Bezirksbehörde der Deutschen Volkspolizei
Cottbus
Abteilung Sekretariat

Webschulallee 61-63
Fernruf 1434-1436, Hausapparat Nr. 4
Cottbus, den 27. Juni 1953
Aktenzeichen 14 00 25
Ha./Fa.

An den VVS-Nr. 01768/53
Chef der Deutschen Volkspolizei
Gen. Generalinspekteur M a r o n
B e r l i n

5 Exemplare je 28 Blatt
1. Ausfertigung

Betr.: Auswertung der Ereignisse seit dem 16. Juni 1953
Bezug: Fernschreiben Nr. 581 vom 21.6.1953


1.) Wann, wo und wie begannen die Provokationen im Bezirk?

Die faschistischen Provokationen begannen im Bezirk Cottbus in den frühen Morgenstunden des 17. Juni 1953 im Kreise Jessen. Hier sammelte sich bereits um 07.00 Uhr auf dem Marktplatz der Kreisstadt Jessen eine Menge von ca. 250 Großbauern gemeinsam mit einigen Arbeitern der volkseigenen Ziegelei Gorrenberge und der MTS Leitwerkstatt Jessen. Sie zogen vor das Gebäude der Kreisverwaltung und forderten dort vom Staatsanwalt die Freigabe aller inhaftierten Großbauern. Der Staatsanwalt, der hier bisher den Regierungsbeschluß vom 11. Juni 1953 über die Freilassung der inhaftierten Gefangenen mit Strafen bis zu drei Jahren nicht verwirklicht hatte, sprach zur Masse und machte einige Zugeständnisse. Hiernach zog sich die Menge von der Kreisverwaltung zurück, und es kam auf dem Marktplatz zu einigen provokatorischen Hetzreden. Uniformierte Volkspolizisten wurden hier noch nicht eingesetzt, jedoch wurden K-Angehörige in Zivil zum Erkennen der Rädelsführer auf dem Marktplatz eingesetzt. Der VP-Mstr. G. wurde hier von mehreren Personen überfallen und ihm mit Gewalt die Dienstwaffe entrissen. Sie wurde jedoch im Laufe des Tages auf dem VPKA abgegeben. Der Plan der demonstrierenden Großbauern, Delegationen zu den U-Haftanstalten Herzberg und Liebenwerda zur Befreiung der dort inhaftierten Großbauern zu entsenden, wurde durch taktische Maßnahmen vereitelt. Im Laufe des Vormittags löste sich die Demonstration in Jessen auf.

In der Bezirksstadt Cottbus begann das Reichsbahnausbesserungswerk Cottbus, welches eine Belegschaftsstärke von 2.500 Mann hatte, um 10.30 Uhr nach Ertönen der Werksirene mit dem Streik. Die Arbeiter verließen die Arbeitsplätze und sammelten sich nach Aufrufen einiger Rädelsführer zu einem Demonstrationszug in Richtung Stadt-Mitte. Die Spitze dieses Zuges wurde von Soldaten der Sowjetarmee noch vor Erreichen des Stadtinnern angehalten, und der Zug begab sich zum RAW zurück. In den Mittagsstunden des 17. Juni 1953 nutzten junge Menschen, besonders Angehörige der Jungen Gemeinde und eine Anzahl weiblicher Wesen (Prostituierte) die Streikbewegung im RAW Cottbus aus und formierten einen Demonstrationszug zur Stadtmitte.

Dieser Zug gewann beim Marsch durch die Stadt rasch an Anhängern. Weiter sammelten sich eine große Anzahl von Schaulustigen im Stadtzentrum. Unter Ausbrüllen von Losungen wie:

"Nieder mit der Regierung, Freiheit für alle Gefangenen, Senkung der HO-Preise um 40 %" zogen sie durch die Straßen. Beim Erreichen des Dienstgebäudes vom Rat des Bezirkes Cottbus stellten sie die Forderung, daß alle Funktionäre des Staatsapparates das Haus zu verlassen hätten. Ein Eindringen in das Dienstgebäude wurde durch rechtzeitiges Schließen aller Eingänge verhindert. Da nur 100 m vom Rat des Bezirkes entfernt die UHA Cottbus liegt, zog diese Meute unter Johlen und Pfeifen dorthin. Die hier eingesetzten Sicherungskräfte der Volkspolizei genügten zur Sicherung der Außenfront der Anstalt, konnten jedoch die Demonstration selbst nicht auflösen. Die inzwischen alarmierten Einsatzkräfte der BDVP Cottbus und des VPKA Cottbus wurden sofort auf MTW dorthin gebracht, und es begann die Auflösung der Demonstration. Hier wurde von den Demonstranten ernster Widerstand geleistet, und nur langsam konnten die Räumungsketten die Demonstranten zurückdrücken. Diese sehr heikle Lage vor der UHA Cottbus veranlaßte den Militärkommandanten der sowjetischen Einheiten im Bezirk Cottbus zum Einsatz von Panzern und Panzerspähwagen. Das Erscheinen derselben versetzte die Menge zwar in Schrecken, jedoch steigerte sich jetzt die Wut um ein Mehrfaches. Neben wüsten Hetzreden gegen die sowjetischen Offiziere wurde in einzelnen Fällen auch tätlich gegen die Angehörigen der Sowjetarmee vorgegangen. Bei dem Versuch einer gewaltsamen Entwendung einer MPi machten dann die Soldaten von der Schußwaffe Gebrauch und gaben mehrere Warnschüsse ab. Im gemeinsamen Einsatz mit der Sowjetarmee wurde die Demonstration nach zwei Stunden aufgelöst. Gegen 18.00 Uhr war das Stadtbild in Cottbus zwar nicht normal, jedoch gab es keine Demonstrationen mehr. Sowjetische Panzereinheiten hatten den Schutz der öffentlichen Gebäude, der UHA, der VA und des Postamtes übernommen. Der Ausnahmezustand wurde vom Militärkommandanten verhängt.

