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28. Juni 1953 (Sonntag)

Bis 6.00 Uhr früh sind allein von der Staatssicherheit insgesamt 4.489 Personen im Zusammenhang mit den Ereignissen des 17. Juni 1953 verhaftet worden. Von diesen hat das MfS inzwischen 2.465 wieder freigelassen. Gegen 1.337 Personen wurden Haftbefehle erwirkt und 574 Gefangene den Gerichten übergeben. Davon sind bisher 171 verurteilt worden.

In der Sonntagausgabe des "Neuen Deutschland" wird eine Reportage über den Besuch des linientreuen Schriftstellers Kurt Barthel, genannt Kuba, bei Arbeitern auf der Ostberliner Baustelle der Staatsoper am 25.6.1953 veröffentlicht. Der Partei-Schriftsteller erklärt den Arbeitern, dass der Feind gerade in dem Moment das Steuer an sich zu reißen versuchte, als die Regierung selbst im Begriff gewesen sei, das Steuer herumzuwerfen. Doch das sei dem Gegner "vollständig misslungen", denn die breite Masse der Bevölkerung habe nicht mitgemacht "und die Sowjetarmee war auf der Hut". Barthel erklärt dann, dass nun alles offen ausgesprochen werden sollte, sonst könne sich die Lage der Arbeiter nicht grundlegend bessern. Seiner Aufforderung folgen Beschwerden und eine massive Kritik.

"Kuba bei den Bauarbeitern", Neues Deutschland, 28.6.1953

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In der Bundesrepublik beginnt der Wahlkampf auf Hochtouren zu laufen. Bundeskanzler Konrad Adenauer nimmt an einer Wallfahrt von 50.000 vertriebenen Schlesiern nach Werl (Westfalen) teil und besucht im Anschluss das dort gelegene britische Kriegsverbrecher-Gefängnis. Mehrere Kommentatoren merken an, dass der Kanzler für die Bundestagswahl auf Stimmenfang geht.

In Lübeck endet der außerordentliche Parteitag der FDP mit der Verabschiedung eines Wahlprogramms. Darin fordert die FDP ein freies, in rechtsstaatlicher Ordnung wiedervereinigtes Deutschland und die konsequente Fortsetzung der Westintegration. Zudem müsse mit einer frei gewählten gesamtdeutschen Regierung ein Friedensvertrag geschlossen werden, der auf den deutschen Grenzen von 1937 basieren soll. Darüber hinaus dürfe die Oder-Neiße-Grenze niemals Anerkennung finden.

Anlässlich der Ernteeinbringung sendet der DDR-Rundfunk eine Ansprache von Ministerpräsident Otto Grotewohl an die Landbevölkerung. Grotewohl geht bei dieser Gelegenheit noch einmal auf Themen wie die Ablieferungspflicht, Zwangsmaßnahmen, Bauernflucht und LPG ein.

Rede von Otto Grotewohl an die Landbevölkerung, 28. Juni 1953 (DDR-Rundfunk)

Mp3-File O-Ton (mp3)

Während am Vortag (Samstag) rund 74.000 Menschen die Sektorengrenze in Berlin in beiden Richtungen überschritten haben, registriert die Westberliner Polizei an diesem Sonntag mit nur 15.562 Personen einen geringen Verkehr.

Pressestimmen West:

J. B. Gradl thematisiert unter dem Titel "Bessere Sicht" in dem Berliner "Tag" die Chancen auf eine Wiedervereinigung: "Ein Volk, das gegen einen scheinbar allmächtigen Staatsapparat so aufzustehen wagte, wie es am 16. und 17. Juni geschah, ein solches Volk wird auch in der Wahlzelle die Entscheidung wagen, wenn es nur erst soweit ist. Wesentliche Elemente freier Wahl und freier politischer Betätigung sind unverzichtbar, aber die Grenze zwischen dem Wesentlichen und Nichtwesentlichen ist zu unseren Gunsten elastischer geworden - ein Gewinn für den Fall, daß es zu konkreten Verhandlungen über freie Wahlen kommen sollte. Der 17. Juni hat manches weggewischt, was der Wiedervereinigung hätte hinderlich sein können. Die Zeit ist reif. Sicher, die Aufgabe bleibt gewaltig und schwer, und ihre Strenge ist nichts für Ängstliche und Bequeme, für Spießer und Egoisten. Aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt, sagt ein gutes deutsches Sprichwort. Würde die Wiedervereinigung und für sie eine entschlossene Politik nicht gewagt, so bliebe ein Pulverfaß im Herzen Europas stehen. Auch das hat der 17. Juni gezeigt."







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