Gespräch des Bundeskanzlers Adenauer mit Präsident Eisenhower in Washington

Geheim

7. April 1953 (1)

Protokoll über die Besprechung des Herrn Bundeskanzlers mit Präsident Eisenhower am 7. April 1953 im Weißen Haus (2).

Präsident Eisenhower eröffnete die Unterhaltung, indem er den Herrn Bundeskanzler in Amerika willkommen hieß und ihn in seinem eigenen Namen wie im Namen seiner Kabinettskollegen und des amerikanischen Volkes für das Angebot eines nach Korea zu entsendenden Lazaretts (3) dankte. Dieses Angebot beweise, daß Deutschland und die Vereinigten Staaten gemeinsame Probleme hätten, die sie zusammenführten. Der Präsident machte sodann darauf aufmerksam, daß er beschlossen habe, nicht nur den Außenminister, sondern auch den Finanzminister und den Verteidigungsminister zu den Besprechungen hinzuziehen, da die Interessen dieser Ressorts berührt seien. Er beabsichtige, die Unterhaltung mit völliger Freimütigkeit zu führen, und hoffe, daß dies auch auf deutscher Seite der Fall sein werde. Der Bundeskanzler könne sich hier ganz wie unter Freunden fühlen, denen das Wohl eines freien Deutschlands am Herzen liege. Die beiden Länder müßten ihre Probleme gemeinsam lösen.

Der Präsident betonte sodann, daß die Vereinigten Staaten in ihrer Außenpolitik von der Erwägung ausgingen, daß die Länder Westeuropas einschließlich Deutschlands sich zu einem engen Bunde zusammenschließen müßten. Man verstehe in Amerika, daß es da noch gewisse Schwierigkeiten gäbe, wie z. B. die Frage der Saar, über die Herr Dulles später sprechen werde. Er selbst sei bereit, mit dem Herrn Bundeskanzler alle Probleme zu besprechen, soweit sie sich im Rahmen des europäischen Einigungsgedankens hielten.

Der Herr Bundeskanzler dankte dem Präsidenten für seine aufgeschlossene Haltung und sein Interesse an den europäischen Angelegenheiten. Er könne ihm versichern, daß nicht nur die Bundesrepublik, sondern auch die Deutschen jenseits des Eisernen Vorhangs zum Westen stünden. Es sei sein sehnlichstes Ziel, die EVG und den europäischen Zusammenschluß sobald als möglich verwirklicht zu sehen. Er sei überzeugt, daß der Bundesrat noch diesen Monat zustimmen werde. Wir in Deutschland bejahten - mehr als bejahten - die amerikanische Politik. Wir seien ein treuer und zuverlässiger Partner. Bei dem Empfang auf dem Flugplatz habe Vizepräsident Nixon in beglückender Weise von den alten guten Beziehungen zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten gesprochen (4). Es sei unser Wunsch, diese Beziehungen wieder so herzustellen und sie möglichst noch besser zu machen als vorher. Die Bundesregierung habe der amerikanischen Seite einige Punkte mitgeteilt, über die sie gern mit der amerikanischen Seite verhandeln möchte. Es sei selbstverständlich, daß nicht alle dieser Themen in Gegenwart des Präsidenten besprochen werden müßten. Die meisten könnten mit dem Außenminister verhandelt werden. Er, der Bundeskanzler, bitte aber, daß er nach den Besprechungen mit dem Außenminister nochmals eine Rücksprache mit dem Präsidenten haben könne. Der Präsident stimmte dem zu (5).

Der Herr Bundeskanzler erklärte, er sei bereit zu einer Aussprache über die Saarfrage mit dem Außenminister (6), möchte jedoch auch in Gegenwart des Präsidenten sagen, daß er schon sehr lange den Wunsch hege, die Saarfrage noch vor dem Friedensvertrag schiedlich friedlich aus der Welt zu schaffen. Der Präsident warf ein, er bäte nicht mißverstanden zu werden, die Amerikaner hätten kein Wundermittel, um die Saarfrage zu lösen, möchten aber gern behilflich sein.

Der Herr Bundeskanzler sagte sodann, es sei ihm viel daran gelegen, die Haltung der Vereinigten Staaten hinsichtlich der sowjetischen Friedensfühler (7) kennenzulernen. Soweit er diese Haltung aus der Presse bisher habe beurteilen können, halte er sie für völlig richtig.

Der Präsident erwiderte, man dürfe die amerikanische Haltung nicht mißverstehen. Amerika sei ebenso sehr wie jedes andere Volk bestrebt, den Frieden zu erhalten. Solange jedoch die Sowjets nur einen Frieden mit Gewalt wollten, müsse man ihnen mit Macht Einhalt gebieten.