In den späten Abendstunden des 17. Juni bildete sich in der Gemeinde Sielow Krs. Cottbus ein Demonstrationszug. Hier wurden Mitglieder der SED angegriffen und niedergeschlagen. Die Rädelsführer öffneten das Spritzenhaus der Freiwilligen Feuerwehr und setzten die Feuerwehrsirene in Betrieb. Hierauf fand sich der größte Teil der Dorfbevölkerung auf dem Dorfplatz ein, und die Rädelsführer riefen zum Mord an aktiven Genossen der SED auf und versuchten auch die Plünderung der Wohnungen einiger Volkspolizisten zu organisieren. Von diesem Vorgang erhielten wir erst am nächsten Tage Kenntnis, und hierauf wurde in den Abendstunden des 18. Juni ein planmäßiger Einsatz gegen alle Rädelsführer durchgeführt und sie selbst festgenommen.

Im Industrieschwerpunkt des Bezirkes Cottbus, in Lauchhammer, entwickelte sich in den Vormittagsstunden des 17. Juni eine lebhafte Streikbewegung. Mittelpunkt der Demonstrationen und des Streiks war hier die Großkokerei Matyas Rakosi.

Während die Stammarbeiter der Großkokerei entschlossen gegen alle Streikenden auftraten und sich selbst nicht am Streik beteiligten, traten dort jedoch alle Baubetriebe in den Streik. Der Ausgangspunkt der Streikbewegung war die dort zu Bauarbeiten eingesetzte Berliner Firma "Gaselan". Aus diesem Betrieb war auch am 16. Juni ein Arbeiter in Berlin, und am 17. wurde von diesem Baubetrieb aus der Streik über das Lauchhammergebiet ausgerufen. Es kam zu größeren Demonstrationen, und die Lage wurde für die Großkokerei selbst bedenklich, da durch Unterbrechung der Brikettzufuhren die weitere Beschickung der Koksöfen gefährdet war. Ein Ausgehen der Öfen hätte eine Stillegung der Produktion von mindestens 24 Tagen zur Folge gehabt. Nachdem die eingesetzten VP-Kräfte sich gegenüber der hohen Zahl der Demonstranten als zu schwach erwiesen, wurden in den Abendstunden sowjetische Panzereinheiten im Lauchhammergebiet eingesetzt. Sie ermöglichten als erstes den Fortgang der Brikettproduktion in den Brikettwerken und gewährleisteten somit die weitere Arbeit der Koksöfen. Im gemeinsamen Einsatz wurden auch hier die Demonstranten noch in den Abendstunden zerstreut.

Weitere Streikmeldungen gab es am 17. Juni aus Finsterwalde, wo der Kreisbaubetrieb, die Fimag und das Tewa-Drahtziehwerk streikten. Ohne den Einsatz sowjetischer Truppen, lediglich durch persönliche Ansprachen des Kreiskommandanten, wurden hier die Streikbewegungen eingedämmt.

Im Kreis Calau streikte am 17. vormittags das Bahnbetriebswerk in Lübbenau sowie ein Teil der Venus-Werke. Es kam auch zu einer Demonstration in Lübbenau, die jedoch von der Volkspolizei aufgelöst wurde.

Ernstere Anzeichen gab es dagegen im Kreise Lübben. Hier ging die Streikbewegung von einigen Bahnarbeitern aus, die dann auch auf die große Trikotagenfabrik "Spree" übergriff. Es kam zu Demonstrationen in der Stadt Lübben und zu einem Angriff auf das VPKA Lübben, der jedoch sicher abgewiesen werden konnte.

Die Gesamtlage im Bezirk Cottbus wies am 17. Juni folgende Schwerpunkte auf:

Cottbus, Krs. Senftenberg, mit Lauchhammergebiet, VPKA Lübben und Jessen. In allen weiteren Kreisen des Bezirkes brodelte es, und es wurden Vorbereitungen getroffen zur Vergrößerung der Streikbewegung. Die Verhängung des Ausnahmezustandes entfachte vielerorts lebhafte Diskussionen, und wüste Hetzparolen wurden verbreitet.

2.) Wann wurden die VP-Angehörigen alarmiert?

Nachdem der Chef der BDVP am 17. Juni 1953 gegen 05.15 Uhr von der HVDVP über die Vorgänge im demokratischen Sektor unterrichtet wurde, veranlaßte er sofort folgende Maßnahmen:

Die Offiziere der Leitung und alle Abteilungsleiter wurden durch Telefon gegen 05.30 Uhr zur Dienststelle gerufen. Der Stellvertreter Allgemein verständigte in der Zwischenzeit alle Dienststellenleiter der VPKÄ und gleichgestellten Dienststellen, daß sie sich sofort zur Dienststelle zu begeben haben. Es wurden gleichzeitig an die Kreisamtsleiter die ersten Maßnahmen zur Alarmierung der VP-Angehörigen getroffen. [sic!] In der BDVP fand um 06.45 Uhr eine Dienstbesprechung aller Abteilungsleiter statt, es wurde hier die Lage erläutert und für jede Dienststelle im Bezirk ein Instrukteur ausgewählt. Bei Dienstbeginn wurde in der BDVP alarmiert, und kein Volkpolizist durfte die Dienststelle verlassen. Gleiche Weisungen gingen fernmündlich an alle Dienststellen im Bezirk. Die Alarmierung der Volkspolizisten in den Kreisen wurde dadurch erleichtert, daß um 08.00 Uhr der normale Dienstbetrieb anlief und alle Volkspolizisten in den Dienststellen weilten. Die Verständigung der ABV und der Urlauber erfolgte durch Telefon bzw. mit Kradmeldern. Die vorliegenden Berichte der Instrukteure zeigen, daß je nach Einschätzung der Lage die volle Einsatzbereitschaft der Dienststellen zwischen 10.00 und 14.00 Uhr hergestellt wurde.

3.) Wie war die Leitung der BDVP nach der Alarmierung zusammengesetzt und wie war sie organisiert?

