legten die Arbeit nieder.

Die Werksangehörigen versammelten sich auf der Schiebebühne und demonstrierten gegen die Maßnahmen der Regierung.

Gegen 11.30 Uhr erschien der Röntgeningenieur Hans S. aus Leipzig, der von Berlin über Görlitz nach Niesky gekommen war, und wiegelte die Werksangehörigen auf, indem er propagierte, daß man in Berlin bereits marschiere und warum in Niesky noch nicht.

Von diesen Äußerungen wurde der ganze Betrieb erfaßt, und es kam praktisch zum Stillstand, da bis zu dieser Zeit noch ein Teil des Betriebes tätig war.

Gegen 14.30 Uhr, als die zweite Schicht zur Arbeit kam, schwoll die Erregung der Menge zusehends an.

Gegen 15.00 Uhr erreichte die Erregung ihren Höhepunkt durch den obengenanten S. und einige faschistische Elemente aus dem Betrieb. Der Schwerpunkt in dem Betrieb war die Schweißerei, von wo aus die gesamte Aktion hervorgerufen worden war.

Die Versammelten formierten sich dann zu einem Demonstrationszug, verließen kurz nach 15.00 Uhr das Werk und marschierten in Richtung Kreisleitung, MfSt und VPKA.

Die SED-Kreisleitung wurde gestürmt, und einige Funktionäre wurden dabei tätlich angegriffen. Unter den Demonstranten tauchte die Parole auf, daß im Gebäude des MfSt. einige Inhaftierte einsitzen. Das wurde zum Anlaß genommen, dieses Gebäude zu stürmen

Mit dem Bekanntwerden der Ziele der Demonstranten hatte die Amtsleitung sechs Volkspolizisten zum Schutze der Kreisleitung entsandt. Obwohl auf Grund der Forderungen der Demonstrierenden bereits zehn Mann der Demonstranten das Gebäude der Kreisleitung nach Gefangenen durchsucht hatte, gab sich die Menschenmenge nicht zufrieden und ging zu Tätlichkeiten über. Sie bewarfen die Volkspolizisten mit Steinen und anderen Gegenständen. Die Provokateure riefen zum Sturm auf das VPKA und das MfSt. auf. Da der größte Teil vor der Kreisleitung Niesky blieb, wurden sechs weitere VP-Angeh. zur Verstärkung hingeschickt. Diese Verstärkung gelangte allerdings nicht bis vor das Gebäude. Nachdem die Kreisleitung ausgeräumt war, zog sich die Menschenmenge zum Gebäude des MfSt. zurück. In der Kreisleitung blieben zwei Volkspolizisten zurück, während alle übrigen VP-Angeh. in das VPKA zurückkehrten, um eine Erstürmung desselben zu verhindern. Nachdem bekannt wurde, daß das Gebäude des MfSt umstellt war, und die Provokateure versuchten, es in Brand zu stecken, wurde ein Einsatzkommando in Stärke von 1:15 zur Verteilung der Menschenansammlung entsandt. Der Leiter des Kommandos forderte die Versammelten auf, das Gelände des MfSt. zu verlassen, andernfalls wird geschossen. Die Antwort war:

"Ihr Schweine wollt auf die Arbeiter schießen!"

Die Provokateure gingen zu Tätlichkeiten über. Daraufhin wurden Warnschüsse abgegeben. Für einen kurzen Moment wichen die Menschen zurück, bis einer rief:

"Die haben nur Platzpatronen!"

Der Erfolg war, daß die Volkspolizisten wieder angegriffen und mit Steinen, Bierflaschen und anderen Gegenständen beworfen wurden. Drei Volkspolizisten verloren den Anschluß an die Gruppe, wurden umringt, geschlagen und entwaffnet.

Von der Schußwaffe wurde nicht Gebrauch gemacht, sondern die Einsatzgruppe zog sich zurück zum Amt, da weitere Aktionen auf Grund der zahlenmäßigen Überlegenheit der Provokateure aussichtslos erschienen. Der Befehl der Einsatzleitung hatte gelautet, von der Schußwaffe keinen Gebrauch zu machen.