Außenminister Dulles richtete die Frage an den Herrn Bundeskanzler, ob er glaube, daß die russischen Friedensfühler sich auf die Haltung der deutschen Bevölkerung oder auf die EVG auswirken würden. Vielleicht wollten einige Deutsche lieber abwarten und sehen, wie die Dinge sich entwickelten. Ihm wollte es scheinen, als ob die sogenannten Friedensfühler hauptsächlich eine Reaktion auf die kraftvolle und konstruktive Politik seien, die der Westen in Europa und Asien verfolge. Man müsse daraus die Lehre ziehen, daß man diese Politik weiterverfolgen müsse und sich nicht von ihr abbringen lassen dürfe. Wenn es den Sowjets gelingt, uns durch Lockung von unserer Politik abbringen zu lassen, dann verdienen wir das Mißgeschick, das dann über uns kommen wird. Wenn wir dagegen an unserem Kurs festhalten, dann können wir bekommen, was wir wollen, nämlich die Wiedervereinigung Deutschlands, einen Staatsvertrag für Österreich und eine Friedensregelung in Korea und Indochina. Es ist die Taktik der Kommunisten, von Zeit zu Zeit einen Rückzieher zu machen in der Hoffnung, daß sie auf diese Weise die Gegenseite demoralisieren können.

Der Herr Bundeskanzler erwiderte, die amerikanischen Staatsmänner brauchten nicht zu befürchten, daß wir in Deutschland weich würden. Die Deutschen kennen die Russen und die totalitäre Denkweise besser als die meisten anderen Völker. Wir hätten ja auch die Erfahrungen der Nazis hinter uns. Amerika könnte überzeugt sein, daß in Deutschland nur sehr wenige Menschen ein Nachlassen in den Verteidigungsanstrengungen auf Grund der sowjetischen Friedensfühler begrüßen würden. Im übrigen bestehe eine große Ähnlichkeit zwischen der jetzigen russischen Politik und derjenigen nach dem Tode Lenins. Auch damals hätten die Russen sich plötzlich friedfertiger und nachgiebiger gezeigt. Außerdem möchte er darauf hinweisen, daß der sowjetische Druck in der Sowjetzone unvermindert anhalte und sich in letzter Zeit besonders auf dem kirchlichen Sektor verschärft habe. Im übrigen seien die sogenannten Friedensfühler bereits in dem Artikel Stalins in der Zeitschrift "Bolschewik" und in der Rede Malenkows auf dem kommunistischen Parteitag (8) angedeutet worden. Das sei eine ganz klare sowjetische Taktik.

Präsident Eisenhower sprach sodann den Wunsch aus, sich nunmehr mit dem Herrn Bundeskanzler im engsten Kreise zu besprechen. An dieser Besprechung nahmen teil von deutscher Seite:

Bundeskanzler, Staatssekretär Hallstein, Herr Dr. Krekeler,

von amerikanischer Seite:

Präsident Eisenhower, Außenminister Dulles, Verteidigungsminister Wilson, Finanzminister Humphrey, Dr. Conant.

Bei der vorhergehenden Besprechung waren außerdem anwesend:

von deutscher Seite: Herr von Herwarth, Herr von Maltzan, Herr von Eckardt, Herr Böker;

von amerikanischer Seite: Mr. McCardle, Mr. Riddleberger, Mr. MacArthur, Mr. Harris.

B 2 (Büro Staatssekretär), Bd. 22

Anmerkungen:

1) Konzept. Die Gesprächsaufzeichnung wurde von Legationsrat I. Klasse Böker am 13. April 1953 gefertigt.

2) Bundeskanzler Adenauer hielt sich vom 6. bis 17. April 1953 in den USA auf. Zum Gespräch mit Präsident Eisenhower vgl. auch ADENAUER, Erinnerungen 1945-1953, S. 568-570. Vgl. dazu ferner FRUS 1952-1954, VII/1, S. 425-429.

3) Am 31. März 1953 wurde Bundeskanzler Adenauer vom Kabinett ermächtigt, bei seinem Besuch in Washington als Spende der Bundesrepublik ein Feldlazarett von 200 Betten für die amerikanischen Truppen in Korea anzubieten. Vgl. dazu KABINETTSPROTOKOLLE, Bd. 6 (1953), S. 245.

