DIE SPRACHE J. W. STALINS
Von Nationalpreisträger Jürgen Kuczynski


Die Klassiker des Marxismus-Leninismus, Marx, Engels, Lenin, Stalin, geben uns nicht nur Antwort auf die entscheidenden Fragen des gesellschaftlichen Lebens. Sie lehren uns nicht nur unvergängliche Weisheit, sie sprechen zu uns auch in einer Sprache von besonderer Eindringlichkeit und besonderer Wirksamkeit, jeder in seiner eigenen Art. Welches sind nun die hervorragendsten Eigenschaften der Sprache Stalins, die ihr solch große, solch umfassende, eben alle ansprechende Wirkung geben?

Ich glaube, die erste und wichtigste Eigenschaft ist ihre schlichte Einfachheit. Wer kann je einen solch einfachen Satz vergessen wie:

"Die Erfahrungen der Geschichte besagen, daß die Hitler kommen und gehen, aber das deutsche Volk, der deutsche Staat bleibt." (23.2.1942)

Solch ein einfacher, jedem Menschen verständlicher Satz! Und dieser einfache Satz birgt in sich den Kern aller Politik der Sowjetunion gegenüber Deutschland. Er erklärt auch, warum die Sowjetunion sich stets gegen die Spaltung, sich immer für die Einheit Deutschlands einsetzen wird.

Mit dieser schlichten Einfachheit verbindet sich eine große, menschliche Wärme. In seiner Rede vor den Stoßarbeitern der Kollektivwirtschaften ermahnt Stalin die Parteimitglieder, sich nicht von den Parteilosen abzusondern, sondern ganz im Gegenteil eng und kameradschaftlich mit ihnen zusammenzuarbeiten und sie an die Partei heranzuführen. Wie herrlich und tiefrührend bescheiden spricht Stalin:

"Man darf nicht vergessen, daß Parteimitglieder nicht vom Himmel fallen. Man muß dessen eingedenk sein, daß alle Parteimitglieder selber einmal parteilos waren. Heute ist einer parteilos, morgen aber wird er Parteimitglied. Womit kann man sich da eigentlich brüsten? Unter uns alten Bolschewiki gibt es nicht wenige Leute, die 20 bis 30 Jahre in der Partei arbeiten, und wir waren doch selber einmal auch Parteilose. Was wäre aus uns geworden, wenn vor 20 bis 30 Jahren die damaligen Parteimitglieder sich nicht um uns gekümmert und uns nicht an die Partei herangelassen hätten? Möglicherweise wären wir damals auf eine Reihe von Jahren von der Partei abgestoßen worden. Wir alten Bolschewiki aber sind doch nicht gerade die letzten, Genossen! Aus diesem Grunde müssen unsere Parteimitglieder die heutigen jungen Parteimitglieder, die manchmal gegenüber den Parteilosen die Nase hochtragen, all dessen eingedenk sein, besonders dessen, daß nicht Überheblichkeit, sondern Bescheidenheit den Bolschewiki ziert."

Anders ist die Sprache Stalins in anderer Stunde, etwa wenn es gilt, die Werktätigen zum revolutionären Kampf aufzurufen. Von welcher Wucht und historischen Größe ist seine ganz einfach "Bürger!" überschriebene Proklamation vom Oktober 1905, die so beginnt:

"Der mächtige Riese - das Proletariat Rußlands - ist erneut in Bewegung geraten ... Rußland ist von einer breiten, alle Gegenden erfassenden Streikbewegung ergriffen. Wie auf einen Wink mit dem Zauberstab ist in dem ganzen unermeßlichen Raume Rußlands das Wirtschaftsleben mit einem Schlag zum Stillstand gekommen."

Und gleich danach - nur wenige Tage später - welch beglückend, befreiender Jubel spricht aus der so beginnenden Proklamation "An alle Arbeiter":

"Die Revolution marschiert! Das revolutionäre Volk Rußlands hat sich erhoben und die Zarenregierung umzingelt, um zum Sturmangriff auf sie anzusetzen. Es flattern die roten Banner, es werden Barrikaden gebaut. Das Volk greift zu den Waffen und stürmt die staatlichen Ämter. Wieder erklingt der Kampfruf der Tapferen, wieder erbraust das verstummte Leben. Das Schiff der Revolution hat die Segel gehißt und ist zur Freiheit ausgelaufen. Dieses Schiff wird vom Proletariat Rußlands geführt."

Niemals klingt Stalin müde vom Kampf und abgespannt. Wie anders wieder und voller Ironie kann Stalins Sprache sein, etwa wenn er sich gegen tatenlose Schwätzer wendet. Hören wir seine Schilderung eines Gesprächs mit einem solchen Kolchosfunktionär:

"Ich: Wie steht es bei euch mit der Aussaat?
Er: Mit der Aussaat, Genosse Stalin? Wir haben mobilisiert. (Heiterkeit)
Ich: Nun, und?
Er: Wir haben die Frage sehr scharf gestellt.(Heiterkeit)
Ich: Und was weiter?
Er: Wir haben einen Umschwung erzielt, Genosse Stalin, bald wird ein Umschwung eintreten. (Heiterkeit)
Ich: Aber trotzdem?
Er: Es machen sich bei uns Fortschritte bemerkbar. (Heiterkeit)
Ich: Aber immerhin, wie steht es bei Euch mit der Aussaat?
Er: Mit der Aussaat kommen wir vorläufig nicht vorwärts, Genosse Stalin. (Allgemeines Lachen)"


Besonders lieben wir alle Humor und Volkstümlichkeit der Sprache Stalins. Es gibt kaum eine längere Rede Stalins, in der nicht gerade wegen der Volkstümlichkeit der Sprache der Berichterstatter in Klammern häufig von Heiterkeit und Lachen der Zuhörer berichtet. Dieser Humor und die Volkstümlichkeit der Sprache Stalins verbinden sich eng mit der lebendigen Liebe zu dem, was wir das nationale Kulturerbe nennen, und nichts kennzeichnet diese ganze enge Verbundenheit mit dem Kulturerbe wohl so deutlich wie folgende Begebenheit:

Wenige Tage vor Ausbruch der Revolution am 15. Oktober 1917 ist Stalin voll Wut und Zorn gegen die "Streikbrecher der Revolution" und in seiner überschäumenden Empörung kommt ihm nicht wie anderen ein Fluch, sondern der Name einer Gestalt aus Gogols Revisor über die Lippen, der den Gegner viel schlimmer trifft als irgendein Schimpfwort. So tief sind die Gestalten und Charaktere der großen Werke der russischen Literatur mit seinem Leben verbunden, daß sie Stalin vertraut sind wie gute Freunde und natürlich vor seinen Augen erscheinen wie der tägliche Blick auf Moskau vom Kreml.

Echt und tief in allem und jedem, in Gefühl und Weisheit und Wirkung ist Stalins Sprache, und das ist wohl das Schönste, was wir von ihr sagen können.

[Quelle: Die Wahrheit Nr. 295, 24.12.1952; Hervorheb. Im Original]