Die Leitung der BDVP Cottbus setzte sich nach der Alarmierung wie folgt zusammen:

Der Chef, VP-Inspekteur Schwerke, übernahm die Gesamtverantwortung des Einsatzes. Er übernahm die ständige Verbindung zum Bezirkskommandanten, zur SED-Bezirksleitung, zum MfS und zum Rat des Bezirkes. Der Stellvertreter Allgemein, VP-ORat Garbrecht, übernahm die Leitung aller operativen Maßnahmen im Bezirk, er lenkte die Einsätze aller Einheiten im Bezirk und gab ständige Anleitung in den jeweiligen Situationen. Der Stellvertreter Polit, VP-Kdr. Engelbrecht, übernahm die Leitung der politischen Arbeit während des Einsatzes. Zur Leitung gehörte ferner der Genosse Parteisekretär der BDVP, VP-Komm. Huth. Er leitete nach jeweiligen Lagen die Arbeit der Parteiorganisation in der BDVP. Alle vier Offiziere befanden sich ständig im Dienstzimmer des Chefs der BDVP. Der Einsatzleitung standen zur Verfügung: ein Dolmetscher, zwei Offiziere zur besonderen Verwendung, zwei weibliche Volkspolizisten als Melder innerhalb der BDVP, zwei weibliche Volkspolizisten als Schreibkräfte für die Einsatzleitung. Die Leitung dieser Hilfskräfte für die Einsatzleitung oblag dem SK-Leiter. Der OP-Stab war ständig voll besetzt und durch zwei Schreibkräfte verstärkt. Die Fernsprechvermittlung wurde doppelt besetzt, es wurden nur Einsatzgespräche vermittelt, die Nachrichtenverbindung zur Einsatzleitung erfuhr keinerlei Stockungen. Die ständige Anwesenheit von Meldern und Offizieren zur besonderen Verwendung der Einsatzleitung hat sich gut bewährt, da im Verlaufe des Einsatzes vielfach Kurierfahrten zu den Dienststellen der Staatsorgane in der Bezirksstadt notwendig waren. Bei Fahrten zum Bezirkskommandanten, SED-Bezirksleitung, MfS usw. wurden die Offiziere der Leitung ständig von einem der ZBV-Offiziere begleitet.

4.) Wann erfolgte die Alarmierung der VP-Ämter und welche Weisung erhielten sie?

Um 05.30 Uhr des 17. Juni wurden vom Stellvertreter Allgemein alle Amtsleiter zum sofortigen Aufsuchen der Dienststellen angewiesen. Sie wurden mit wenigen Worten auf die Lage in Berlin hingewiesen und veranlaßt, sämtliche Abteilungsleiter zur Dienststelle zu rufen. Der Einsatz sämtlicher Fahrzeuge für anderweitige Aufgaben wurde untersagt. Es wurde eine sofortige Verstärkung der UHA befohlen. Um 08.30 Uhr wurde fernmündlich der Alarmzustand allen Dienststellen bekanntgegeben. Es wurde die Weisung erteilt, daß kein Volkspolizist die Dienststelle verlassen darf. Die sofortige Bewaffnung und Ausgabe aller Polizeiknüppel wurde gegen 10.00 Uhr fernmündlich angewiesen. Um 14.45 Uhr wurde fernschriftlich durch Blitz die Alarmstufe III ausgelöst. Es wurde die Frage der Verpflegungs-Bevorratung angewiesen, desgleichen der Einsatz der ABV in ihren Abschnitten. Aufgrund der bereits fernmündlich erteilten Weisungen waren die Dienststellen bei Eintreffen dieses Blitz-Fernschreibens bereits voll einsatzbereit.

5.) Wurde Verbindung zu anderen Dienststellen (MfS, SKK, SED, KVP) hergestellt?

Jawohl, bereits in den frühen Morgenstunden des 17. Juni erfolgten fernmündliche und persönliche Absprachen bei den Leitern der genannten Dienststellen. Mit dem Kommandeur der in Cottbus stationierten Einheit der VP-Luft wurde gegen 12.30 Uhr Verbindung aufgenommen, jedoch konnte hier eine Unterstützung für operative Maßnahmen durch anderslautende Befehle des Ministeriums vorerst nicht erreicht werden. Sämtliche bei der BDVP einlaufenden Lageberichte wurden unverzüglich mit der SKK, MfS und der SED ausgewertet. Auch die einzuleitenden Maßnahmen wurden jeweils koordiniert. Mängel gab es in der Zusammenarbeit mit diesen Dienststellen nicht.

6.) Welche Schwerpunkte bildeten sich im Bezirk heraus?

Als wesentlichster Schwerpunkt muß bei den Ereignissen des 17. Juni in Cottbus die Frage der Haftarbeitslager erwähnt werden. Die Haftarbeitslager in Preschen Krs. Forst, Drewitz Krs. Guben und Schacksdorf Krs. Finsterwalde bedeuteten bei der Entwicklung der Lage eine ungeheuerliche Belastung. Besonders traf dies für das Haftlager in Preschen zu. Hier waren bereits in der Woche zuvor Mißstimmungen unter den Gefangenen wegen nicht genügender Verpflegung entstanden, und bei den Volkspolizisten, die hier zur Sicherung eingesetzt waren, bewirkte die damalige neue Regelung der Zahlung von Trennungsentschädigung ein merkliches Nachlassen der Dienstfreudigkeit. Die im Monat Juni erfolgten Entweichungen aus den Sommerhaftlagern sind durchaus mit der schlechten Stimmung in diesen Haftlagern in Zusammenhang zu bringen. Weiter war zu beachten, daß die Gefangenen nur mit Bauarbeitern zusammen arbeiteten, und ja gerade die Bauarbeiter am 17. Juni in der Streikbewegung vorangingen. Unter klarer Einschätzung der taktischen Lage war eine Sicherheit weiterhin für diese Haftlager nicht gegeben. Die Leitung der BDVP ordnete daher an, daß aus Sicherheitsgründen die Arbeit auf den Baustellen der Gefangenen sofort einzustellen ist. Eine Rückführung der Gefangenen in die wirklich sichere VA Cottbus konnte jedoch unter Beachtung der allgemeinen Verhetzung der Massen während der Tagesstunden nicht erfolgen.