Die johlende Menschenmenge folgte der sich zurückziehenden Einsatzgruppe, umringte das VPKA und versuchte, durch das Tor einzudringen. Im gleichen Moment traf von der Grenzpolizei ein Kommando von 15 Mann ein, die sofort Warnschüsse aus der Maschinenpistole abgaben. Diese Warnschüsse verhinderten das Eindringen der Provokateure in das Gebäude des VPKA und der Grenzkommandantur. Nach ca. 1 1/2 Stunden zog die Menschenmenge ab, wobei ein Teil zum Rat des Kreises strömte, während der andere Teil das MfSt. wieder aufsuchte.

Nach der erneuten Umlagerung des MfSt. versuchten zehn Angehörige der Grenzpolizei dieses Gebäude zu befreien. Sie kamen jedoch nur bis in einen Raum des Gebäudes und wurden dann von der Menschenmenge wieder zurückgedrängt. Es gelang ihnen nur mit Mühe, zur Grenzpolizei zurückzukehren. Gegen 18.00 Uhr stürmten die Provokateure alle Zimmer des MfSt., entwaffneten die sich noch im Gebäude befindlichen Angehörigen und sperrten vier von ihnen in den im Gebäude befindlichen Hundezwinger. Diese vier Genossen, darunter der Leiter dieser Dienststelle, wurden mit Zaunlatten geschlagen, mit Steinen beworfen und verhöhnt.

(Rädelsführer M., in Haft)

Im Gebäude wurde ein Stahlschrank erbrochen und aus diesem Geld und Dienstbücher entwendet. Ebenfalls wurden die Aktenschränke erbrochen und die Akten aus dem Fenster geworfen.

Nach Eintreffen von 50 Genossen der Grenzpolizei aus Bautzen wurde das Gebäude des MfSt. nach ca. 1 1/2 Stunden geräumt und die Straße gesäubert. Gegen 21.00 Uhr trafen weitere 50 Genossen der Grenzpolizei Bautzen ein, die sich an der restlichen Straßenräumung beteiligten.

Während die Nacht vom 17. zum 18.6.1953 allgemein ruhig verlief, fand in der Gemeinde Kollm 0.30 Uhr eine Demonstration statt, die von dem 2. Sekretär der CDU des Kreises, D i e n e r, Gottfried, geführt wurde.

Durch Entsendung eines Einsatzkommandos von 15 Mann wurde die Ruhe wiederhergestellt und vier Festnahmen durchgeführt.

Am 18. kam es in Niesky wieder zu Arbeitsniederlegungen, die im Laufe des Tages mit Hilfe der Freunde beseitigt wurden.

Ablauf der Vorkommnisse im Bezirk ab 18.6.1953

In der Nacht vom 17. zum 18.6.1953 wurden folgende Sicherungsmaßnahmen durch die Einsatzleitung der BDVP eingeleitet:
  1. Im gesamten Bezirk wurden alle lebenswichtigen Objekte durch Kräfte der Freunde, KVP und VP besetzt.
  2. Alle wichtigen Verkehrsknotenpunkte, wie Brücken usw., wurden ebenfalls besetzt.
  3. Erhöhte Streifentätigkeit, um die im Ausnahmebefehl festgelegten Maßnahmen zu kontrollieren.
  4. Um am 18.6. weitere Demonstrationen bzw. Ansammlungen zu verhindern, wurde die Taktik geändert.
    In der Stadt Dresden z.B. wurde bereits 4.30 Uhr ein Sperrgürtel, bestehend aus drei Kontrollpunkten, gelegt. Darüber hinaus wurde in all diesen Betrieben, wo sich nach Arbeitsbeginn Unruhen bemerkbar machten, durch die sowj. Freunde das Tor sofort abgeriegelt.
  5. Durch den Fahndungsbevollmächtigten des Bezirkes wurden die Ämter angewiesen, die Fahndung nach den entwichenen Häftlingen mit besonderem Nachdruck durchzuführen.
  6. Durch die Abtlg. K der BDVP Dresden wurden Vernehmungsgruppen gebildet, um dem hohen Anfall der zugeführten Personen gerecht zu werden, damit schon früh, 06.00 Uhr, ein großer Teil der Personen nach Überprüfung entlassen werden konnte, um einen größeren Arbeitsausfall zu vermeiden.
Während die Nacht vom 17. zum 18.6.1953 ohne besondere Ereignisse verlief, zeigte sich bei Arbeitsbeginn in den Betrieben erneut der Versuch der Arbeitsniederlegung und der Versuch, auf den Straßen zu demonstrieren. Letzteres konnte durch die getroffenen Maßnahmen verhindert werden.

