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12. Juni 1953 (Freitag)

Aufgrund der Beschlüsse des SED-Politbüros und des DDR-Ministerrats werden in Brandenburg an der Havel seit 9.00 Uhr Strafgefangene und Untersuchungshäftlinge aus der Haft entlassen. Im Untersuchungs-Gefängnis befindet sich auch der Speditionsunternehmer Taege, der einen Fuhrbetrieb mit mehr als 40 Mitarbeitern in Brandenburg unterhält und wegen des Gesetzes zum Schutze des Volkseigentums eingesperrt wurde. Gerüchten zufolge soll die Freilassung des Unternehmers am Nachmittag erfolgen. Angehörige Taeges und Belegschaftsmitglieder feiern die bevorstehende Freilassung. Am Nachmittag begeben sich einige Arbeiter des Unternehmens stark angetrunken zum Gefängnis und fordern die Freilassung ihres Chefs. Der Staatsanwalt lehnt die Freilassung vorerst ab. Darauf hin protestieren die Arbeiter lautstark; in kurzer Zeit versammeln sich einige tausend Menschen vor dem Gefängnis. Es kommt zu Rangeleien. Taege wird noch in der Nacht freigelassen.

Auch vor Gefängnissen in anderen Orten - so etwa in Halle, Neuruppin, Güstrow und Stralsund - bilden sich Menschenaufläufe: Familien, Freunde und Mitarbeiter erwarten die Freilassung ihrer Angehörigen bzw. Chefs.

BDVP Potsdam, Protestversammlung vor dem Kreisgericht Brandenburg/Havel am 12.6.1953

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Nach dem Kommuniqué des Politbüros veröffentlicht die Presse landesweit die Beschlüsse des Ministerrates. Wieder sind binnen weniger Stunden die Tageszeitungen vergriffen.

Aus den Informationen, die im SED-Zentralkomitee einlaufen und verdichtet werden, geht Schadenfreude in der Bevölkerung darüber hervor, "dass die SED mit ihrer Politik nicht mehr durchkomme und von den Massen zum Rückzug gezwungen wurde." In den Berichten wird insgesamt aber eine positive Bilanz gezogen und der Kurswechsel als Erfolg gewertet.

SED-ZK, Tagesbericht Nr. III und IV, 12.6.1953

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In Ostberlin wird auf der Baustelle "Block C-Süd" der Stalinallee gegen Mittag eine Normerhöhung um 10 Prozent verkündet. Die Arbeiter diskutieren empört mit den Funktionären und streiken schließlich kurzzeitig. Es wird der Beschluss gefasst, am 13. Juni um 11.00 Uhr im Gewerkschaftshaus des FDGB erneut zu verhandeln.

Verlesung des Kommuniqués des Politbüros des ZK der SED vom 9. Juni 1953 (DDR-Rundfunk)

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Pinsel und Schnorchel über das Kommuniqué des SED-Politbüros vom 9.6.1953 (RIAS Berlin)

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Pressestimmen West:

Der "Telegraf" aus Berlin befasst sich unter der Überschrift "Nur eine Korrektur" mit den Beschlüssen des Politbüros vom 9. Juni 1953: "Der vom Politbüro der SED gefaßte selbstkritische Beschluß, eine Reihe der in letzten Monaten gegen die Bevölkerung der Zone gerichteten Maßnahmen zurückzunehmen, ist als eine Korrektur der bisherigen Haltung, aber nicht als eine Wandlung anzusehen. Sicherlich ist der Selbstkritik des Politbüros eine heftige Kritik von sowjetischer Seite vorangegangen. Den Vorschlägen des Politbüros ist anzumerken, daß die Selbstkritik recht oberflächlich vorgenommen wurde. Zweifellos hat Ulbricht sowohl im Ministerrat als auch im Zentralkomitee sowie in den Bezirksleitungen der SED Gesinnungsfreunde seiner bisherigen aggressiven politischen Konzeption. Diese werden nun alles daransetzen, die Anordnungen des Politbüros in der Ausführung zu verwässern."

René Bayer schreibt in der "Süddeutschen Zeitung" über "Semjonows neue Trumpfkarte": "Jetzt ist Semjonow Ulbricht in den Arm gefallen und hat dem Aufbau des Sozialismus nach "Bärtchens" Feldwebelart Einhalt geboten. Er hat den Kirchenkampf abgeblasen, die Bauernverfolgung gebremst, die Benachteiligung des Mittelstandes gemildert und die Terrorjustiz auf einigen Gebieten gelockert. Damit dürfte er innerhalb der Sowjetzone einen größeren Erfolg erzielen als es die Maßnahmen bei nüchterner Betrachtung rechtfertigen. In der Zeit, als Ulbricht noch den wilden Mann spielte, sagten die Leute: "Jetzt ist es bald zu Ende, so kann es nicht weitergehen". Arbeiter und Bauern taten nur noch das Nötigste und warteten auf den großen Zusammenbruch. Jetzt aber hat Semjonow den Eindruck einer Umkehr vermittelt. "Das System will leben und leben lassen", so könnte eine SED-Flüsterpropaganda die neue Lage ausdeuten. Auch wenn die Aufforderung zur Flüchtlingsrückkehr erfolglos bleibt, der Strom der Flucht aus der DDR wird abebben."

Pressestimmen Ost:

Zum "Tag des Lehrers" schreibt das "Neue Deutschland" über die "Lehrer des Friedens": "Wir feiern heute den Tag des Lehrers: Millionen von Kindern in der Deutschen Demokratischen Republik danken heute ihrem Erzieher, schmücken seinen Arbeitsplatz mit Blumen und geben das Versprechen ab, noch besser zu lernen. Delegationen aus den Betrieben, Bürgermeister und Elternbeiräte, Gemeindevertretungen und Aktivisten entbieten dem Lehrer ihre Grüße der Anerkennung und des Dankes. Die besten Erzieher der Deutschen Demokratischen Republik empfangen aus der Hand des Ministerpräsidenten Otto Grotewohl die höchste Auszeichnung als ‚Verdienter Lehrer des Volkes'. Mit der Verleihung dieser Ehrenbezeichnung und dem großen Festakt ehrt die Regierung alle deutschen Lehrer, die erfolgreich an der Erziehung der jungen Generation arbeiten und für die friedliche Vereinigung unseres Vaterlandes kämpfen."

Ansprache Otto Grotewohls auf einer Veranstaltung zum "Tag des Lehrers", 11.6.1953 (DDR-Rundfunk)

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