Als weiterer Schwerpunkt war zumindest zeitweilig die Demonstration der Großbauern in Jessen anzusehen. Die Kräfte des VPKA Jessen hätten unter Beachtung der zur Verfügung stehenden Waffen und Ausrüstung niemals die Lage bei ernsten Zwischenfällen meistern können. Zu beachten ist hier noch, daß Jessen mit 125 km Fahrstrecke der weiteste entfernte Kreis von der Bezirksstadt selbst ist. Die Lage in Jessen beruhigte sich jedoch im Laufe der Mittagsstunden des 17., zumal eine Anzahl der inhaftierten Großbauern noch am 17. in Freiheit gesetzt wurde.

Als nächster Schwerpunkt war die Bezirksstadt Cottbus selbst anzusehen. Der Streik im Reichsbahnausbesserungswerk und bei den Betrieben der Bauunion griff hier auf zahlreiche weitere Industriebetriebe über und nahm durchaus einen ernsten Charakter an. Die Demonstration am Nachmittag des 17. Juni 53 gegen den Rat des Bezirkes und der versuchte Angriff auf die UHA in Cottbus in der Mauerstraße verlangten durchaus den Einsatz aller Kräfte.

Im Lauchhammergebiet lag der Schwerpunkt bei der Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung im wichtigsten Industriegebiet des Bezirkes Cottbus. Die hier rasch um sich greifende Streikaktion der Bauarbeiter, die auch einige Betriebe der Bergbauindustrie erfaßte, hätte zu ernsten Störungen des Wirtschaftslebens, besonders in der Kohlenförderung, führen können. Wertvoll war hierbei besonders die Haltung unserer Braunkohlekumpels. Kategorisch lehnten sie die Teilnahme am Streik ab, und es ist hier nicht ein Fall bekannt, daß die Kumpels unserer Braunkohlewerke gestreikt hätten. Lediglich die Bau- und Zubringerbetriebe waren von der Streikbewegung erfaßt. Da es im Lauchhammergebiet galt, die klassenbewußten Arbeiter von den Provokateuren und Irregeführten zu trennen, mußte hier unbedingt schnellstens die Streikbewegung erstickt werden.

7.) Welche Maßnahmen wurden zu ihrer Bekämpfung eingeleitet?

Da es in erster Linie galt, die Sicherheit aller Haftlager bzw. der Gefangenen zu gewährleisten, wurde in der Nacht vom 17. zum 18. die vollkommene Räumung der Sommerhaftlager vom Chef der BDVP angeordnet. Nach einem genau festgelegten Transportplan und dem Einsatz entsprechender Sicherungskräfte begann um 20.30 Uhr am 17. Juni 1953 die Räumung des Sommerhaftlagers Preschen. In zwei Transporten wurde dieses Lager zur Nachtzeit ohne irgendwelche Vorkommnisse geräumt und alle Gefangenen sicher zur VA Cottbus überführt. Die Gefangenen selbst waren über die Lage der Dinge nicht unterrichtet, waren lediglich erstaunt über die starken Bewegungen sowjetischer Truppeneinheiten. Noch in den frühen Morgenstunden begann die Räumung des Sommerhaftlagers Drewitz Krs. Guben, und es wurden hier dreiviertel der einsitzenden Gefangenen per LKW-Transport zur VA Cottbus überführt. Die restlose Überführung der Gefangenen vom Lager Drewitz konnte in den Morgenstunden des 18. Juni nicht erfolgen, da der anbrechende Tag und der nach Aufhebung der Sperrstunde wieder einsetzende öffentliche Verkehr die Bewegung einer derartigen LKW-Kolonne mit entsprechenden Sicherungsfahrzeugen nicht mehr zuließ. Es mußten also ca. 200 Gefangene im Lager zurückbleiben. Dieser Umstand jedoch bildete im Laufe des 18. einen erheblichen Gefahrenpunkt, der früh noch nicht abzusehen war. Im Laufe der Vormittagsstunden ergriff die Streikbewegung auch hier die tätigen Arbeiter der Bauunion. Es kam zu Zusammenrottungen, und eine Demonstration von mindestens 400 Menschen begab sich zum Haftlager und forderte unter entsprechender Stimmungsmache die Freilassung der einsitzenden Gefangenen. Die Lage war hier sehr kritisch, denn die Sicherungskräfte waren nicht mehr vollzählig, und von Cottbus aus wurde dann sofort eine Kompanie der KVP und eine Panzereinheit sowie ein Zug der Wacheinheit der BDVP Cottbus nach dort entsandt. Die Demonstranten, die sich bereits unmittelbar der Lagerumzäunung genähert hatten, wurden dann durch einen plötzlich einsetzenden starken Gewitterregen auseinandergetrieben, und mit dem Eintreffen der Kräfte aus Cottbus wurde dann auch wieder die Ruhe hergestellt. Die Rädelsführer dieser geplanten Aktion wurden festgenommen. Sicherungskräfte verblieben bis Abend im Objekt, und zur Nachtzeit begann dann die Überführung der restlichen Häftlinge nach Cottbus. Um 22.50 Uhr war die Überführung ordnungsgemäß abgeschlossen. Es ereignete sich hierbei ein Verkehrsunfall mit Personenschaden. Ein Begleitkrad der VP fuhr beim Umpendeln der LKW gegen einen Ackerwagen. Der Kradfahrer sowie sein Begleiter wurden verletzt und trugen eine Gehirnerschütterung bzw. leichte Erschütterungen davon und mußten in das Krankenhaus Cottbus überführt werden.

Wenn sich auch einige Schwierigkeiten in der Unterbringung der Gefangenen in der VA Cottbus selbst ergaben, so konnte durch Aufschlagen von Zelten innerhalb der Anstalt die volle Ruhe und Ordnung gewährleistet werden. Alle Posten der Volkspolizei waren einsatzbereit und sicherten gut die Anstalt nach außen hin ab. Ein sowjetischer Panzer wurde zur Verstärkung vor dem Haupteingang eingesetzt.