Nach dem Bekanntwerden, daß in den Schwerpunktbetrieben Sachsenwerk Niedersedlitz, Trafo- und Röntgenwerk Protestversammlungen durchgeführt werden, die zur Arbeitsniederlegung führten, wurden von Seiten der sowjetischen Militäreinheiten entsprechende Kräfte nach diesen Betrieben entsandt.

Bei dem Erscheinen der sowjetischen Freunde und durch entsprechendes Einwirken der Parteileitungen wurde die Arbeit wieder aufgenommen. Schwierigkeiten entstanden lediglich im Trafo- und Röntgenwerk, wo sich die Jugendlichen nicht vom Werktor entfernen wollten und erst nach Abgabe von Warnschüssen der Freunde ihren Arbeitsplatz aufsuchten. Im weiteren Verlauf des Tages, besonders in den Nachmittagsstunden, trat eine wesentliche Beruhigung ein.

Ein neuer Schwerpunkt bildete sich gegen Abend zur Zeit des Betriebsschlusses in Dresden auf dem Postplatz. Dort versuchten wieder Provokateure, die Menschen aufzuwiegeln, und so kam es zu größeren Ansammlungen. Von Seiten der Freunde wurden die Menschen aufgefordert, den Platz zu räumen. Diese kamen jedoch dieser Aufforderung nicht nach, so daß von den Angehörigen der Armee scharf geschossen und dabei drei Personen verletzt wurden. Die Folge war, daß der Platz sehr schnell geräumt werden konnte, und bis zur Sperrstunde vollkommene Ruhe eintrat.

Im Kreisgebiet Riesa kam es am gleichen Tage zur Arbeitsniederlegung im Stahlwerk Gröditz. Ca. 800 Arbeiter legten die Arbeit nieder, 400 davon demonstrierten zum Zellstoffwerk Gröditz, wo sich 150 Belegschaftsmitglieder des Werkes dem Demonstrationszug anschlossen. Der gesamte Demonstrationszug zog wieder ins Stahlwerk Gröditz zurück. Durch das Eintreffen der sowjetischen Freunde wurden die Arbeiter an ihren Arbeitsplatz verwiesen.

Im Stahlwerk Riesa kam es ebenfalls zu einer Arbeitsniederlegung, wo sich die Werktätigen jedoch nur auf dem Werkshof versammelten. Durch die eingeleiteten Maßnahmen der sowjetischen Freunde gingen die Arbeiter wieder an ihren Arbeitsplatz.

Noch am selben Tage sprach Minister Selbmann zu den Werktätigen des Stahlwerkes Riesa und Gröditz.

Im Laufe des Tages wurde die Arbeit wieder aufgenommen.

In Görlitz kam es zu Ansammlungen im EKM und in der LOWA. Ebenfalls im öffentlichen Verkehrsraum wurden kleinere Ansammlungen bemerkt. Zu Demonstrationszügen kam es jedoch nicht. Durch das Eingreifen der Freunde und der KVP wurden diese Ansammlungen zerstreut und im Laufe des Tages in den Betrieben die Arbeit wieder aufgenommen.

Am selben Tage kam es im Kreisgebiet Niesky zur Arbeitsniederlegung in der LOWA, Dachziegelwerk Kodersdorf, Basaltwerk und Bremenhain.

Im Laufe des Tages wurde die Arbeit teilweise wieder aufgenommen, außer in Bremenhain.

In Bremenhain wurde an diesem Tage das Parteiheim gestürmt und die Grenzkommandantur in Rothenburg von Demonstranten umlagert. Einheiten der KVP wurden aus Löbau und Krietzschen nach Niesky entsandt, die die Ruhe und Ordnung wieder herstellten.

In Zittau legten im Ifa-Werk ca. 120 Belegschaftsmitglieder die Arbeit nieder, die aber im Laufe des Tages wieder aufgenommen wurde.

In den übrigen Kreisen des Bezirkes wurde in verschiedenen kleineren Betrieben der Versuch unternommen, Streikleitungen zu bilden bzw. die Arbeit niederzulegen. Durch das sofortige Einschreiten der operativen Kräfte (Freunde, KVP und VP) kam es in keinem Betrieb zu geschlossenen Arbeitsniederlegungen, lediglich in kleineren Abteilungen einzelner Betriebe wurde verschiedentlich vorübergehend die Arbeit unterbrochen.