4) Der amerikanische Vizepräsident Nixon führte bei der Ankunft des Bundeskanzlers Adenauer in Washington aus: "Mr. Chancellor, your visit marks a historic occasion in the relationships between the people of Germany and the United States. There are very few American schoolchildren who do not recall the dramatic period in the American War for Independence when Baron von Steuben helped to train the disorganized and ragged Continental soldiers at Valley Forge and develop the forces which went on to win the victory at Yorktown which resulted in the independence of this country. [...] And all of you, of course, are aware of the tremendous contribution which has been made by the millions of Germans who have become American citizens - a contribution to our culture, to our strength, and to our progress. It seems to us that one of the great tragedies of our generation has been that twice within almost a generation our two peoples have been torn asunder by conflict. We are confident that we are now entering a new era - a new era of peace and friendship between our two peoples and we are confident - we hope and pray that under your leadership and the leadership of those in your Government in the new Germany, and with our leadership, that together we can re-establish the old bonds of friendship which for so long represented the relationships between the German and the American people." Vgl. DEPARTMENT OF STATE BULLETIN, Bd. 28/2 (1952),S. 569. Für den deutschen Wortlaut vgl. BULLETIN 1953, S. 565.

5) Das zweite Gespräch des Bundeskanzlers Adenauer mit Präsident Eisenhower fand am 9. April 1953 in Washington statt. Vgl. dazu FRUS 1952-1954, VII/I, S. 446 f.

6) Für die Gespräche des Bundeskanzlers Adenauer mit dem amerikanischen Außenminister Dulles am 7./8. April 1953 in Washington vgl. Dok. 114.

7) Außerdem führte Malenkow am 15. März 1953 vor dem Obersten Sowjet in Moskau aus: "As to foreign policy, the following is completely clear from our statements: The Soviet Government will unswervingly lead the tested policy of maintenance and consolidation of peace, of ensuring the defense and security of the Soviet Union, a policy of collaboration with all countries and of developing business links with them on the basis of mutual consideration for each other's interests. It will aim to realise a close political and economic collaboration and strengthen the ties of fraternal friendship and solidarity with the great Chinese people, with all people of the countries of people's democracy. The Soviet policy of peace is based on respect for the rights of the peoples of other countries, great as well as small, and on the observance of established international usages. Soviet foreign poliey is based on the strict and unfailing observance of all treaties concluded by the Soviet Government with other States. At present there is no litigious or unsolved question which could not be settled by peaceful means on the basis of the mutual agreement of the countries concerned. This concerns our relations with all States, including the United States of America. The States interested in the maintenance of peace can be assured at present as well as in the future of a lasting peaceful policy of the Soviet Union." Vgl. DOCUMENTS ON INTERNATIONAL AFFAIRS 1953, S. 12 f.

8) Am 5. Oktober 1952 führte das Mitglied des ZK-Sekretariats, Malenkow, vor dem XIX. Parteitag der KPdSU in Moskau u. a. aus: "Die sowjetische Politik des Friedens und der Sicherheit der Völker geht davon aus, daß das friedliche Nebeneinanderbestehen des Kapitalismus und des Kommunismus sowie deren Zusammenarbeit durchaus möglich sind, wenn nur der beiderseitige Wunsch zur Zusammenarbeit, wenn nur die Bereitschaft vorhanden ist, die übernommenen Verpflichtungen zu erfüllen, wenn von beiden Seiten das Prinzip der Gleichberechtigung und der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten gewahrt wird. Die Sowjetunion setzte sich stets und setzt sich auch heute für die Entwicklung des Handels und der Zusammenarbeit mit anderen Ländern ein, ungeachtet der Verschiedenheit der sozialen Systeme. Die Partei wird diese Politik auch in Zukunft auf der Grundlage des gegenseitigen Vorteils durchführen. Während die amerikanisch-englischen kriegslüsternen Kreise darauf beharren, daß die Industrie der kapitalistischen Länder nur durch fieberhafte Aufrüstung ausgelastet werden kann, gibt es in Wirklichkeit eine andere Perspektive - die Perspektive der Entwicklung und Erweiterung der Handelsbeziehungen zwischen allen Ländern, ungeachtet der Verschiedenheit ihrer sozialen Systeme, wodurch die Industrie der industriell entwickelten Länder auf viele Jahre hinaus ausgelastet, der Absatz der Erzeugnisse, an denen die einen Staaten reich sind, an andere Staaten gesichert, der Wirtschaft der schwach entwickelten Länder zum Aufschwung verholfen und somit eine lang dauernde wirtschaftliche Zusammenarbeit angebahnt werden kann." Vgl. OST-PROBLEME, 1952, Bd. 2, S. 1445.

[Quelle: Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland 1953, Band I, hrsg. im Auftrag des Auswärtigen Amtes vom Institut für Zeitgeschichte, München 2001, S. 315-318.]