Die Lage in Jessen wurde im wesentlichen mit den dort vorhandenen örtlichen Kräften geklärt. Die nach dorthin entsandten Einsatzkräfte der BDVP brauchten nicht mehr in Aktion zu treten. Hervorzuheben ist besonders, daß der sowjetische Kreiskommandant in vorbildlicher Art alle lebenswichtigen Betriebe und Objekte selbst besetzte und auch nachts noch den Streifendienst im Kreis übernahm. Die Organe der VP brauchten sich somit nur mit der Festnahme der Rädelsführer befassen.

In der Bezirksstadt Cottbus wurde die gesamte Wacheinheit, alle männlichen Volkspolizisten der BDVP und der Einsatzzug des VPKA zur Zerschlagung des Angriffes auf die UHA eingesetzt. Wie schon unter Punkt 6 berichtet, wurden die Aktionen der Volkspolizei von den Einheiten der Sowjetarmee vorbildlich unterstützt. Die Lage vor der UHA Cottbus wäre zweifellos sehr ernst geworden, wenn nicht die Hilfe unserer Freunde gekommen wäre. Noch in den Tagesstunden des 17. Juni wurde der Streifendienst in der Stadt Cottbus organisiert und aufgenommen. Streifen wurden nur entsandt in einer Stärke von vier bis sechs Genossen. 50 % der Streifen waren mit Karabiner ausgerüstet. Ein Einsatzzug der Wacheinheit wurde mehrmals am 17. Juni zur Auflösung von Demonstrationen innerhalb der Betriebe selbst eingesetzt. Von den Schußwaffen wurde hier kein Gebrauch gemacht. Die Massen nahmen angesichts des sicheren Auftretens unserer Volkspolizisten immer Vernunft an. Zur Klärung der Vorfälle in Sielow Krs. Cottbus und den dort geplanten Verbrechen, alle Funktionäre zu ermorden, wurde in den Abendstunden des 18. ein starkes Einsatzkommando der Wacheinheit mit Kriminalpolizei dort eingesetzt. Alle Anstifter konnten festgenommen werden. Auch die Streiks am 18. und 19. in Cottbus wurden in enger Zusammenarbeit mit der Kommandantur durch die Einsatzkommandos der Volkspolizei aufgelöst. Als besonders hartnäckig erwiesen sich hier die Arbeiter der Bauunion, die immer wieder versuchten, den Streik auf neue Betriebe auszudehnen.

Im Industrieschwerpunkt Lauchhammer reichten die örtlichen Kräfte des VPA(B) Matyas Rakosi nicht aus, um Herr der Lage zu werden. Hier wurden zusätzlich der BS-Lehrgang aus Annahütte Krs. Senftenberg eingesetzt und alle Volkspolizisten des Reviers Lauchhammer. Von der BDVP Cottbus wurde ein Zug der Wacheinheit nach dort entsandt, der sich dann auch in den Abendstunden an der Auflösung der Demonstration beteiligte. Hervorgehoben muß werden, daß die Offiziere der Sowjetarmee vor Einleitung aller Maßnahmen jeweils noch Worte zur Vernunftannahme an die Demonstranten richteten. Erst als diese unberücksichtigt blieben, wurde organisiert vorgegangen. In Lauchhammer konnte innerhalb einer Stunde nach tatkräftigem Einsatz die Demonstration aufgelöst werden. Die Arbeiter suchten teilweise wieder die Arbeitsplätze auf, während jedoch der größte Teil, und das waren hier wieder die Bauarbeiter, sich nach Hause begaben. Die meisten wohnten jedoch in den Städten wie Halle, Magdeburg usw.

Im Kreis Calau und Lübben fanden nur Einsätze der VP kleineren Charakters statt, da hier die Demonstrationen nicht diesen großen Umfang angenommen haben. In Lübben versuchte man, in das VPKA einzudringen. Der ordnungsgemäße Verschluß der Türen und das Aufstellen entsprechender Sperrketten vor den Türen zwang hier die Massen zur Aufgabe dieses Vorhabens. Verluste an Menschen und Material waren bei diesen Einsätzen nicht zu beklagen.

8.) An welchen Dienststellen erfolgten Angriffe auf VP-Dienststellen?

Im Bezirk Cottbus wurden folgende VP-Dienststellen angegriffen:

UHA Cottbus, Mauerstraße, Sommerhaftlager Drewitz Krs. Guben, VPKA Lübben, Unterkunft des VPA(B) Matyas Rakosi.

Weiter wurden noch am 17.6.1953 der Dienstraum der BS-B Einheit im BKW Friedenswacht durch Banditen besetzt. Es wurden Fahnen und Losungen von den Wänden abgerissen.

9.) Welche Maßnahmen wurden zu ihrer Zurückweisung getroffen?

Nachdem die Sicherung der UHA Cottbus nur den Schutz des Objektes gewährleisten konnte, aber nicht die Demonstranten selbst auflösen und zurückweisen konnte, mußten hierzu die Einsatz-Kräfte der BDVP und des VPKA Cottbus mit MTW schnell nach dort befördert werden. Es wurden dort Räumketten gebildet, und die Massen wurden zurückgedrückt. Nach Auflösung der Demonstration wurde ein sowj. Panzer zur Außensicherung der UHA eingesetzt. Im Innern der Anstalt wurde eine Gruppe sowj. Soldaten mit einem MG zur Sicherung eingesetzt.

Zu Entweichungen aus der UHA ist es während dieser Zeit nicht gekommen.

Das Sommerhaftlager Drewitz wurde in den Vormittagsstunden des 18. Juni 1953 von Demonstranten aus der Baustelle Drewitz angegriffen. Trotz der getroffenen Sicherungsmaßnahmen der VP konnten sich die Demonstranten dem Lager nähern, und es sah bedenklich aus. Zur rechten Zeit setzte jedoch ein starker Gewitterregen ein, und die Demonstranten zerstreuten sich wieder. Auf die Meldungen aus dem Haftlager Drewitz wurden hier von der BDVP Cottbus sofort eine Kompanie der KVP nach dort entsandt (die Zurverfügungstellung von Einsatzkräften hatte die KVP in den Morgenstunden des 18.6.53 zugesagt). Weiter wurden eine sowj. Einheit mit Panzern und ein Einsatzzug der BDVP nach dort entsandt. Diese Kräfte brauchten nicht mehr gegen die Demonstranten vorgehen. Es wurden lediglich noch die Anstifter festgenommen. Sodann wurde das Lager bis zum Abtransport der Gefangenen in den Abendstunden gesichert.