Es muß insgesamt erwähnt werden, daß in sehr vielen Betrieben die Bau-Union, die mit Investitionsbauten beschäftigt ist, der Ausgangspunkt der Arbeitsniederlegungen waren bzw. die Bauarbeiter sehr schnell zur Arbeitsniederlegung bewegt werden konnten, mit der Begründung, daß sie sich mit den Berliner Bauarbeitern solidarisch erklärten.

Am 18.6.1953 wurden von der BDVP Instrukteurbrigaden in die Kreise entsandt, um die VPKÄ in der Frage der Besetzung, Sicherung und Einsatz sowie die kulturelle und politische Betreuung zu überprüfen und anzuleiten.

In der Nacht vom 18. zum 19.6.1953 versammelten sich 1.30 Uhr im Zellstoffwerk Gröditz die Belegschaft der Nachtschicht zu einer Versammlung und stellten wieder die alten Forderungen, Neue Wahlen usw. Zu einer generellen Arbeitsniederlegung kam es nicht.

Im Stadtgebiet Dresden kam es in dieser Nacht zu weiteren vorläufigen Festnahmen in Höhe von ca. 140 Personen. Es handelte sich um Personen, die die Sperrzeit überschritten hatten.

Tagsüber kam es zu kurzfristigen Arbeitsniederlegungen von ca. 300 Bauarbeitern in Dresden und Werktätigen im Phänomen-Werk in Zittau.

In den übrigen Kreisen des Bezirkes waren keine nennenswerten Vorkommnisse zu verzeichnen.

Die Nacht vom 19. zum 20.6.1953 verlief im ganzen Bezirk ruhig. In dieser Nacht wurden von der Einsatzleitung der BDVP Dresden folgende Maßnahmen getroffen:
  1. Auf Grund des hohen Anfalls vorläufiger Festnahmen in Görlitz wurden von der BDVP Dresden - Gen. VP-Oberrat Böhme - weitere 15 VP-Angeh. der Abtlg. K in Görlitz eingesetzt, um den Schwerpunkt zu beheben.
  2. Weiterhin wurde die Inspektionsgruppe nach Görlitz entsandt, um die Zustände in der Vollzugsanstalt und der UHA Görlitz zu überprüfen.
  3. Da festgestellt wurde, daß ein ehemaliger VP-Angehöriger maßgeblich an der Erstürmung der Vollzugsanstalt beteiligt war und flüchtig ist, wurden weiterhin vier VP-Angeh. der Abtlg. K zur Fahndung des Flüchtigen eingesetzt.
  4. Um die innerbetrieblichen Maßnahmen in der Vollzugsanstalt Görlitz wieder herzustellen, wurde der Abteilungsleiter SV der BDVP Dresden - Genossin VP-Rat Wronsky - ebenfalls nach Görlitz entsandt.
Am 20.6.1953 war lediglich eine kurzfristige Arbeitsniederlegung im Fortschritt-Werk Neustadt Kreis Sebnitz.

Seit dem 21.6.1953 gibt es im Bezirk Dresden keine Arbeitsniederlegung oder Demonstration mehr.

Eine Verschärfung der Lage trat durch das Bekanntwerden von Vorbereitungen von Streiks der Reichsbahn ein.

Im Bezirk Dresden kam es in dieser Beziehung zu keinerlei Aktionen.

Von der BDVP wurde folgende vorbeugende Maßnahme eingeleitet:
  1. In der Nacht vom 21. zum 22.6.1953 wurden in gemeinsamer Absprache mit der Trapo und KVP alle verkehrswichtigen Objekte der Eisenbahn gesichert.
  2. Der Trapo wurden durch die VPKÄ Kräfte zur Sicherung bahneigenen Geländes zur Verfügung gestellt.
  3. In der Nacht vom 22. zum 23.6.1953 wurden die Amtsleiter an drei Stellen des Bezirkes zu einer Information der Lage sowie zur Orientierung über die weitere Arbeit und kurzen Berichterstattung zusammengezogen.
Durch die weitere Festigung der Ruhe und Ordnung im Bezirk Dresden wurde am 25.6.1953 der Ausnahmezustand im Bezirk außer den Kreisen Dresden und Görlitz aufgehoben.

Die Kräfte der VP blieben weiterhin kaserniert, um teilweise die Aufgaben der Freunde und der KVP zu übernehmen.

Nach Auslösung des Alarms im Bezirk Dresden erschienen alle verantwortlichen Offiziere der BDVP Dresden unverzüglich in ihrer Dienststelle, so daß bereits um 6.00 Uhr die erste Lagebesprechung mit den Abteilungsleitern der BDVP durchgeführt werden konnte.

[...]

Erfahrungen und Schlußfolgerungen beim Einsatz der VP
  1. Obwohl der Polizeiführung der Hauptverwaltung auf Grund der Ereignisse in Berlin vom 16.6.1953 die Tragweite der Vorkommnisse bekannt sein mußte (?), wurden dem Chef der BDVP Dresden keinerlei konkrete Mitteilungen und Hinweise über die Vorkommnisse gegeben.
    Trotzdem in der Nacht vom 16. zum 17.6.1953 60 Kriminalisten der VP-Schule Arnsdorf nach Berlin kommandiert wurden, war die Mitteilung des Genossen Chefinspekteur Grünstein an den Chef der BDVP ohne jeden Hinweis, warum alle VP-Angeh. zu alarmieren sind. Hinzu kommt noch, daß die Auslösung des Alarms nicht durch das Kennwort "Sturm" erfolgte, sondern mehr durch eine allgemeine Mitteilung.
    Diese Form der Auslösung des Alarmes wirkte sich besonders nachteilig aus.
    a) Der Alarm wurde nicht durch das bekannte Kennwort ausgelöst, wodurch nicht der Ernst der Alarmstufe erkannt und nicht die erforderliche Ausrüstung mitgebracht wurde.
    b) Es führte weiter dazu, daß nach Auslösung für alle VP-Angehörigen (04.45 Uhr) um 8.15 Uhr für BS und SV der Dritteldienst angeordnet wurde.
    Während die HVDVP der BDVP Dresden von den Vorkommnissen in Berlin keinerlei Mitteilung machte, war die Bevölkerung bereits über Nacht durch RIAS, Arbeiter der Verkehrsbetriebe, Eisenbahner, Kraftfahrer usw. sowie durch Delegationen, die am 16.6.1953 die Stalinallee besichtigten (Betriebsparteischule Sachsenwerk Niedersedlitz, 30 Personen) von den Vorkommnissen unterrichtet. Die Folge war, daß die Volkspolizei im Bezirk Dresden am 17.6.1953 von den Ereignissen überrascht wurde, wie es wahrscheinlich am 16.6.1953 der Volkspolizei in Berlin ergangen ist. Dies hätte unbedingt vermieden werden können.
  2. Auch von Seiten der BDVP Dresden wurden den VPKÄ keine konkreten Hinweise über die Vorkommnisse aus dem Kreis Görlitz vermittelt, und selbst bei Ausrücken der Einsatzkräfte der BDVP wurde der wahre Sachverhalt der Lage nicht erläutert. Die Folge davon war, daß die Amtsleiter und die Einsatzkräfte der BDVP über die wirkliche Situation nicht informiert waren und tastend an die Erfüllung der Aufgaben herangingen (Schießbefehl usw.)
  3. Eine Folge der mangelhaften Befehlserteilung war ferner, daß von der BDVP nur ein Fernschreiben zur Alarmierung aller VP-Angehörigen herausgegeben werden konnte, ohne bereits konkrete Sicherheitsmaßnahmen anzuweisen.
    Bei der Alarmierung zeigten sich bereits entscheidende Fehler und Schwächen, z.B. ist der Alarmplan für die VP-Angehörigen technisch so aufgebaut, daß die Alarmierung durch die örtlichen Reviere erfolgt. Durch die Strukturveränderung der Abtlg. S sind die Reviere nicht in der Lage, die VP-Angeh. kurzfristig zu alarmieren, da diese Dienststellen nur schwach besetzt sind. Die Strukturveränderung der Abtlg. S bedarf gleichzeitig einer Änderung des Alarmsystems.
    Ein weiterer Mangel war, daß in einigen Kreisen die Dienstzweige BS und SV um 04.45 Uhr nicht alarmiert wurden, da die Amtsleiter der Auffassung waren, daß für diese Dienstzweige wie bisher eine Sonderregelung galt.
    Die Frage der Alarmierung der im administrativen Dienst und sich in der Freischicht befindlichen exekutiven Kräfte ist in einer relativ kurzen Zeit nicht möglich.
    Des weiteren wirkt sich in einer solchen Situation außerordentlich nachteilig aus, daß sich ein zu hoher Prozentsatz von weiblichen und körperlich behinderten VP-Angeh. in den Dienststellen befinden, der zur Durchführung eines solchen Einsatzes nicht herangezogen werden kann.