Am 17.6.1953 wurde das VPKA Lübben durch die faschistischen Provokateure und die aufgehetzte Masse (ca. 300 Personen) tätlich angegriffen, indem der Demonstrationszug vor dem Gebäude erschien und mit großem Geschrei wie z.B.: "Gebt die Gefangenen frei", oder "Wollt ihr Deutsche sein, so tretet in unsre Reihen ein". Zahlreiche Jugendliche, darunter Kugelkreuzler, schrien: "Wir wollen unsere Freiheit, wir wollen frei sein." Einzelne Gruppen lösten sich aus der Masse, und unter Rütteln an der Eingangstür und Brüllen versuchten sie, sich Einlaß zu verschaffen. Durch richtigen Einsatz der Volkspolizisten im und vor dem Gebäude und Sicherung aller Kraftfahrzeuge auf dem Hof des VPKA konnten die Provokateure nicht in das Gebäude sowie auf das Gelände eindringen. Schaden entstand hier in keiner Weise.

10.) In welche Dienststelle konnten die Provokateure eindringen und die Gründe hierzu?

Die Provokateure konnten in Lauchhammer die Unterkunft des VPA(B) Matyas Rakosi vorübergehend teilweise in Besitz nehmen. Sie stiegen auf das Dach, nahmen dort den VP-Stern sowie Fahnen und Transparente ab und warfen diese zum Erdboden. Welche Gründe lagen hierzu vor? Der Politstellvertreter des VPA(B), Gen. Komm. H., hatte vom Amtsleiter, Rat Sch., den Auftrag zur Sicherung der Unterkunft erhalten. Der Demonstrationszug bewegte sich zum BKW Friedenswacht und riß dort einige Transparente und Fahnen herab. Bereits auf dem Rückmarsch befindlich, näherten sie sich auch der VP-Unterkunft. Jetzt gab der Politstellvertreter aus Feigheit den Befehl an zwei Genossen Wachtmeister, sich mit ihm durch das Fenster nach hinten aus der Unterkunft zu entfernen. Sie legten sich in ein Kornfeld und verblieben dort ca. eineinhalb Std. Die in der Unterkunft zurückgebliebenen drei Wachtmeister (zwei männl. und ein weibl.) konnten nun nicht mehr verhindern, daß die Losungen und Fahnen sowie der VP-Stern von der Unterkunft entfernt wurden. Wegen dieses feigen Verhaltens wurde gegen den Politstellvertreter Komm. H. sofort eine genaue Untersuchung eingeleitet, und er gab zu, daß er aus Feigheit so gehandelt hat. Er hätte bisher von seinem Leben noch nicht viel gehabt und wollte einer harten Auseinandersetzung und den evtl. hieraus entstehenden Folgen aus dem Wege gehen. Er wurde vom Chef der BDVP mit zehn Tagen Arrest bestraft und gegen ihn wurde ein Strafverfahren eingeleitet. Dieser Vorgang zeigt mit aller Klarheit, daß H. nicht die geringsten Voraussetzungen für einen Politstellvertreter hat und als Offizier der Volkspolizei im Einsatz grundsätzlich versagt hat. Die Genossen Wachtmeister sprechen abfällig über H.. Zu bemerken ist hier weiter, daß auch der Leiter des VPA(B), Rat Sch., nicht den Anforderungen eines Amtsleiters in diesen Tagen genügte. Seine Befehlserteilung war ungenügend, und niemals konnte er die Lage richtig einschätzen und dementsprechend handeln.

11.) In welche Bezirks- oder Kreisleitung sind die Provokateure eingedrungen?

Im Bezirk Cottbus gelang es den Provokateuren in keinem Fall, ein derartiges Gebäude zu besetzen oder auch nur einzudringen.

12.) Bewertung der leitenden Offiziere der VP und ihr Verhalten in den Tagen der Provokation.

[...]

13.) Bewertung des Verhaltens der anderen VP-Offiziere und Wachtmeister: Zustand der Disziplin

Zusammenfassend ist festzustellen, daß sich der überwiegende Teil der Volkspolizisten diszipliniert und einsatzbereit zeigte. Durch entsprechende Aufklärung der Polit-Organe hatten die Volkspolizisten in kurzer Zeit den Ernst der Lage erkannt.

[...]

Im Bezirk Cottbus waren zur Zerschlagung der faschistischen Provokationen eingesetzt: 290 Offiziere, 1.865 Wachtmeister, 396 weibl. Volkspolizisten, insgesamt: 2.551.

In der Zeit vom 17.-21 Juni wurden insgesamt 16 Disziplinarstrafen ausgesprochen, davon sechs Offiziere, neun Wachtmeister und eine weibl. Volkspolizistin.

Verletzte gab es auf Seiten der Volkspolizei einen Volkspolizisten. Der VP-Mstr. G. vom VPKA Jessen wurde von etlichen Großbauern in ein Handgemenge verwickelt und erhielt dabei Kratzwunden im Gesicht.

Verletzte unter den Bürgern unserer Republik gab es zwei. Im Kreis Jessen wurde einem Jungen Pionier beim gewaltsamen Abnehmen des Pioniertuches ein Finger gebrochen.

Im Kreis Lübben wurde ein Provokateur auf der Flucht durch einen Sowjetsoldaten angeschossen.

Tote gab es auf beiden Seiten nicht.

Fahrzeugausfälle gab es lediglich ein Krad am 18.6.53 durch einen leichten Verkehrsunfall. Das Krad war nach 24 Stunden wieder einsatzbereit.