Um an Brennpunkte in kürzester Zeit kampfstarke Formationen zu entsenden, ist es erforderlich, daß an einer oder mehreren Stellen des Bezirkes eine Art Bereitschaften untergebracht sind.
  1. Beim operativen Einsatz erwies sich der derzeitige Stand der Bewaffnung und Ausrüstung der Volkspolizei als völlig unzureichend.
    a) Dieser Mangel trat besonders bei der Objektverteidigung zutage. Die in den meisten Fällen wenigen zur Verfügung stehenden Pistolen sind für die Volkspolizisten eine unzureichende moralische Stütze. Hinzu kommt, daß oft die vorhandenen Waffen zur Bewaffnung nur eines Teiles unserer Volkspolizisten bei Großalarm ausreichen. Auch der Munitionsvorrat in den Objekten ist unzureichend.
    Ferner muß beachtet werden, daß bei einer Bewaffnung mit Pistolen die Gefahr der Entwaffnung weit eher gegeben ist, als dies bei einer Bewaffnung mit Gewehren oder Maschinenwaffen der Fall ist. Der Einsatz der KVP und der Freunde hat gezeigt, welche moralische Wirkung ein aufgepflanztes Seitengewehr bzw. eine Maschinen-Pistole auf den Gegner ausübt.
    b) In den Kreisen machte sich besonders die ungenügende Ausrüstung mit geeigneten Kraftfahrzeugen (Flitzer) bemerkbar. In vielen Fällen, wo ein kleines, schnelles Fahrzeug zum Einsatz genügt hätte, mußte ein großer LKW eingesetzt werden, der natürlich für schnelle Operationen nicht geeignet ist.
    c) In der Frage der Bekleidung unserer VP-Angehörigen muß besonders auf die ungenügende Kopfbedeckung in diesen Einsätzen und das Schuhwerk (Halbschuhe) hingewiesen werden.
  2. Entscheidende Schwächen traten auf in der Frage des taktischen Einsatzes.
    a) Der Einsatz der VP-Kräfte erfolgte in erster Linie als Agitatoren und erst in zweiter Linie als Staatsmacht zur Brechung des Widerstandes.
    Der größte Mangel des Einsatzes war die Unklarheit über die Anwendung der Schuß- oder Schlagwaffe gegenüber Werktätigen. Bisher war unsere wesentliche Waffe das Referat, die Diskussion, das gute Zureden und das Überzeugen.
    b) An Brennpunkten, wo Einheiten verschiedener Formationen eingesetzt waren, machte sich nachteilig bemerkbar, daß nicht eine einheitliche zentrale Leitung an Ort und Stelle vorhanden war.
    In Dresden zum Beispiel, wo in einigen Fällen nicht alle operativen Kräfte einer einheitlichen Leitung unterstellt waren, kam es zu Überschneidungen.
    c) Die mangelnde Kenntnis in der Frage der Taktik, der Verteidigung und der Befreiung der eigenen Objekte wirkte sich außerordentlich nachteilig aus. Die Verteidigung der Objekte wurde dadurch erschwert, da bisher keine Objektverteidigungspläne vorhanden sind. Diese Schwäche wirkte sich besonders in den Haftanstalten aus.
    d) Die Bildung der Einsatzleitung in den VPKÄ sowie auch in der BDVP erfolgte zwar zeitig genug, mangelhaft war jedoch, daß die einzelnen Genossen der Einsatzleitung nicht sofort mit ihren speziellen Aufgaben betraut wurden, sondern daß diese konkrete Arbeitsteilung erst im Verlauf der weiteren Zeit erfolgte.
  3. Telefonisch entgegengenommene Meldungen und gegebene Anweisungen wurden zum Teil mangelhaft festgehalten, was sich besonders in den ersten Stunden des Einsatzes bemerkbar machte.
    Mangelnde Berichterstattung der Operativstäbe bei besonderen Vorkommnissen und die schlechte Termineinhaltung der geforderten Berichte erschwerten mitunter die operativen Maßnahmen.
    Von der Hauptverwaltung wurden Termine gestellt, die zeitlich nicht zu realisieren waren. Weiterhin war keine einheitliche Berichterstattung vorhanden, weil verschiedene Hauptabteilungen Berichte anforderten.
    Es muß in Zukunft beachtet werden, daß Anforderungen von Berichten über eine zentrale Stelle geleitet werden, um Überschneidungen und gegenteilige Anweisungen zu vermeiden.
    Beispiel: 21.6.1953, Abtlg. PM, 06.00 Uhr Fernschreiben vom Operativstab HVDVP, unterzeichnet VP-Kdr. Sch. In Westberlin werden Trauerfeierlichkeiten durchgeführt, die wahrscheinlich in der DDR durch verschiedene Elemente parallel mit durchgeführt werden. Anweisung lautete: verhindern.
    Telefonische Anruf der Abtlg. PM am gleichen Tage, 12.00 Uhr: Anweisung: Gegen die Trauerfeierlichkeiten in der DDR nichts unternehmen.
    Zwei Stunden später ordnete das MfSt. im Bezirk an, diese Trauerfeierlichkeiten unter allen Umständen zu unterbinden.
    Vom Operativstab der HVDVP kam die Anweisung, daß im Rahmen der Gesamtlage täglich die Zahl der festgenommenen Personen gemeldet werden muß (FS 562 vom 20.6.1953). Es folgt die Unterteilung von wem festgenommen, an wen übergeben usw.
    Am 21. erfolgte eine telefonische Anweisung der Hauptabtlg. U, in der, mit Ausnahme von drei Punkten, die gleiche Meldung wie oben angeführt erstattet werden mußte.
  4. Eine weitere Schwäche zeigte sich darin, daß in den Städten keine konkrete Übersicht über die vorhandenen Lautsprecherwagen (Zahl und Standort) besteht. Es muß in Zukunft den VPKÄ bekannt sein, wo sich Lautsprecherwagen befinden, um sie bei Bedarf einsetzen zu können bzw. sicherzustellen.
  5. Bei der Zuführung vorläufig festgenommener Personen traten ebenfalls Schwächen auf.
    a) Von Seiten der Freunde, KVP und VP wurden Zuführungen ohne jeden Bericht vorgenommen, und es war für die bearbeitenden K-Sachbearbeiter nicht ersichtlich, aus welchem Grunde die vorläufige Festnahme erfolgte. Die Folge war, daß sich die Vernehmungen äußerst schwierig gestalteten, da den Beschuldigten keinerlei konkrete Vorhaltungen gemacht werden konnten. Bei der hohen Anzahl der Zugeführten (Dresden und Görlitz) war am Ende nicht immer festzustellen, durch wen die Zuführungen erfolgten, so daß auch keine Rückfrage bei den genannten Dienststellen möglich war.
    b) Durch diese angeführten Mängel war die Einhaltung der demokratischen Gesetzlichkeit oft nicht gewährleistet, da zugeführte Personen (Görlitz) oft über 24 Stunden in Haft waren, weil eine sofortige Überprüfung bei der hohen Zahl des Anfalles nicht durchgeführt werden konnte.
  6. In diesen Tagen zeigte sich, daß die bisherige Schulung und Ausbildung nicht den gegebenen Forderungen gerecht wurde. Beispielsweise hatte unsere politische Schulung zwar ein hohes Niveau, aber wenig Verbindung zu alltäglichen politischen und wirtschaftlichen Fragen der Werktätigen.
    Es muß in Zukunft beachtet werden, daß unseren Genossen klargemacht wird, daß in verschiedenen Situationen immer ein Teil der Werktätigen bzw. der Arbeiterklasse auch im gegnerischen Lager stehen kann, gegen die sich ein aktives Einschreiten erforderlich macht.
    Die in den letzten Monaten durchgeführte Ausbildung führte zwar zu dem Ergebnis, disziplinierte Volkspolizisten zu erziehen, hat jedoch auf der anderen Seite den wesentlichen Mangel, daß so gut wie kein polizeitaktischer Einsatz gelehrt wurde.
    Diese entscheidende Schwäche trat besonders im operativen Einsatz zutage.
Chef der Bezirksbehörde der Deutschen
Volkspolizei D r e s d e n
(Huhn)
VP-Inspekteur

Anlage Zwischenbericht der Inspektionsgruppe

[...]

[Quelle: BArch, DO-1/11.0/305, Bl. 62-98 (Auszüge); - Namen von den Hg. anonymisiert; vollständig veröffentlicht in: Torsten Diedrich/Hans-Hermann Hertle (Hrsg.), Alarmstufe "Hornisse". Die geheimen Chef-Berichte der Volkspolizei über den 17. Juni 1953, Berlin 2003.]