Da alle Genossen Offiziere und Wachtmeister in diesem Einsatz ihre persönlichen Sorgen und Belange zurückstellten und auch die Unbequemlichkeiten in der Unterbringung in Kauf nahmen, ist zu ersehen, daß die Deutsche Volkspolizei in ihrer überwiegenden Gesamtheit einsatzbereit ist. Mit Eifer und Mut führten die Genossen Kraftfahrer die Einsatzfahrzeuge. Unermüdlich und flink waren die Melder, rastlos in der Tätigkeit unsere Nachrichtenvermittlungskräfte. In der BDVP Cottbus verlangten die weiblichen Volkspolizisten, auch zum Streifendienst während der Tageszeit mit eingesetzt zu werden, da sie hinter den Genossen nicht zurückstehen wollten. Ich bewerte diese guten Leistungen im Ergebnis der bisherigen politischen Erziehungsarbeit und Schlußfolgerungen, daß bei weiterer Stärkung besonders des Verantwortungsbewußtseins unserer Offiziere wir auch künftighin Erfolge haben werden.

Einschätzung der Arbeit der Polit-Stellvertreter in den Kreisen des Bezirkes Cottbus

[...]

14.) Wie haben die Polit-Organe die Partei und FDJ-Organisationen angeleitet, um die Einsatzbereitschaft zu heben

[...]

15.) Welche Erfahrungen wurden beim Einsatz der VP gemacht?

Hier ist an erster Stelle die unzureichende Bewaffnung zu nennen. Es gab Ämter, in denen nur 50 % der Volkspolizisten eine Waffe erhalten konnten. Dabei ist zu bemerken, daß mit drei Schuß Munition für eine Pistole 7,65 mm durchaus kein Einsatz zu führen ist. Selbst acht Schuß für eine Pistole 08 sind zu wenig. Unseren Dienststellen fehlen Maschinenpistolen, und in den Objekten wie VA, VPA(B) und Sommerhaftlagern müssen unbedingt Maschinengewehre sein.

Unsere kleinen Kübelwagen müssen Vorrichtungen erhalten, damit gleich aus dem Fahrzeug heraus Maschinengewehre zum Einsatz gebracht werden können. Weiterhin muß jeder Volkspolizist einen Gummiknüppel haben, auch hieran hat es gemangelt.

Auf dem Flugbeobachtungsposten fehlt einiges Material an Ferngläsern. Mit bloßem Auge ist die Beobachtung des Luftraumes nur schwer möglich. Auch hierin muß also eine Verbesserung eintreten. Weiter fehlen uns in der Fahrzeugausstattung noch Kübelwagen und Fahrzeuge mit Funk- bzw. Sprechfunkausstattung. Bei Einsätzen hat es sich negativ ausgewirkt, daß keine direkte Verbindung zu den Einsatzeinheiten bestand und die Meldungen über die Lage immer erst durch Kräder übermittelt werden mußten. Eine Sprechfunkanlage könnte hier vieles verbessern.

Unsere Ausrüstung als VP hat viele Mängel. Es mangelt an Brotbeuteln, Kochgeschirren und Feldflaschen, weiter fehlen Decken. Auch die Uniform hat Nachteile, wobei besonders das Tragen des Binders zum Sommerhemd sich ungünstig zeigte. Es sollte bei derartigen Einsätzen von diesem Binder abgesehen werden bzw. die Uniform so geschaffen werden, daß diese Behinderungen im Kampf gegen Demonstranten nicht auftreten können.

Die Frage der Kopfbedeckung trat hier im Bezirk nicht besonders in Erscheinung, aber nachteilig ist unsere derzeitige Kopfbedeckung auf alle Fälle. Eine Schirmmütze fällt schnell vom Kopf, wogegen ein Helm durch den Kinnriemen viel fester sitzen würde. Die Intendantur braucht Feldküchen, Essenkübel und Thermosbehälter. Unzureichend war diesmal die Frage der Taschenlampen geklärt, es fehlten besonders Batterien hierzu.

Die KFZ-Ausstattung für einzelne Ämter ist noch nicht ausreichend. Diesmal konnte die Lage durch Inbesitznahme der Fahrzeuge vom GST geklärt werden.

Unsere Ausbildung muß verbessert werden. Uns fehlen taktische Erfahrungen im Straßenkampf. Unseren Kraftfahrern fehlt noch der taktische Einsatz von KFZ, besonders aber müssen unsere Genossen Offiziere geschult werden. Ohne sofortige Einführung der Taktik der Sowjetarmee können wir künftighin nicht mehr bestehen. Wir brauchen Ausbildung an Maschinenwaffen, und vor allen Dingen muß mit den Maschinenwaffen Übungsschießen durchgeführt werden. Fehlend machte sich bemerkbar, daß es keine Schnellkommandos mehr gab. Es ist unbedingt erforderlich, daß an einigen Punkten des Bezirkes vollmotorisierte und mit Maschinenwaffen ausgerüstete Kommandos bis zur Zugstärke stationiert werden.

Der Boxsport muß in der VP gefördert werden. Viele unserer VP-Angeh. sind zu weich. Sie weichen gleich beim ersten Auftreten von Gegnern zurück. Sie müssen durch den Boxsport Vertrauen zur eigenen Körperkraft gewinnen und auch im Einstecken von Treffern hartgemacht werden. Im gleichen Rahmen muß der Judosport viel mehr entwickelt werden. Hier müssen die Übungen mehr in die praktische Durchführung der Selbstverteidigung gelegt werden.

Die einzelnen Dienststellen müssen Alarmverpflegung bereit haben, da durch plötzliche Störungen der Versorgung, wie es im Junieinsatz teilweise der Fall war, doch ernste Mängel in der Verpflegung der VP-Einheiten geben kann. Man wird also in jeder Dienststelle einen Reservebestand an Nährmitteln und Dauerwurstwaren halten müssen.

Die Erfahrungen haben gezeigt, daß unsere VP-Dienststellen neben der teilweise zu schwachen Besetzung auch unzweckmäßig gebaut sind. Gewiß sind Nebenausgänge unbedingt notwendig, jedoch ist ein Haupteingang stets besser zu verteidigen, als dies bei mehreren der Fall ist. Die Fenster in der untersten Etage sollten nach außen hin vergittert sein. Vor allem müssen unsere VP-Dienststellen an übersichtlichen Stellen und möglichst an einem Platz gebaut werden, bei dem man auch einen entsprechenden Überblick hat. Ungünstig wirkt sich auf alle Fälle die Lage eines VP-Amtes inmitten von engen Straßen aus.

Es sollte ernsthaft erwogen werden, ob nicht eine Änderung in der Frage des ständigen Waffentragens erfolgen kann. Jeder verpflichtete Volkspolizist muß eine Waffe haben. Die Ausgabe bei diesem Einsatz hat bei den Waffenkammern lange Zeit in Anspruch genommen, und viel kostbare Zeit ging verloren.

Zwischen der HVDVP und dem BDVP muß Funkverbindung bestehen. Ein Zerschneiden der Leitungen hat den Ausfall aller Nachrichtenverbindungen zur Folge.

Kritisiert muß die HVDVP werden. Einzelne Hauptabteilungen haben verhältnismäßig schnell die administrative Arbeit wieder aufgenommen und den üblichen Papierkrieg begonnen zu einem Zeitpunkt, da die BDVP und die VPKÄ durchaus noch alle Hände voll zu tun hatten mit der Sicherung unserer Republik. Ohne die Notwendigkeit der Berichterstattung über einzelne Fragen zu verkennen, erscheint es uns aber trotzdem für gegeben, in derartigen Zeiten alle Kraft nur auf die Sicherung der Republik zu geben. Allein die Fragen der Quartalsberichte für das II. Quart. 1953 ist ein Beispiel hierfür. Trotz der klaren Anweisungen des Sekretariats der HVDVP machen einige HA wieder Sondertermingestellungen (PV, SV und PM).

Weiter blieb vollkommen unberücksichtigt, daß die GST eine große Anzahl von Waffen und Kräder im Besitz hatte, an die im Moment der Unruhen nicht gedacht wurde. Wir haben hier sofort selbst geschaltet und veranlaßt, daß alle KK-Waffen und Munition sowie die Kräder der VP zur Verfügung gestellt wurden. Diese Aufgabe war nicht leicht, und doch mußte sie ernst genommen werden, denn die Waffen waren ja in den Betrieben bei den Gruppen der GST und bedeuteten dort für uns unbedingt einen Gefahr. Die Einbeziehung der Waffen ging hier reibungslos vonstatten, und am 18.6.1953 war diese Aktion abgeschlossen.

[....]

F.d.R.
Leiter des Sekretariats Chef der BDVP
(Hannemann) (Schwerke)
VP-Rat VP-Inspekteur

Anlage I

Kurzzusammenfassung der Vorkommnisse im Bezirk Cottbus:

Demonstrationen und Streikhandlungen: insgesamt 76
Streikende: 39.042
Festnahmen: 120
durch Streik verlorene Arbeitsstunden: 364.266

Diese gliedern sich auf die Kreise auf:

Kreise Betriebe Anzahl der Streikenden verlorene Arbeits-
stunden
Festnahmen
Senftenberg 21 26 288 247 730 5
Cottbus 24 5 718 41 558 50
Lübben 8 2 143 31 743 19
Calau 5 1 240 21 280 4
Finsterwalde 4 860 6 520 1
Weißwasser 2 800 2 600 1
Hoyerswerda 2 754 7 383 1
Guben 3 645 2 713 -
Jessen 3 241 1 296 24
Herzberg 1 160 960 3
Spremberg 2 145 435 1
Luckau 1 48 48 -
Forst - - - -
Liebenwerda - - - -
insgesamt 76 39 042 364 266 120

Anmerkung: Nach dem Stand vom 28.6.1953 hat sich die Zahl der Festnahmen auf insges. 126 erhöht.

Streikbewegung an den einzelnen Tagen:

17.6. 11 017 Streikende 108 508 verlorene Arb.-Stunden
18.6. 14 983 " 137 514 "
19.6. 6 335 " 37 130 "
20.6. 5 532 " 68 544 "
22.6. 755 " 5 370 "
23.6. 600 " 7 200 "

Nachstehende Volkspolizisten fanden im Einsatz Verwendung:

Kreis Offz. Wachtm. weibl. VP-Angeh.
BDVP 80 196 3/42
Wacheinheit Cottbus - 91 -
Mot. Halbzug 1 15 -
VA Cottbus 9 238 67
VPKA Cottbus 29 131 1/31
_ Calau 11 31 1/7
_ Finsterwalde 10 114 8
_ Forst 9 79 14
_ Guben 8 94 21
_ Herzberg 8 38 1/15
_ Hoyerswerda 21 131 57
_ Jessen 4 37 15
_ Liebenwerda 15 87 23
_ Lübben 9 34 1/10
_ Luckau 5 37 12
_ Senftenberg 34 312 65
_ Spremberg 13 47 12
_ Weißwasser 7 86 17
_ VPA(B) Lauch- hammer 7 78 15

Zusammen: 290 1 865 396 davon 7 Offz.

Bisher wurden 4 freiw. VP-Helfer von ihren Aufgaben entbunden, da sie sich am Streik beteiligten. Über eine größere Anzahl sind in dieser Richtung noch Ermittlungen zu führen.

Der Einsatz der VP-Helfer selbst fand in den Kreisen unterschiedlich statt. Während in einigen Kreisen der Einsatz gut organisiert war, gab es in anderen erhebliche Mängel. Eine genaue Auswertung wird durch die Abt. Schutzpolizei geschaffen.

F.d.R.
Leiters des Sekretariats
(Hannemann)
VP-Rat

[Quelle: BArch, DO 1/11.0/305, Bl. 101-128 ( Auszüge); - Namen von den Hg. anonymisiert; vollständig veröffentlicht in: Torsten Diedrich/Hans-Hermann Hertle (Hrsg.), Alarmstufe "Hornisse". Die geheimen Chef-Berichte der Volkspolizei über den 17. Juni 1953, Berlin 2003.]